Regierungsbildung in Bayern:Im alten Trott

Bayerns Ministerpräsident Seehofer wird nie wieder so stark sein wie jetzt. Doch hinter dem Zuschnitt seines Kabinetts und der Ministerien steckt nicht Mut, sondern Kleinmut.

Heribert Prantl

Sicher: Auch Herakles hat klein angefangen. Aber schon als Kind erwürgte der eine Schlange. Als junger Mann stand er dann am Scheideweg - und wählte den harten und steinigen. Das alles war lange bevor er sich den berühmten zwölf Aufgaben gestellt und den Stall des Augias ausgemistet hat.

Regierungsbildung in Bayern: Schon in der Zeit seiner größten Stärke hat der neue bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer Schwäche gezeigt.

Schon in der Zeit seiner größten Stärke hat der neue bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer Schwäche gezeigt.

(Foto: Foto: dpa)

Seehofer, der vor seiner Wahl wahlweise als weiß-blauer Herkules oder als bayerischer Kennedy gehandelt wurde, fängt nicht einmal klein an. Der neugewählte Ministerpräsident wählt auch nicht den harten und steinigen Weg. Er geht einfach den alten Trott der CSU weiter.

Er wird also keinen Stall ausmisten, keine Löwen bändigen, keine Stiere einfangen, keine goldenen Äpfel pflücken. Sein Kabinett ist kein Kabinettsstück. Das Konstruktionsprinzip dieses Kabinetts ist nicht Mut, sondern Kleinmut.

Sicher, sicher: Es gibt Sachzwänge, Personalzwänge, die Zwänge der Stämme, die der Tradition, der angeblich erworbenen Anrechte. Aber was Horst Seehofer da vorstellt, ist mitnichten der Versuch einer Quadratur des Kreises, wie da und dort geschrieben worden ist.

Stärke schon verloren

Es ist die Quadratur der alten CSU-Fehler: Man bedient die, die angeblich bedient werden müssen. Ein bisschen jünger, ein bisschen mehr Frau. Das war's. Das neue bayerische Kabinett ist eine uninspirierte Veranstaltung, präsidiert von einem Ministerpräsidenten, der offenbar nicht dirigieren, sondern präsidieren will.

Nie mehr wird Seehofer so stark sein, wie jetzt, am Anfang. Nie mehr wird es so sein, dass es überhaupt keine Alternative zu ihm gibt. Wann, wenn nicht jetzt hätte Seehofer mutig sein können? Er hat im historischen Momentum der Stärke Schwäche gezeigt. Deshalb hat er die Stärke schon mit der Vereidigung verloren.

Sicher: Es gibt die Trauer der Franken, die der neue Regierungschef streicheln musste. Sicher: Es gibt die Kraftmeierei der Oberbayern, auf die er reagieren musste.

"Ist schon recht", hat Seehofer gesagt, als die Trauernden und Kraftmeiernden und die christsozialen Proporzvertreter vorstellig wurden - und er hat es ihnen allen recht gemacht. So entstand ein Kabinett der Schwäche, des Beharrens, der Kontra-Innovation.

Das ist nicht nur an den Personen festzumachen, sondern auch an der Sache: Bayern ist und bleibt das letzte Bundesland in Deutschland, das kein Rechtspflegeministerium hat, sondern nur ein Jusitzministerium. Es ist dies ein kastriertes Ministerium, eines, das nur für die Zivil- und Strafjustiz zuständig ist - nicht aber für die Sozialgerichtsbarkeit, nicht für die Arbeitsgerichtsbarkeit, nicht für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Enttäuschende FDP

Dafür nämlich sind und bleiben, es ist ein rechtsstaatlicher Witz, Sozialministerium, Arbeitsministerium und Innenministerium zuständig. Das Justizministerium ist und bleibt darin gehindert, seiner Ur-Aufgabe, der Verwaltung der Gerichtsbarkeiten, nachzugehen. Dafür hat Seehofer dem Justizministerium den Verbraucherschutz zugeordnet, um eine eher unangenehme Aufgabe aus dem Umweltministerium seines Freundes Söder zu nehmen.

Dass die FDP bei diesem unmöglichen Zuschnitt des Justizministeriums mitgemacht hat, ist eine besondere Enttäuschung. Aber die Enttäuschung über die FDP ist ohnehin fast noch größer als die über Seehofer. Die Partei hat aus ihrer starken Verhandlungsposition wenig gemacht.

Sie kehrt auch in Bayern, auch ausweislich der Ministerposten, die sie besetzt, die Wirtschafts-FDP heraus. Sie hätte die Rechtsstaats-FDP herauskehren sollen. Die FDP hat die Talente, die ihr der Wähler gab, nicht vermehrt, sondern sie verschleudert.

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