Süddeutsche Zeitung

Regensburg:Verheiratet, vier Kinder - und jetzt Priester

Rom macht eine Ausnahme: Ein verheirateter Mann darf katholischer Priester werden. Der Papst hat ihn persönlich vom Zölibat entpflichtet.

U. Heidenreich und A. Ramelsberger

Selbst für den sturmerprobten Regensburger Bischof Gerhard Müller war dies eine besondere Priesterweihe: Der Mann, der am Dienstagabend in der Schottenkirche in Regensburg vor ihm kniete und das Sakrament empfing, hat vier Kinder und ist verheiratet. Der 62-jährige Peter Kemmether war zuvor evangelischer Pfarrer und vor einigen Jahren zum katholischen Glauben konvertiert. Damit er Priester werden konnte, hatte ihn der Papst persönlich vom Zölibat entpflichtet.

"In Ausnahmefällen kann die Kleruskongregation in Rom die Weihe eines verheirateten Mannes genehmigen", sagt Jakob Schötz, Sprecher des Bistums Regensburg. Häufig kommt dies aber nicht vor, so wurde zuletzt vor drei Jahren in der Donaustadt ein verheirateter, dreifacher Vater, ebenfalls ehemaliger Protestant, mit Chrisam gesalbt. Insgesamt wurden in Bayern in den vergangenen 30 Jahren etwa 25 ehemals evangelische Pfarrer zum Priester geweiht.

Eine geringe Zahl - obwohl sich die Bedingungen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert haben: Erst Papst Pius XII. (1939-1958) hatte nämlich mit dem alten Brauch gebrochen, die Ehen von Protestanten, die katholische Priester werden wollten, zu trennen und die Frauen ins Kloster zu schicken.

Das ist nun anders. Im Fall von Peter Kemmether durfte die Familie ein Wort mitreden, berichtet Bistumssprecher Schötz: "Die Prüfung erfolgt sehr ernsthaft, auch die Familienangehörigen werden befragt." Kemmather selbst, der noch im mittelfränkischen Neuendettelsau lebt, musste nachsitzen. "Er hat verschiedene Kurse des katholisch-theologischen Studiums nachgeholt, etwa über Liturgie, Dogmatik und Kirchenrecht", so Schötz.

Wo der neue, verheiratete Priester mit vier erwachsenen Kindern eingesetzt wird, steht noch nicht fest. Grundsätzlich aber werden den von der Zölibatsverpflichtung befreiten Geistlichen keine Pfarrämter zugewiesen. Sie werden außerhalb, etwa in der Krankenhaus-Seelsorge, eingesetzt. Bischof Müller jedenfalls betonte in seiner Predigt, wie wichtig der tägliche Einsatz jedes Priesters sei in der gegenwärtigen Krise, in der viele Menschen die Orientierung verlören und durch antikatholische Unkenrufe in ihrem Glauben verunsichert seien.

Pro Jahr werden in Deutschland 13.000 Konvertiten gezählt, 4000 von ihnen wechseln vom evangelischen zum katholischen Glauben - in die andere Richtung sind es jedoch deutlich mehr, nämlich 9000. Der Bamberger Bischof Ludwig Schick hatte kurz vor dem Ökumenischen Kirchentag in München für Aufsehen gesorgt: Als erster bayerischer Bischof hatte er erklärt, man müsse in Zeiten des Priestermangels über den Pflicht-Zölibat nachdenken. Schick sagte, katholischen Priestern sollte es freigestellt sein, ob sie den Zölibat für sich als Lebensform wählten. Wäre das möglich, würde wohl auch in der katholischen Kirche ein großer Teil verheirateter Priester arbeiten - wie Neu-Pfarrer Kemmather.

Auch Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und langjährige CSU-Politiker, hat eine Öffnung der Kirche gefordert, damit Verheiratete den Priestermangel auffangen können. Er schlug so genannte Viri probati vor, womit er Menschen meint, die bereits ein rechtschaffenes Leben geführt haben, oft Familienväter sind, und sich vorbildlich verhalten haben. Diese Idee findet an der Basis der Kirche durchaus Zustimmung, auf der Leitungsebene allerdings weniger. Der ehemalige Augsburger Bischof Walter Mixa war Glück dafür in den Arm gefallen.

"Angesichts eines zunehmend aggressiven Atheismus und der Verdunstung menschlicher Werte in unserer Gesellschaft" sollte Glück andere Sorgen haben, "als eine Debatte über den Zölibat vom Zaun zu brechen," hatte Mixa gewettert. Zukunftsvision allerdings bleibt die Idee, dass die katholische Kirche vielleicht auch Frauen zum Priesteramt zulassen könnte.

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SZ vom 08.07.2010
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