Es ist Mittag, kurz nach zwölf, da setzt sich die Kolonne in Bewegung. Vorneweg fahren zwei Polizisten auf Motorrädern über das Kopfsteinpflaster, dahinter schieben sich nacheinander ein Streifenwagen und eine Limousine mit Blaulicht durch die schmale Luzengasse. Dann ist es so weit, dann rollt der Sprinter mit dem Malteserkreuz auf der Motorhaube los, ganz langsam. Daneben traben fünf Bodyguards in dunklen Anzügen. Die Leute winken, halten ihre Handys hoch. Hinter den dunklen Scheiben zeichnen sich Umrisse ab. Und eine Hand in weißen Ärmeln. Die Hand bewegt sich nach oben, wie in Zeitlupe. Sie winkt.
Dieser Moment, den die Menschen am Freitag auf Handyvideos festhalten, erinnert ein bisschen an die Szenen von damals, im Sommer 2006, als der Mann hinter den dunklen Scheiben zuletzt hier war. Aber, klar, diesmal ist alles anders. Damals war es ein Fest, als Papst Benedikt XVI. auf seiner Bayernreise nach Regensburg kam. Inzwischen ist Benedikt ein Papst im Ruhestand - und der Anlass, der ihn herführt, ist ein trauriger: Benedikt, 93, besucht seinen schwer kranken Bruder Georg, 96. Es ist wohl ein Abschiedsbesuch, "vielleicht das letzte Mal, dass sich die beiden Brüder, Georg und Joseph Ratzinger, in dieser Welt sehen", hatte das Regensburger Bistum am Donnerstag mitgeteilt.
Regensburg:Papst Benedikt XVI. besucht schwer kranken Bruder
Er will in Regensburg an der Seite Georg Ratzingers sein, dessen Gesundheitszustand sich offenbar verschlechtert hat. Das teilt das Bistum mit.
Dieser Freitag, Tag zwei des Abschiedsbesuchs, begann für Benedikt mit einem bayerischen Frühstück, twitterte das Bistum: "Es gab Brezen, über die sich auch Erzbischof Georg Gänswein freute", der den emeritierten Papst nach Regensburg begleitet hat, wo Benedikt die Nacht hinter den Mauern des Priesterseminars am Bismarckplatz verbracht hatte. Von dort aus wurde er dann am Freitagmorgen in die Luzengasse gefahren, in die Wohnung seines kranken Bruders. Dort haben die Ratzinger-Brüder laut Bistum "ein gemeinsames Hochamt zum heutigen Herz-Jesu-Fest gefeiert". Eben bis kurz nach zwölf, bis sich die Papstkolonne in Bewegung setzt, um Benedikt zurück in das Priesterseminar zu fahren.
Eine Stunde später ist es wieder still in der Luzengasse. An der Hausfassade, unter dem Erkerfenster von Georg Ratzingers Wohnung erinnert eine Tafel aus Metall "an den Besuch des Hl. Vaters Benedikt XVI. bei seinem Bruder Georg Ratzinger am 13. Sept. 2006". Ob sie bald eine zweite Tafel anbringen werden? Hinter den Fenstern im ersten Stock stehen die Rüschenvorhänge offen, die dicken Gardinen dahinter sind zugezogen. In der Gasse halten Polizisten die Stellung, neben gleich mehreren Kastenwagen.
Zur selben Zeit bekommt Benedikt Mittagessen, wahrscheinlich jedenfalls. Man kann ja nicht hinter die Mauern des Priesterseminars schauen, den Eingang bewachen drei Polizisten mit verschränkten Armen. Der emeritierte Papst werde "Apfelstrudel essen", twittert das Bistum. Ist ja Freitag, da isst der Katholik kein Fleisch.
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Was man noch erfährt: Dass Benedikt sehr erschöpft sei. Dass ihn die Reise und der ungewohnte Tagesablauf anstrenge. Dass er sich wahnsinnig gefreut habe, seinen Bruder zu sehen. Und dass Georg Ratzinger so ungeduldig auf dieses Wiedersehen gewartet habe, dass er alle paar Minuten auf seinen Wecker drückte, um sich die Uhrzeit ansagen zu lassen. All das teilt der Bistumssprecher mit, der sich auf Benedikts Privatsekretär Gänswein beruft und auf Schwester Laurente, die Haushälterin von Georg Ratzinger, dem früheren Kapellmeister der Regensburger Domspatzen.
Für Freitagabend war dann erneut ein Besuch Benedikts in der Wohnung seines Bruders geplant. Wie lange der emeritierte Papst in Regensburg bleiben wird, ist unklar. Es gibt bereits Spekulationen, dass er gar nicht mehr zurückkehren wolle in das Kloster im Vatikan, in dem er seit seinem Rücktritt als Papst lebt. Offiziell heißt es aber, dass der Besuch zunächst für drei Tage geplant sei.