Regierungserklärung in Bayern:Eine Rede, die Söders ganze Laufbahn definieren könnte

Markus Söder als neuer Bayerischer Ministerpräsident vereidigt, 2018

Bayerns neuer Ministerpräsident leidet nicht an mangelndem Selbstvertrauen.

(Foto: Johannes Simon)
  • Kaum ein Auftritt liefert bessere Hinweise auf den Stil eines Ministerpräsidenten als dessen erste Regierungserklärung.
  • Markus Söder wird seine Rede an diesem Mittwoch im Bayerischen Landtag halten - und hat eigenen Angaben zufolge lange daran gearbeitet.
  • Mancher Vorgänger hat mit der Regierungserklärung schon das Ende seiner Amtszeit eingeleitet.

Von Wolfgang Wittl

Markus Söder hat in seinem Leben einige Anstrengungen unternommen, damit die Menschen zielgerichtet erfahren, mit wem sie es zu tun haben. Er postet Videos von sich, fährt durchs ganze Land, stellt Fotos ins Internet, in Kinosälen erzählt er über sich und seine Arbeitsgewohnheiten.

So weiß man also, dass Söder früh aufsteht und seine Reden selbst schreibt - zwei Eigenschaften, die er zuletzt öfter kombiniert hat. Wochenlang feilte er an seiner ersten Regierungserklärung, am Mittwoch im Landtag wird er sie präsentieren. Den Inhalt hütet Söder wie ein Staatsgeheimnis. Nichts soll die Überraschung verderben, welcher Typ Regierungschef auf Bayern zukommt.

Ein Blick in die jüngere bayerische Geschichte zeigt: Kaum ein Auftritt liefert bessere Hinweise auf den Stil eines Ministerpräsidenten als dessen erste Regierungserklärung. Alfons Goppel etwa ist am Ende seiner 16-jährigen Regierungszeit vor allem damit in Erinnerung geblieben, dass er den Wandel Bayerns vom Agrar- zum Industriestaat vorangetrieben hat. Goppel setzte auf eine "einträgliche gewerbliche Wirtschaft", aber auch auf den Bau von Schulen und Hochschulen.

Über all das sprach er bereits in seiner ersten Regierungserklärung vom 19. Dezember 1962, hängen geblieben ist aber insbesondere der erste Satz dieser Rede, mit dem Goppel seinen Ruf als Landesvater begründet hat: "Im Mittelpunkt aller staatlichen Tätigkeit steht der Mensch." Kein bayerischer Ministerpräsident war länger im Amt, keiner erzielte bei Landtagswahlen ein besseres Ergebnis als Goppel 1974 (62,1 Prozent) - wohl auch deshalb, weil er seinen ersten Worten glaubhaft Taten folgen ließ.

Für Franz Josef Strauß war dies Grund genug, sein Wirken in die Tradition des beliebten Vorgängers zu stellen. "Es geht darum, in den nächsten vier Jahren die erfolgreiche Politik der Staatsregierung fortzusetzen und weiterzuentwickeln - so wie ich sie von Alfons Goppel übernommen habe", erklärte Strauß am 14. November 1978. Solide Haushaltspolitik, regionale Strukturpolitik, kommunale Selbstverwaltung - das waren seine Botschaften für Bayern.

Strauß setzte auch bundespolitische Akzente

Anders als Goppel setzte Strauß in seiner ersten Regierungserklärung aber auch bundespolitische Akzente. Das dürfte zum einen seiner bisherigen Vita in Bonn geschuldet gewesen sein, zum anderem seinem Ehrgeiz, der nur ein gutes halbes Jahr später in die Kanzlerkandidatur mündete. So wetterte Strauß im Landtag leidenschaftlich gegen "die gesellschaftspolitische Agitation linksradikaler Bilderstürmer" und eine "Bundespolitik der kleinen Schritte" auf Kosten des Mittelstandes. Wichtig war ihm außerdem, "Hüter und Vorkämpfer des Föderalismus zu sein".

Auch Max Streibl, der nach dem unerwarteten Tod von Strauß die Regierungsgeschäfte übernahm, versäumte es nicht, sich gleich zu Beginn in die Kontinuitätslinie seines Vorgängers einzureihen. "Sein Erbe zu wahren und zu mehren, ist mir Verpflichtung", formulierte Streibl am 1. Dezember 1988 feierlich. "Den Fortschritt zu fördern und Bayern trotzdem als liebens- und lebenswerte Heimat zu erhalten", der Satz gehört quasi zum Grundwortschatz eines Ministerpräsidenten. Ja zu Europa, aber Bayerns Eigenständigkeit betonen - daraus lässt sich eine Grundhaltung von CSU-geführten Regierungen ableiten, die sich auch in Söders Motto ("Das Beste für Bayern") spiegelt. "Gerade wir Bayern haben nicht 40 Jahre für den Föderalismus in Deutschland gekämpft, um ihn jetzt auf dem Altar Europas zu opfern", rief Streibl.

Söder will der Manager Bayerns sein

In landespolitischen Fragen jedoch blieb er vage, Teile seiner Regierungserklärung lesen sich wie eine Bilanz statt Aufbruch. Oder wie der Oppositionsführer Karl-Heinz Hiersemann (SPD) fand: "Selbstlob in überreichem Maße, die Probleme ausgespart, von selbstkritischer Reflexion kaum eine Spur." Fünf Jahre später ersetzte die CSU Streibl durch Edmund Stoiber.

Wie Goppel machte auch Stoiber mit seinem ersten Satz deutlich, was von ihm zu erwarten ist, von wohlklingenden Feiertagsreden allerdings keine Spur: "Die Krise als Chance nutzen; mit Verzicht und Leistung die Zukunft meistern." Stoiber präsentierte sich bereits in seiner ersten Regierungserklärung am 30. Juni 1993 als harter Sanierer.

Um seine Argumente zu stützen, zitierte er sogar die SZ: Ein Absteigerland sei Deutschland geworden, in der Hochtechnologie hinter andere Länder zurückgefallen. Stoiber diagnostizierte mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, galoppierende Sozialausgaben, große Löcher in öffentlichen Kassen - so stimmte er den Landtag und seine Partei auf die neuen Zeiten ein. Auch in Bayern seien "Abstriche und Umschichtungen nötig", der Staat soll sich von Unternehmensbeteiligungen trennen und das Geld investieren.

Nebeneinkünfte von Kabinettsmitgliedern ließ Stoiber durch eine Gesetzesänderung beschneiden. Damit wollte er nach der Amigo-Affäre seines Vorgängers Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Söder zeichnet heute ein freundlicheres Bild von Bayern, der Stil seines Mentors Stoiber aber hat Eindruck hinterlassen. Er wolle Manager Bayerns sein, sagt Söder, und mit der CSU alte Glaubwürdigkeit erlangen.

Weil Stoiber es mit dem Spar- und Reformeifer übertrieben hat, widmete sein Nachfolger Günther Beckstein fast die Hälfte seiner Regierungserklärung vom 15. November 2007 einem Thema: soziale Probleme. Die Opposition dankte ihm für das Bemühen, eine verständnisvollere CSU zu zeigen, aber nur mit Spott. "Brave Stoffsammlung konservativer Weltsicht voller Plattitüden", ätzte Franz Maget, "bayerisches Biedermeier", höhnte Margarete Bause.

Stoibers Rede war der Anfang seines politischen Endes

Ein Jahr später war Beckstein Geschichte und die Bayern hörten Worte, die sie bis dahin noch nie von einem Ministerpräsidenten der CSU gehört hatten. "Ich möchte mich für die gesamte Staatsregierung bei der Bevölkerung und auch bei den Mitarbeitern entschuldigen", sagte Horst Seehofer. Eine halbe Stunde spricht er am 3. Dezember 2008 über das Debakel der Landesbank und nichts anderes. Erst eine Woche später skizzierte er seine Pläne für den Freistaat - etwa die Olympischen Winterspiele 2018 nach Bayern zu holen.

Söder hat nicht nur viele Vormittage mit seiner eigenen Regierungserklärung verbracht, er hat auch die Reden seiner Vorgänger studiert. Die von Edmund Stoiber am 6. November 2003 dürfte ihm, dem damals jungen Generalsekretär, in persönlicher Erinnerung geblieben sein. Der im Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählte Stoiber zog die Sparschrauben derart heftig an, dass der Rückhalt in der Fraktion zerbrach. "Unbequem und schmerzhaft" werde der Weg sein, kündigte Stoiber an. Wie wahr: Diese Regierungserklärung war der Anfang seines politischen Endes.

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