Regensburg:SPD soll Spendengelder von Strohmännern erhalten haben

Regensburg bei Nacht

In Regensburg spielt sich eine mögliche Spendenaffäre um den Oberbürgermeister und drei zahlungskräftige Baufirmen ab.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Die Regensburger Staatsanwaltschaft prüft inzwischen Hinweise, dass mindestens eine Baufirma ihre Mitarbeiter zu Spenden an die Regensburger SPD aufgefordert haben soll.
  • Auch die Regensburger CSU hat per Strohmannsystem Spenden erhalten.
  • Das allein muss aber noch nicht rechtswidrig sein.

Von Andreas Glas und Wolfgang Wittl, Regensburg

In der SPD hat es einigen Wirbel ausgelöst, dass ausgerechnet ein Parteigenosse die Ermittlungen gegen den Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) wegen einer möglichen Parteispendenaffäre ins Rollen gebracht hat. Dass es SPD-Landesschatzmeister Thomas Goger war, der die Staatsanwaltschaft einschaltete. Warum Goger dies tat, darüber rätselten zunächst viele.

Den Anlass hatte Wolbergs jedoch selbst geliefert, genauer gesagt ein Darlehen an den Regensburger SPD-Ortsverein Süd, dessen Vorsitzender der Oberbürgermeister ist. Solche Kredite bedürfen der Genehmigung des Landesvorstands, wenn sie wie in Regensburg nicht innerhalb eines Jahres zurückgezahlt sind. Nur deshalb ließ Goger, von Beruf Staatsanwalt, sich den Rechenschaftsbericht kommen und informierte daraufhin seine Kollegen in Regensburg. Inzwischen gibt es Anzeichen, dass der Regensburger OB noch stärker in Erklärungsnot kommen könnte.

Wie ein Sprecher der Süddeutschen Zeitung bestätigt hat, prüft die Regensburger Staatsanwaltschaft inzwischen Hinweise, dass mindestens eine Baufirma ihre Mitarbeiter zu Spenden an die Regensburger SPD aufgefordert haben soll. Die Ermittler müssten dann ergründen, ob die Mitarbeiter das Geld von ihrem Arbeitgeber wieder zurückbekommen haben, etwa über Bonuszahlungen. "Für den Tatbestand der Vorteilsannahme wäre es natürlich ein starkes Indiz, wenn man nachweisen könnte, dass es Strohfirmen oder Strohmänner gab", sagte Theo Ziegler, der Sprecher der Regensburger Staatsanwaltschaft.

Ein Strohmann-System? Vielleicht gar nicht so unüblich in der Regensburger Kommunalpolitik. Nach SZ-Informationen sind auch bei der Regensburger CSU Strohmänner im Spiel gewesen - wenn auch in deutlich kleinerem Stil. Demnach haben bis zu drei Führungskräfte eines Immobilienunternehmens als Privatpersonen auf das CSU-Wahlkampfkonto eingezahlt. Es geht um etwa 60 000 Euro, die insgesamt in den Jahren 2013 und 2014 geflossen sein sollen, gestückelt in Tranchen unter 10 000 Euro. Bleibt eine Spende unterhalb dieser Grenze, darf eine Partei die Identität des Spenders geheim halten. So will es das Parteiengesetz.

Was anrüchig klingt, könnte also formal korrekt gewesen sein, die CSU hat die Beträge von drei fraglichen Baufirmen bereits offengelegt. Obwohl die Spenden von Privatpersonen kamen, sei innerhalb der CSU klar gewesen, aus welchen Firmenkreisen das Geld geflossen sei, sagt ein Regensburger CSU-Politiker: "Der Eintreiber weiß in der Regel, wo das Geld herkommt." Dieser Theorie zufolge müsste es auch SPD-Oberbürgermeister Wolbergs bemerkt haben, falls mehrere Personen aus dem Kreis desselben Unternehmens mehrere Spenden-Tranchen knapp unterhalb der 10 000-Euro-Grenze auf sein Wahlkampfkonto überwiesen haben.

Dass er selbst der Spendeneintreiber war, hat Joachim Wolbergs bereits zugegeben. Im Wahlkampf 2013/14 "gab es den bewussten Versuch, Spendengelder einzuwerben. Ich habe viele Leute angeschrieben, mit der Bitte, mir zu spenden", sagte Wolbergs. Entsprechend habe er "immens viele Spenden bekommen".

Alle diese Spenden seien auf seinem Wahlkampfkonto "ordnungsgemäß verbucht worden", versicherte Wolbergs. Doch wer sich die Rechenschaftsberichte der Bundes-SPD in den Jahren 2013 und 2014 anschaut, der sieht: nichts. In den Berichten taucht keine der drei Baufirmen auf, die laut Staatsanwaltschaft offenbar mehr als 500 000 Euro auf das von Joachim Wolbergs verwaltete Konto des SPD-Ortsvereins überwiesen haben.

Wie ein Strohmann-System funktioniert

Wie ist es möglich, dass eine halbe Million Euro auf ein Parteikonto fließt, ohne Spuren zu hinterlassen? "Das macht sehr misstrauisch, das kann eigentlich gar nicht korrekt sein", sagt Parteienforscher Hans Herbert von Arnim aus Speyer. Eine halbe Million Euro "so zu stückeln, dass man immer unter 10 000 Euro kommt, dafür brauchen Sie ja viele unterschiedliche Spender". Laut Parteiengesetz müssen nämlich nur jene Einzelspenden zusammengerechnet und ausgewiesen werden, die ein und derselbe Spender innerhalb eines Jahres an eine Partei überweist. Mit einem Strohmann-System könnte man diese Vorschrift umgehen.

Sollte sich der Strohmann-Verdacht in der mutmaßlichen Regensburger Parteispendenaffäre bestätigen, muss das aber nicht automatisch bedeuten, dass Korruption im Spiel war - jedenfalls nicht im Rechtssinne. "Der Straftatbestand der Bestechlichkeit ist erst erfüllt, wenn eine Beziehung hergestellt werden kann zwischen den Spenden und bestimmten Handlungen des Bürgermeisters, zum Beispiel beim Verkauf von Grundstücken", sagt Parteienforscher von Arnim.

Allerdings deute im Fall der drei Regensburger Baufirmen schon jetzt einiges darauf hin, "dass diese riesigen Summen nicht ohne Ziel gezahlt wurden. Bei diesen Beträgen und diesem Empfänger spricht alles dafür, dass damit etwas beabsichtigt worden ist", mutmaßt von Arnim. Nur was? Zwei Firmen haben sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert, eine streitet sie ab.

Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, auch Spuren zu verfolgen, die weiter zurückführen als in den Kommunalwahlkampf 2013/14. Zunächst hatte die Justizbehörde erklärt, sich nur mit dem Zeitraum von 2013 an zu beschäftigen. Außerdem wolle man prüfen, wie sich die drei unter Verdacht stehenden Baufirmen gegenüber anderen Parteien verhalten haben, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft: "Davor verschließen wir nicht die Augen."

Wolbergs schweigt unterdessen zur möglichen Spendenaffäre. "Ich werde mich heute äußern und dann nicht mehr", hatte der OB bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche angekündigt. Er wolle nicht den Eindruck erwecken, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu beeinflussen. Seitdem redet er nicht mehr, seitdem reden nur noch andere über ihn. "Tiefenentspannt" wirke der OB, sagt ein Parteifreund - und stimmt in die Tonlage ein, die Wolbergs bei der Pressekonferenz vorgegeben hatte: Er sei sicher, dass die Ermittlungen zeigen werden, "dass ich niemals auf etwas Einfluss genommen habe im Sinne eines Spenders".

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