Süddeutsche Zeitung

Regensburg:Haus der Bayerischen Geschichte gleicht Dunkelkammer

Der Entwurf eines Frankfurter Architekturbüros ist ein trauriges Beispiel dafür, wie verantwortungslos hierzulande mit öffentlichem Raum umgegangen wird.

Von Laura Weissmüller

Man kann nur rätseln, während man in Regensburg auf der Steinernen Brücke steht und donauabwärts blickt. Ist das, was da am rechten Flussufer neuerdings mausgrau in die Höhe ragt, eine Schallschutzwand, ein Parkhaus oder doch eine Shopping Mall, die sich dreist an die historische Altstadt herangewanzt hat? Man tendiert zum Einkaufszentrum, doch auf der Fassade fehlen die bunten Firmenlogos.

Sie werden nicht mehr kommen. Denn es handelt sich bei dem Riegel mit dem mehrfach gefalteten Dach um das neue Museum der Bayerischen Geschichte. Es ist so etwas wie Horst Seehofers Abschiedsgeschenk an Bayern, sein museales Vermächtnis. Als er 2008 in seiner Regierungserklärung den Bau eines solchen Ausstellungshauses ankündigte, dauerte es nicht lang und zwischen den Städten war ein heftiger Streit darüber entbrannt, wer das Museum denn bekommen sollte.

Was es überhaupt zeigen würde, war noch völlig unklar, aber offenbar auch egal. Im Kampf um Touristen versprach allein ein Museumsneubau schon genug Aufmerksamkeit im Städteranking. Und die wollten Augsburg und Ingolstadt genauso wie Würzburg, Burghausen und zahlreiche andere bayerische Städte.

Der viel beschworene Bilbao-Effekt, benannt nach der baskischen Hafenstadt Bilbao, die von Architekt Frank Gehry ein unfunktionales, dafür aber spektakuläres Museum hingestellt bekommen hat und damit zum Touristen-Hotspot avancierte, euphorisiert zumindest noch in bayerischen Amtsstuben. Regensburg bekam schließlich im Jahr 2011 den Zuschlag. Wie teuer erkauft der war, zeigt sich jetzt, wo der Neubau so gut wie fertig ist und ein Jahr vor der Eröffnung des Museums am Wochenende ein Tag der offenen Tür veranstaltet wird.

Das Architekturbüro Wörner Traxler Richter setzte sich gegen 250 andere Bewerber durch

"Wer von der Steinernen Brücke kommt, sieht es eigentlich kaum", sagt der Herr vom Regensburger Bauamt am Eingang des Museums, und während man ihm noch recht gibt, weil die Baumallee am Ufer auf dem Weg hierher zumindest im Sommer wie ein hellgrüner Sichtbalken mitläuft, wundert man sich doch über ein solches Lob für ein gut 88 Millionen Euro teures Bauvorhaben.

Schließlich ist der Donaumarkt, wie das Areal heißt, weil hier ab den Fünfzigern ein Wochenmarkt stattfand, nicht nur ein traumhaft gelegenes Grundstück, sondern auch das letzte in dieser Lage. Direkt am Wasser, mit Blick auf die Stadt, doch mit angenehmem Abstand zum Trubel der Touristenmassen, die noch einmal gehörig angeschwollen sind, seit Regensburg im Jahr 2006 den Unesco-Weltkulturerbe-Titel erhielt und täglich Donaukreuzfahrtschiffe hier anlegen.

Doch von dieser herrlichen Lage bekommt man im neuen Museum nichts mit. Das Frankfurter Architekturbüro Wörner Traxler Richter, das sich bei einem offenen Wettbewerb mit seinem Entwurf gegen mehr als 250 Bewerber durchsetzen konnte, hat seinen Monolithen geradezu akribisch und fast vollständig mit einer grauen Keramikfassade aus schlanken geriffelten Stäben überzogen.

Das klingt deutlich eleganter, als es im Gesamteindruck wirkt. Wer böse sein will, sieht die ästhetische Nachbarschaft zu den grauen Baucontainern, die noch neben dem Museum und der daneben liegenden "Bavariathek", Bayerns neuem "medialen Gedächtnis" mit Seminarräumen, Bibliothek, Bildarchiv und Verwaltung, stehen. So ortlos wie die Container sind, ist auch der Neubau geraten, mit Regensburg hat er nichts zu tun.

Ungerecht? Schließlich sollen hier sowohl in der Dauerausstellung im zweiten Obergeschoss als auch in der Sonderausstellung im Erdgeschoss lichtempfindliche Exponate ausgestellt werden. Doch wer die fensterlose White Cube will, sollte sie nicht ans Ufer setzen. Selten hat man so große Ausstellungsflächen - insgesamt sind es 3500 Quadratmeter - derart düster gesehen.

Dunkelgrau ist der Boden, dunkelgrau die Wand und die Decke. Öffnungen gibt es kaum. Selbst das in der Tat sehr große Fenster zum Dom am höchsten Punkt des Gebäudes hat einen Schirm davor bekommen. Die Ausstellungsräume geraten damit zur riesigen Dunkelkammer.

Doch auch jenseits der Ausstellungsflächen war die Frage, wie sich ein Dialog zwischen Innen und Außen herstellen lässt, ganz offensichtlich keine, die die Architekten allzu sehr interessiert hat. Selbst an Orten, die kein Sonnenlicht fürchten müssten, etwa das Wirtshaus im Erdgeschoss, ist die Fassade nur von schlanken Fenstern durchbrochen.

Da drängt sich der Eindruck auf, dass hier jemand etwas zu stolz auf die Kubatur seines Gebäudes gewesen ist. Apropos: Das Auffallende in dem ansonsten eher kleinmütigen Entwurf, ist sein Dach. Es ist mehrfach, fast schon experimentell gefaltet, was im Obergeschoss zu hübschen Raumeindrücken führt.

Aber das alleine reicht nicht. Ein derart gewaltiges Dach ohne öffentliche Nutzung, noch dazu in dieser Lage, ist eine vertane Chance - genauso wie die gesamte Freifläche, die in ihrer Jämmerlichkeit kaum zu überbieten ist. Da ist keine Idee, wie man den Raum rings ums Museum nutzen kann, außer ihn mit ein paar Bänken und Bäumen zu garnieren. Die Treppe zum Ufer ist geradezu ein Witz. Die Stufen so schmal, dass sich hier garantiert keiner hinsetzen kann. Das Geländer so banal, als führe es zur U-Bahn und nicht zur Donau.

Der Wettbewerb für den Außenraum war bereits gelaufen, als Seehofer seine Museumsidee verkündet hat. Museum und Außenraum wurden nahezu unabhängig voneinander geplant. Damit ist das, was am Donaumarkt entstand, am Ende auch noch ein besonders trauriges Beispiel dafür, wie verantwortungslos hierzulande mit öffentlichem Raum umgegangen wird. Da hilft dann auch kein Grün der Bäume mehr.

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SZ vom 06.06.2018/haeg
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