In Zeiten, in denen ein jüdischer Bub von seiner Berliner Schule gemobbt wird, in denen ein Politiker für den Bundestag kandidiert, der den Holocaust relativiert; in diesen Zeiten klingt es wie ein schlechter Scherz, wenn eine bayerische Uni in den Verdacht gerät, sie boykottiere eine Veranstaltungsreihe zum Thema Antisemitismus. Genau das wirft der studentische Sprecherrat (Asta) der Uni Regensburg ihrem Kanzler Christian Blomeyer vor. Doch so einfach ist die Sache nicht.
Los ging es mit einer Mail an die Raumvergabestelle, die Asta wollte unentgeltlich einen Raum auf dem Campus reservieren. Geplant sind Vorträge und ein Tagesseminar, es soll um Antisemitismus in Deutschland gehen, den Nahostkonflikt, die Gründungsgeschichte Israels. Schon häufiger hat die Asta Vorträge zu gesellschaftlich relevanten Themen organisiert, zum Urheberrecht etwa, zu Sexismus oder zu Homophobie. Nie habe es Probleme gegeben, sagt Dominik Graf, der Asta-Sprecher der Regensburger Uni. Doch diesmal verweigert der Kanzler, Christian Blomeyer, seine Zustimmung.
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Mehr Geld, bessere Studienbedingungen und eine stärkere Internationalisierung: Das will die Partei für die bayerischen Universitäten. In einem Punkt sieht auch die Staatsregierung Nachholbedarf.
"Es scheint, als möchte der Kanzler gerade diese Vortragsreihe nicht an der Uni haben", schreiben die Studenten in einer Mitteilung. "Wir können das nur als Versuch sehen, das Thema Antisemitismus in Deutschland totzuschweigen."
Geht es Blomeyer tatsächlich um das Thema der Veranstaltungsreihe? Der Kanzler ist telefonisch nicht zu erreichen. Über eine Sprecherin der Uni lässt er aber schriftlich mitteilen, dass das konkrete Thema der Vorträge natürlich keine Rolle gespielt habe bei der Ablehnung. Wobei - in gewisser Weise doch: Veranstaltungen zur politischen Bildung fielen nämlich "nicht in den gesetzlichen Aufgabenbereich" der Asta.
Entgeltfrei, darum gehe es nämlich eigentlich, könne die Uni den Raum deshalb nicht zur Verfügung stellen. Der Kanzler habe lediglich die mietfreie Bereitstellung der Räume abgelehnt, nicht ihre Nutzung per se. Lösen ließe sich das Problem leicht - indem die Studenten der Uni eine Raummiete zahlen. Viel sei das nicht, sagt die Sprecherin auf Nachfrage, "so 50 oder 100 Euro, glaube ich".
Dass auch Stipendiaten der Hans-Böckler-Stiftung, dem Förderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die Veranstaltung mitorganisieren, "führt leider zu keinem anderen Ergebnis", sagt sie. Weil: Die Stipendiatengruppe sei "als solche nicht mit der Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Bayerischen Hochschulgesetz betraut". Sie könne also in diesem Fall auch nichts mietfrei in der Uni veranstalten, für Geld aber schon.
Die Uni lässt dem Sprecherrat ein Schlupfloch
Die Krux: Wollen die Regensburger Studenten etwas von ihrem Budget für die Raummiete verwenden, brauchen sie auch dafür die Zustimmung der Hochschulleitung - möglichst schon zu Beginn eines Haushaltsjahres. Denn seit Bayern 1973 die Verfasste Studierendenschaft aus dem Hochschulgesetz gestrichen hat, sind die Studentenvertretungen der Unileitung unterstellt und können unter anderem nicht mehr frei über ihr Budget verfügen.
Ein Schlupfloch lässt die Uni ihrem studentischen Sprecherrat allerdings noch: "Die Durchführung der Veranstaltung ist dann möglich, wenn es eine wissenschaftliche Anbindung an der Universität Regensburg gibt." Das ist zumindest für einen der geplanten Vorträge bereits geglückt: Ein Professor der Theologie hat sich bereit erklärt, den Vortrag "Antisemitismus in Deutschland, aktuelle Herausforderungen" als Lehrveranstaltung anzubieten.
Somit zählt er als wissenschaftlich und darf in den Uni-Räumen stattfinden - ja, dann natürlich entgeltfrei. Ob diese Lösung für die anderen Veranstaltungen rechtzeitig gelingt, kann momentan niemand so genau sagen. Schon im Mai soll es losgehen. Asta-Sprecher Dominik Graf findet es jedenfalls "traurig, wenn studentische Bemühungen durch solche Kleinigkeiten zunichte gemacht werden".
In der Universitätsverwaltung ist man derweil eher "überrascht", dass eine Raumvergabe plötzlich die Medien interessiert. Bei der Geschichte handle es sich schließlich nicht um einen Skandal, sondern schlicht um eine "missverstandene Formsache".