Regensburg:Pohlmann schweigt zu Bayern-Ei-Skandal

Beginn im Prozess um den Bayern-Ei-Skandal

Aktivisten der Soko Tierschutz demonstrieren von dem Gericht.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Zum Prozessauftakt weist der Verteidiger die Vorwürfe zurück. Kontaminierte Eier hätten woandersher stammen können

Von Andreas Glas, Regensburg

Seit fünf Jahren ist der Skandal in der Welt, seit fünf Jahren schweigt Stefan Pohlmann. Auch an diesem Montagmorgen, als er die Stufen zum Regensburger Landgericht hinaufsteigt. "Keine Kommentare", sagt sein Anwalt, der Pohlmann an den Reportern vorbei leitet. Neben dem Eingang stehen Menschen in Kapuzenpullis, rechts und links. Die Tierschützer halten Fotos in den Händen. Dreckige Käfige, zerrupfte Hühner, faulende Tierkadaver. Auch Plakate halten sie hoch. Die Aufschrift: "Gefängnis für den Tierquäler!"

Es geht um viel für Stefan Pohlmann, 48, grauer Anzug, graues Haar, groß gewachsen. Da sind ja nicht nur die Verstöße gegen das Tierschutzrecht, die ihm die Staatsanwaltschaft Regensburg anlastet. Es geht um Betrug, gefährliche Körperverletzung - und Körperverletzung mit Todesfolge. An diesem Montag beginnt der Prozess gegen Pohlmann, den Ex-Geschäftsführer der niederbayerischen Firma Bayern-Ei. Die Staatsanwaltschaft macht ihn für einen der schlimmsten Lebensmittelskandale verantwortlich, die es in den vergangenen Jahren in Deutschland gab. Pohlmann muss mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen.

200 Aktenordner füllt der Fall Bayern-Ei nach Aussagen eines Gerichtssprechers. Rund 100 Zeugen sollen an 30 Prozesstagen aussagen. Wer diese Zahlen kennt, bekommt ein Gefühl für die Dimensionen dieses Skandals. Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich, Frankreich und England erkrankten zwischen Juni und Oktober 2014 Hunderte Menschen an heftigen Brechdurchfällen. Ein Mann soll daran gestorben sein. Alle Patienten hatten sich mit dem gleichen Salmonellentyp infiziert, alle sollen Eier oder Speisen aus Eiern der Firma Bayern-Ei gegessen haben. Öffentlich bekannt wurde der Fall im Mai 2015 durch Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Bayerischen Rundfunks.

Nun, gut vier Jahre später, packt der Staatsanwalt einen dicken Ordner aufs Rednerpult. Die Anklageschrift, 75 Seiten lang. Fast zwei Stunden liest der Staatsanwalt daraus vor, im Wechsel mit einer Kollegin. Gegenüber, auf der Anklagebank, zwischen seinen zwei Strafverteidigern: Stefan Pohlmann. Er hat die Füße unter dem Tisch gekreuzt, sitzt ruhig da. Nur sein Blick wandert hin und her. Mal schaut er ins Leere, mal zu den Staatsanwälten, mal dreht er den Kopf zu den Zuschauern und Journalisten. Ein paar Mal tuschelt er mit seinen Anwälten. Was Pohlmann durch den Kopf geht, als die Staatsanwältin die Passage über den Tod eines 94-jährigen Österreichers vorträgt?

Man erfährt es nicht, jedenfalls nicht am ersten Prozesstag. Der Richter fragt Pohlmann, ob er etwas zu den Anschuldigungen sagen wolle. Aber Pohlmann bleibt dabei: Er kreuzt die Arme vor der Brust und schweigt. Stattdessen redet Ulrich Ziegert, sein Verteidiger. Zu den mutmaßlichen Tierrechtsverstößen gibt er keine Stellungnahme ab - die übrigen Vorwürfe gegen Pohlmann weist er zurück. Er kritisiert, dass sich die Anklage auf epidemiologische Untersuchungen stützt, die eine Verbindung herstellen zwischen den Krankheitsfällen und kontaminierten Eiern aus Fabriken der Firma Bayern-Ei in Ettling (Kreis Dingolfing-Landau) und Niederharthausen (Kreis Straubing-Bogen). Um diese Verbindung zu beweisen, hätte es jedoch einer forensischen DNA-Untersuchung bedurft, sagt Ziegert.

Später, auf dem Flur des Landgerichts, tritt der Anwalt vor die Kameras und Mikrofone - und fasst zusammen, was er zuvor gegenüber den Richtern erklärt hat. "Wir wollen zeigen, dass diese Vorwürfe zu Unrecht erhoben worden sind", sagt Ziegert. Das Gericht habe die Anklage ja bereits "deutlich zusammengestrichen" - von 175 Fällen der Körperverletzung auf 40 Fälle. Doch auch bei den übrigen Fällen sei eine Verbindung zu Bayern-Ei nicht ohne Zweifel nachweisbar, sagt Ziegert. Die Firma habe ihre Eier über Zwischenhändler vertrieben "und die werden von einer ganzen Reihe von Betrieben beliefert. Was dann irgendwo landet, das lässt sich nicht zurückverfolgen". Mit anderen Worten: Aus Sicht der Pohlmann-Verteidiger könnten die kontaminierten Eier auch aus anderen Betrieben gekommen sein.

Was die Ermittler dem Eierfabrikanten ebenfalls vorwerfen: Dass er von den Salmonellen in seinen Betrieben wusste - dies aber vor Behörden und Abnehmern geheim hielt. "Es gab keine Verheimlichung", sagt dagegen sein Anwalt. "Mein Mandant hat alles umgesetzt, was ihm von den Behörden vorgegeben wurde." Es gebe keine Vorschrift, die absolute Salmonellenfreiheit verlange. Dies zu garantieren, sei ohnehin unmöglich. Die Anklage "entfernt sich von der Wirklichkeit", sagt Ziegert.

Als er das sagt, huscht hinter ihm Stefan Pohlmann aus dem Gerichtssaal. Wortlos, wie gewohnt. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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