Regierungsbildung:Das Innenministerium war nur Seehofers vierte Wahl

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Horst Seehofer, noch Ministerpräsident von Bayern, gibt sich nach der CSU-Vorstandssitzung am Donnerstag zufrieden. (Foto: dpa)
  • CSU-Chef Seehofer ist gesetzt als Superminister - sofern die SPD-Basis dem Bündnis zustimmt.
  • Der Kampf um die weiteren CSU-Ministerämter startet erst: Es gibt drei Kandidaten - Generalsekretär Andreas Scheuer, Entwicklungsminister Gerd Müller, Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär - für zwei Ministerien, nämlich Verkehr und Digitales sowie Entwicklung.
  • Zur Machtübergabe von Seehofer an Söder sollen am 5. März, einen Tag nach dem Mitgliederentscheid der SPD, weitere Details bekannt gegeben werden.

Von Wolfgang Wittl, München

Vieles war unsicher in den vergangenen Tagen, eines aber wollte man in der CSU mit Sicherheit vermeiden: Bloß nicht am Unsinnigen Donnerstag sollte der Vorstand über die Bildung einer Bundesregierung abstimmen, das sei der Bedeutung des Moments nicht angemessen. Und nun steht an diesem Donnerstagmorgen Horst Seehofer in der Parteizentrale und spricht von nichts anderem als der Bildung einer Bundesregierung.

Vor einem Jahr hatte Seehofer hier noch Parteigranden empfangen, die versicherten, allein er könne die CSU als Ministerpräsident in die Landtagswahl 2018 führen. Jetzt erklärt er als designierter Bundesminister für Innen, Bau und Heimat, wann er sich als Ministerpräsident vorzeitig zurückziehen wird - zugunsten seines Erzrivalen Markus Söder. Wer sich diese aberwitzige Entwicklung noch einmal vor Augen führt, kommt zu dem Ergebnis: So unpassend ist dieser Unsinnige Donnerstag vielleicht doch nicht.

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Am 5. März, einen Tag nach dem Mitgliederentscheid der SPD, will Seehofer Details zur Übergabe nennen. Erst dann wisse man, ob Deutschland überhaupt eine Regierung habe. Er bitte deshalb alle um Geduld - auch Söders Freunde also, die sich einen früheren Termin wünschen. Söder hält sich an Seehofers Worte, er sagt, wichtig sei doch, dass die CSU jetzt "eine von innerer Harmonie getragene Gesamtaufstellung" habe. Und: "Eine Woche hin oder her entscheidet nicht die Landtagswahl." Was will er sonst auch sagen? Herr des Übergabe-Verfahrens ist Seehofer, die Verhandlungen in Berlin haben ihn gestärkt. Selbst Söder lobt, der Parteichef habe CSU-Positionen durchgesetzt, die "kaum einer für möglich gehalten hatte".

Alle Wünsche haben sich aber auch für Seehofer nicht erfüllt. Das Bundesinnenministerium war seine vierte Wahl: Am liebsten wäre Seehofer Finanzminister geworden. Auch das Außenministerium hätte die CSU genommen. Um das Sozialministerium habe er "schwer gekämpft". Doch die SPD blieb stur, bestand auf allen drei Ressorts. Ob er nur aus Not Innenminister geworden sei? "Das ist ja oft so in der Politik", sagt Seehofer. "Ich bin aus Not auch 2008 Ministerpräsident geworden." Damals war es die Not der CSU nach der Landtagswahl, die den Bundespolitiker Seehofer nach Bayern lotste. Jetzt kehrt er wohl wieder nach Berlin zurück.

Lange hatte die CSU auf das Innenministerium gepocht - mit dem Fachmann Joachim Herrmann als Hausherren. Dass nun der Sozialpolitiker Seehofer dort einzieht, hat auch seine Partei überrascht. Er habe nie gefragt, ob eine Aufgabe schwierig sei, sagt Seehofer. Mit guten Mitarbeitern sei das kein Problem. "Wichtig ist, dass man ein Haus gut führt." Bayerische Sicherheitsstandards für ganz Deutschland, mehr Schleierfahndung, konsequente Abschiebungen, vor allem bessere Aufnahmekontrollen, um Zuzug zu begrenzen - so skizziert der designierte Innenminister seine Pläne.

Wie er aber über die vielen fehlenden Wohnungen spricht oder über bessere Lebensbedingungen für die Menschen, lässt erahnen, dass ihm die Ressorts Bauen und Heimat nicht minder wichtig sind. Seehofer sieht sich auf einer "Mission". Sogar in Talkshows, die er als Ministerpräsident gemieden hat, will er gehen. Nur seine Amtszeit lässt er offen. Die künftige Doppelbelastung dürfte kaum weniger strapaziös sein als seine bisherige, doch an der Kraft soll es nicht scheitern. Zwölf Tage habe er am Stück verhandelt. "Wenn das alles unfallfrei läuft, gehen Sie davon aus, dass Sie das packen", sagt er über sich selbst.

Drei Minister für zwei Posten? Das geht sich nicht auf

Seehofer ist gesetzt als Superminister, sofern die SPD-Basis dem Bündnis zustimmt. Der Kampf um die weiteren CSU-Ministerämter startet erst. Drei Kandidaten (Generalsekretär Andreas Scheuer, Entwicklungsminister Gerd Müller, Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär) für zwei Ministerien (Verkehr und Digitales, Entwicklung) - die Rechnung geht nicht auf.

Müller war einer der ersten, der am Donnerstag im CSU-Vorstand aufkreuzte. "Ich weiß nur, was in den Zeitungen steht", sagte er. Zu lesen war nicht nur schmeichelhaftes. Müller habe sich mit unkonzentrierten Auftritten in den Verhandlungen Gegner gemacht, schrieb etwa der Münchner Merkur und zitierte einen ungenannten "Fachpolitiker" mit den Worten: "Unterirdisch, kannte sich nicht aus, konnte nichts erklären." Ist das der Beginn einer gezielten Demontage? Die CSU war nie zimperlich, wenn sie jemanden loswerden wollte. Dabei galt der Entwicklungsminister Müller in der abgelaufenen Legislatur als ein CSU-Aktivposten im Kabinett. Und plötzlich soll alles schlecht gewesen sein?

Generalsekretär Scheuer, 43, dürfte für seine treuen vierjährigen Dienste wohl mit dem Verkehrsministerium belohnt werden. Dorothee Bär, 39, bringt alles mit, was die CSU am Proporz schätzt: Jung, dreifache Mutter, medientauglich, aus Franken und neuerdings auch stellvertretende Parteichefin. Als Entwicklungs- oder Außenpolitikerin ist Bär bislang nicht aufgefallen, trotzdem könnte sie Müller, 62, den Job abnehmen, wurde am Mittwoch spekuliert. Tags darauf sah es schon wieder anders aus. Nicht nur Müllers Heimatbezirk Schwaben mit dem CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel an der Spitze intervenierte offenbar heftig bei Seehofer, sondern auch andere CSU-Politiker. Er könne seinen Freunden mitteilen, sein SMS-Speicher sei nun voll mit Empfehlungen, sagte Seehofer im Vorstand dem Vernehmen nach zu Müller. Keine Sorge, "wir werden das schon machen". Vielleicht sitze man ja bald zusammen am Kabinettstisch. Auch die Entscheidung über beide Minister will Seehofer am 5. März bekannt geben.

Wie die Landesgruppe billigte der CSU-Vorstand den Koalitionsvertrag einstimmig, nur in der Landtagsfraktion regte sich Kritik. Mancher Abgeordnete wünschte sich mehr Geld für die Pflege, andere warnten vor Stillstand, viele schmerzt der Verlust des Finanzministeriums. "Eher müde" sei der Beifall ausgefallen. Auch Seehofer will in den Faschingstagen nun ausspannen. Am Aschermittwoch ist es dann vorbei mit der Ruhe, so viel ist gewiss.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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