Süddeutsche Zeitung

Regensburger Bischof Voderholzer:Beliebt, aber undurchschaubar

Elf Monate nach der Ernennung des neuen Regensburger Bischofs rätseln viele Gläubige immer noch, für welchen Kurs Rudolf Voderholzer steht. Ein halbes Jahr vor dem Katholikentag ist im Bistum ein neuer Stil eingekehrt, aber Mitarbeiter bemängeln, inhaltlich sei nichts passiert.

Von Wolfgang Wittl

Vor wenigen Tagen sind sie sich wieder einmal persönlich begegnet. Es war im Vatikan, Christian Schaller, der stellvertretende Direktor des in Regensburg angesiedelten Instituts Papst Benedikt XVI., bekam aus den Händen von Papst Franziskus den "Premio Ratzinger" überreicht, einen angesehenen Kirchenpreis. Dann ging es zum gemeinsamen Fototermin: Auf dem Bild zu sehen sind der katholische Glaubenspräfekt und Gründer des Papstinstituts, Gerhard Ludwig Müller; drei Personen weiter, fast schon am Rand, Institutsleiter Rudolf Voderholzer. Auch wenn es sich nur um ein Foto handelt, so hat sich im Bistum Regensburg mancher wieder die Frage gestellt, wie nahe sich der neue Bischof Voderholzer und sein Vorgänger Müller tatsächlich sind.

Dass solche Nebensächlichkeiten überhaupt diskutiert werden, liegt daran, dass viele Gläubige darüber rätseln, für welchen Kurs der neue Regensburger Bischof steht: Ein halbes Jahr vor dem Katholikentag in der Donaustadt und elf Monate nach seiner Ernennung hat sich Voderholzer, 54, mit Veränderungen im Bistum noch zurückgehalten. Er lasse sich Zeit und schaue sich die Dinge in aller Ruhe an, pflegt der Bischof zu sagen. Und dass er keiner sei, der alles besser wisse.

Zumindest mit Sätzen wie diesen hebt sich Voderholzer von seinem Vorgänger deutlich ab. Manch einem aber dauert diese Orientierungsphase bereits zu lange. Selbst wohlmeinende Mitarbeiter im Ordinariat fragen sich inzwischen, welche Linie der neue Oberhirte verfolgt. Sie bemängeln, inhaltlich sei "bisher nichts passiert". Das gelte auch für personelle Umbesetzungen in Schlüsselpositionen, wie sie nach einigen Monaten gemeinhin vorgenommen würden. Vielleicht wolle der Bischof vor dem Katholikentag aber keine Unruhe in die Verwaltung bringen.

Um zu erahnen, wohin sein Weg führen könnte, sieht sich Voderholzer daher Vergleichen mit dem markanten, oft polarisierenden Gerhard Ludwig Müller ausgesetzt, der nicht nur sein Vorgänger auf dem Bischofsstuhl war, sondern auch sein wissenschaftlicher Lehrmeister. Jede Begebenheit wird interpretiert, jede Geste bewertet.

Als Müller bei Voderholzers Weihe ins Priesterseminar entschwand, anstatt dem öffentlichen Empfang beizuwohnen, hieß es sofort, das Verhältnis der beiden sei abgekühlt. Und als Müller aus Rom eigens zum Bad Kötztinger Pfingstritt anreiste und Voderholzer zur gleichen Zeit eine andere Wallfahrt besuchte, wurde das als Zeichen wachsender Entfremdung gedeutet - zumal die sonst so eifrige bischöfliche Presseabteilung den Besuch des Glaubenspräfekten ungewöhnlich diskret abhandelte. Im Ordinariat galt dies als Indiz, dass die Chemie zwischen Voderholzer und seinem Mentor gelitten haben müsse. Aber womöglich werden solche Schlussfolgerungen ja auch nur vom Wunsch getragen.

Fritz Wallner warnt davor, aus kleinen Gesten große Rückschlüsse zu ziehen - oder sogar Hoffnungen abzuleiten. Wallner war der letzte Diözesanratsvorsitzende im Bistum Regensburg, ehe der damalige Bischof Müller das Gremium absetzte und die Laienverbände neu ordnete. Er kann sich noch gut an den Besuch von Benedikt XVI. erinnern, als Müller angeblich mit versteinerter Miene neben dem Papst saß - und dennoch zum Glaubenspräfekten ernannt wurde.

Wallner verlässt sich lieber auf Eindrücke, die er bei Gottesdienstbesuchen gewonnen habe. Voderholzer sei ihm als Mensch sympathisch, doch müsse er als Bischof "seinen schönen Worten auch Taten folgen" lassen. Die von Müller durchgesetzte Räteordnung etwa stehe den Gedanken des neuen Papstes "diametral entgegen". Die Frage, ob Voderholzer die Kraft habe, eigene Spuren zu hinterlassen, sei für ihn noch nicht zu beantworten, sagt Wallner. Unstrittig hingegen ist, dass im Bistum ein neuer Stil eingekehrt ist.

Mitarbeiter geraten fast ins Schwärmen, wenn sie über Voderholzer sprechen: wie zugewandt er sei, wie herzlich und bodenständig. Bei öffentlichen Auftritten sucht der Bischof das persönliche Gespräch, schüttelt Hände, hört aufmerksam zu. Im Ordinariat ist er bereits berüchtigt für sein Arbeitspensum: In nur wenigen Monaten besuchte er sämtliche Regionen des Bistums, kümmert sich um vieles selbst.

Konstruktiv und kompromissfähig

Beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) schätzt man Voderholzer als konstruktiven Partner. Der Bischof vertrete bei der Planung des Katholikentags seine Positionen, erhalte sich aber seine Kompromissfähigkeit. Etwa bei der Schwangerenberatung Donum Vitae, deren Teilnahme der Bischof letztlich doch zustimmte. Bedingung: Das Für und Wider müsse ausführlich diskutiert werden. Man spüre in der Zusammenarbeit mit dem Bistum Regensburg eine sichtliche Entspannung, heißt es im ZdK. Wo Müller einst die Zahlungen an das Zentralkomitee einstellte, weil dieses in der Rätereform Widerspruch leistete, schaffe Voderholzer eine Atmosphäre des Vertrauens.

Dies zeigt sich auch in heiklen Fragen: So hat der Bischof bereits mit Missbrauchsopfern und mit von Müller gemaßregelten Priestern gesprochen, ohne dies öffentlich breitzutreten. Voderholzers Worte sollen den Frieden der geschundenen Seelen gestärkt haben, doch sagen würde er so etwas nie - und schon gar nicht Stellung gegen seinen Mentor beziehen: Er sei sich sicher, dass Müller diese Gespräche eines Tages auch gesucht hätte, erklärte Voderholzer in seinem ersten Interview. Und dass er mit Respekt darauf aufbaue, was seine Vorgänger ihm hinterlassen hätten.

Bei allem Streben nach Harmonie ist Voderholzer jedoch durchaus in der Lage, seine Standpunkte zu vertreten - selbst wenn sie nicht jedem gefallen. So war er neben Gerhard Ludwig Müller einer der wenigen deutschen Kirchenmänner, die dem umstrittenen Limburger Bischof beistanden. Es ist daher wohl kein Zufall, dass Franz-Peter Tebartz-van Elst seine Auszeit derzeit in der Diözese Regensburg verbringt: im Benediktinerkloster Metten, in das sich auch Voderholzer vor seiner Bischofsweihe zur Einkehr zurückgezogen hatte. Im Ordinariat löste Voderholzers Fürsprache mitunter Betroffenheit aus. Aber wahrscheinlich lieferte sie nur einen weiteren Hinweis darauf, wo der neue Bischof steht.

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SZ vom 04.11.2013/infu
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