Süddeutsche Zeitung

Regierungssprecher Wilhelm:Der Mann, der bei Merkel bleibt

Ulrich Wilhelm hätte offenbar Leiter der bayerischen Staatskanzlei werden können -doch Kanzlerin Angela Merkel will, dass ihr Regierungssprecher bleibt.

Hans-Jürgen Jakobs und Birgit Kruse

Wer es mit einem Porträt in die Bunte schafft, kann im politischen Berlin nicht unwichtig sein. Über Ulrich Wilhelm, 46, hat das Münchner Leute-Blatt vor ein paar Wochen ("Frau Merkels Mann fürs Feine") sogar überaus nett geschrieben: Der Regierungssprecher , "ein Mann mit blauen Augen und jungenhaftem Charme", wurde als "der wichtigste Verkäufer von Angela Merkels Politik" klassifiziert.

So viel Lob steht vor mancher Karriere. Der gebürtige Münchner und CSU-Mann, der von 1998 bis Ende 2003 als Pressesprecher des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gewirkt hat, stand in den letzten Wochen im Mittelpunkt handfester Personalspekulationen, die den Umbau des bayerischen Kabinetts unter dem künftigen Landeschef Günther Beckstein betrafen.

Nach Informationen von sueddeutsche.de hatte Wilhelm - informell - die Chance, Chef der bayerischen Staatskanzlei zu werden. Er wäre in dieser Funktion dem etwas glücklosen Amtsinhaber Eberhard Sinner gefolgt - und hätte, bei Bewährung, direkt für noch höhere Aufgaben zur Verfügung gestanden. Zur wichtigsten Personalie der Beckstein-Ära kommt es aber nicht, da die Bundeskanzlerin ihren Sprecher nicht ziehen lassen will, wie aus Regierungskreisen zu erfahren ist.

Becksteins Innenministerium will "zu dieser und anderen Kabinettsspekulationen" keine Stellungnahme abgeben. Die Kanzlerin schweigt, und Wilhelm erklärte dieser Tage: "Mit mir hat noch niemand geredet." Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass es "kein Angebot" gegeben habe, also keinen konkreten Vertragsentwurf. Und doch: Es war allem Anschein nach eine schwierige Geschichte.

Wochenlang war Wilhelm, so Erzählungen von Vertrauten, im Zwiespalt. Einerseits lockte München: der wichtige Job, die Heimat - und vor allem die Familie. Seine Frau Andrea war 2005 ohnehin wenig begeistert über die Berliner Mission gewesen, und seine Tochter (geboren 1993) und seinen Sohn (geboren 1994) sieht der bekennende Familienmensch ohnehin viel zu selten. Andererseits aber ist da die Pflicht in der Hauptstadt zu erfüllen: Das Versorgen der Journalisten mit wichtigen Informationen, die Darstellung der Großen Koalition als produktives Team, die Loyalität zur Kanzlerin.

Letztlich siegte das Preußische: Wilhelm sicherte zu, bis zum Ende der Legislaturperiode Regierungssprecher zu bleiben. Falls sich Union und SPD vorher nicht final verhaken, wird das nächste Mal im November 2009 gewählt. Angela Merkel, die ihren Nachrichtenverkäufer seit 1992 kennt, ist über diese Entwicklung hocherfreut. Sie weiß: Die Verhältnisse in der Koalition werden eher schwieriger - die Nervosität steigt, je näher der Wahltermin rückt. Da braucht sie einen Profi an der PR-Front.

Anders als es in der Vorgängerregierung von Gerhard Schröder der Fall war, hat der Regierungssprecher jetzt ein Büro im Kanzleramt. Wilhelm sitzt bei allen wichtigen Meetings dabei, er begleitet Angela Merkel oft den ganzen Tag und bedient schnell ein spezielles Handy, wenn die Regierungschefin anruft.

Der Volljurist mit Prädikatsexamen glänzt mit lexikalischem Wissen und ist dabei noch so verbindlich und offen, dass selbst politische Gegner nur Positives über ihn sagen. "Das ist einer, mit dem man in Urlaub fahren will", urteilt einer. In Redaktionen wird Kommunikator Wilhelm, der 1983 die Münchner Journalistenschule abgeschlossen hat, sehr geschätzt.

Ein taffer Typ mit scharfem Verstand

Auch in seiner bayerischen Heimat und in seiner Partei wird die ungewöhnliche Karriere aufmerksam beobachtet. "Er ist total normal geblieben", sagt ein CSU-Vorstandsmitglied bewundernd. Natürlichkeit und Höflichkeit habe sich Wilhelm bewahrt, keine Spur von Arroganz oder Standesdünkel. Nicht zuletzt deswegen schätzt man in Bayern den Sohn des ehemaligen CSU-Staatsekretärs Paul Wilhelm.

Er sei "absolut taff", erklärt ein CSU-Abgeordneter - Wilhelm sei ein Mann, der seine Ämter in der Staatskanzlei und als Amtschef im Wissenschaftsministerium "glänzend gemacht" habe - mit Charme, Sachkenntnis, Eloquenz und scharfem Verstand.

Es gibt noch einen Grund, warum die Münchner CSU-Landtagsfraktion so gut auf Wilhelm zu sprechen ist: In seiner Zeit als Stoibers Pressesprecher hatte er es verstanden, seinen Mentor nicht nur zu beraten, sondern ihn, wenn nötig, auch zu bremsen - diskret hinter den Kulissen. Gleichzeitig band Wilhelm die Fraktion stets in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse der Regierung ein. Weiß er doch durch seinen Vater, "was Parteiarbeit und Ressortarbeit heißt", sagt Landtagsvizepräsidentin Barbara Stamm.

Doch bei allen Komplimenten: Im Kabinett Beckstein wäre Wilhelm - Merkels Marketender für politische Botschaften - derzeit nicht gerne gesehen. Zwar wäre eine Rückkehr nach München eine "zusätzliche Stärkung", heißt es in hochrangigen CSU-Kreisen. "Für Beckstein wäre er ein Gewinn", findet auch Barbara Stamm, denkt dabei eher an die Funktion als Pressesprecher. Als Kabinettsmitglied sieht sie ihn nicht - zumindest nicht jetzt.

Sie setzt auf die Landtagsabgeordneten: "Die Fraktion hat zwischen 40 und 50 genug Leute, die regierungsmäßig arbeiten können", findet sie und spricht sich dafür aus, das Potenzial der Fraktion wieder stärker zu nutzen.

"Wilhelm ist ein Beamter und kein Politiker", erklärt ein Kabinettsmitglied. Das sei ein Malus, der gerade jetzt besonders schwer wiegen könnte - denn es ist durchaus möglich, dass Beckstein bei seiner Kabinettsneubildung im Herbst nicht die ganz große Lösung wählt, sondern lediglich die kleine. In diesem Fall will die CSU-Fraktion, dass Landeschef Beckstein die wenigen Posten mit Fraktionsmitgliedern besetzt - und nicht einen Beamten aus Berlin berücksichtigt.

"Es wäre ja nicht so, dass wir nur ungeeignete Personen hätten", meint ein CSU-Vorstandsmitglied. Ansonsten müsse Beckstein damit rechnen, viel Zustimmung aus der Fraktion zu verlieren - und gerade das könnte er sich angesichts des Superwahljahres 2008 nicht leisten.

Von der Staatskanzlei ins Wissenschaftsministerium

2009 aber sieht alles ganz anders aus. Da schlägt womöglich die Stunde des Ulrich Wilhelm in München. Mit Befindlichkeiten seiner CSU kann er sehr gut umgehen. Er lässt sich nicht verbiegen und hat die Intrigen in Stoibers Umfeld verkraftet; so wechselte er einfach aus der Staatskanzlei ins Wissenschaftsministerium, wo er als Ministerialdirektor zuständig für Hochschulen, Staatstheater und staatliche Museen war. Das kam seiner Leidenschaft für Oper, Kunst und Bücher sehr nahe.

In Berlin geht Wilhelm zuweilen zu seinem Lieblingsitaliener in Berlin-Mitte. Er arbeitet ansonsten viel und ist kaum in seinem studentisch eingerichteten Apartment. Wilhelm weiß: Die Berliner Zeit wird zu Ende gehen, in zwei Jahren ist er wieder in München.

Als historische Lieblingsfigur nennt der Regierungssprecher im Übrigen den Kaiser Friedrich II. der Staufer (1194-1250), also einen römisch-deutschen Monarchen, der auch "stupor mundi" ("das Erstaunen der Welt") genannt wurde. Jener Friedrich II. war ein Hochgebildeter, der viele Sprachen beherrschte und als erster moderner Mensch auf dem Thron gepriesen wurde.

Einstweilen wird Ulrich Wilhelm in Presseporträts freilich gerne mit Robert Redford in Verbindung gebracht, was offenbar auch zu verwinden ist. Diesen Vergleich, notiert Bunte, quittiere er "mit gewinnendem Lächeln".

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