„Wahlkampfhilfe für die AfD“, wirft Regensburgs zweite Bürgermeisterin Astrid Freudenstein (CSU) der Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) vor. Die sagt, sie habe von den Plänen in der Dimension nichts gewusst: Weil laut Medienberichten ein „Islamisches Kultur- und Einkaufszentrum“ in die ehemalige Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filiale in der Altstadt einziehen soll, herrscht in Regensburg Aufruhr. Doch was ist eigentlich passiert?
Mehrere Insolvenzverfahren und Schließungen bei der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hinterließen einige bayerische Innenstädte in den letzten Jahren mit riesigen Leerständen. Und ebenso großen Problemen, diese zu füllen.

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20 000 Quadratmeter sind das etwa in Ingolstadt, mehr als 18 000 in Nürnberg, 20 000 weitere in Regensburg. In Nürnberg nutzten das Gebäude zuletzt Architektur-Studierende, auch Gastronomen und Einzelhändler sollen zumindest kurzfristig folgen, in Ingolstadt soll langfristig ein Mischquartier aus Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistung und Wohnen entstehen. Und während beide Städte die Gebäude jeweils selbst aufkauften, ging der Regensburger Kaufhof an eine bislang unbekannte internationale Investorengruppe, wie die Immobilien Zeitung im Dezember berichtete. Bisher sei allerdings kein neuer Eigentümer ins Grundbuch eingetragen, teilte das zuständige Amt der Süddeutschen Zeitung auf Nachfrage am Nachmittag des 9. Januar mit. Aktuell sei dies noch die Kaufhof Regensburg GmbH mit Sitz in Leverkusen.
Bekannt wurden hingegen die Pläne der Investoren, wohl auch zum Schreck der Regensburger Politik: Rami Haddad, den die Mittelbayerische Zeitung (MZ) als Sprecher der Investorengruppe bezeichnet, kündigt in der Zeitung ein „lebendiges islamisches Kultur- und Einkaufszentrum“ im Gebäude an. Traditioneller und moderner Einzelhandel, Gastronomie, aber auch Workshops und Ausstellungen, „Feiern von Kunst und Erbe“ soll es geben, ein Shop-in-Shop-Konzept, das die dynamische Energie eines orientalischen Basars nachbilden soll. „Stellen Sie sich vor, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee vermischt sich mit dem Aroma von Gewürzen, alles unter einer Dachterrasse mit Shisha-Bar und Panoramablick.“ Zu einer ausschließlich religiösen Institution soll das Zentrum nicht werden, sondern als Brücke dienen, unterschiedliche Traditionen und Perspektiven verbinden. „Dieses Projekt ist ein Phönix für die Innenstadt“, so Haddad zur MZ.
Doch nicht alle freuen sich über den geplanten Vogel in der Stadt. Noch nie in seiner politischen Laufbahn habe der CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Lehner so viele besorgte und verärgerte Anrufe erhalten, entnimmt man einer Pressemitteilung der CSU-Stadtratsfraktion. „Ein islamisches Kulturzentrum im Herzen der Altstadt zwischen Dom und Synagoge kommt für uns nicht infrage“, erklärt Lehner und wirft Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer fehlende Transparenz vor. „Es ist ein beispielloser Vorgang, dass der Stadtrat bis heute keine Informationen über die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Immobilie erhalten hat.“
Kritik an der Kommunikation der Stadt kommt auch aus den eigenen Reihen, also der SPD: „Leerer Raum füllt sich zu oft mit falschen und gefährlichen Botschaften. Die Menschen müssen mitgenommen werden, es müssen Bilder in den Köpfen entstehen, wo es hingehen soll“, sagt der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Thomas Burger. Als „mindestens unglücklich“ beschreibt Helene Sigloch, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, die Art und Weise, wie die Investoren ihre Pläne öffentlich gemacht haben.
Den Start in das neue Jahr hat sich Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer etwas ruhiger vorgestellt. Im Gespräch mit der SZ erzählt die SPD-Politikerin nochmal, wie alles angefangen hat. „Einfach reingeflattert“ sei bei ihnen der Kaufvertrag für das Kaufhof-Gebäude im letzten Jahr. Relativ überraschend und unangekündigt für die Stadt, denn eigentlich hatte man noch Kontakt mit den bisherigen Eigentümern. Auch eine Machbarkeitsstudie zur zukünftigen Nutzung habe man noch gemeinsam aufsetzen wollen.
Wer das Gebäude nun gekauft hat, sei für die Oberbürgermeisterin „nach wie vor etwas undurchsichtig“. Generell gebe man keine Auskunft über vertragliche Inhalte von Dritten. Wie Rami Haddid der MZ sagte, soll es sich um eine Gruppe internationaler Investoren, darunter auch Vertreter aus Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, handeln. Kontakt zu dieser Gruppe habe Maltz-Schwarzfischer bislang nicht herstellen können.
Von den Plänen in der Dimension habe sie so auch erst über die MZ erfahren, Andeutungen habe es im Kaufvertrag gegeben. „Deswegen haben wir ja versucht, die zu erreichen“. Tatsächlich steht laut der Pressestelle der Stadt im Kaufvertrag: „Käufer beabsichtigt die Nutzung als Arabisch/Islamisches Kulturkaufhaus mit Shop-in-Shop-Konzept (insb. Barber- sowie Halal Lebensmittel-Shops).“ Die Kritik an ihrer Kommunikation, wie etwa von der CSU geäußert, weist Gertrud Maltz-Schwarzfischer jedoch zurück: Es habe einfach zu wenig Informationen gegeben, „um auch nicht öffentlich den Stadtrat zu informieren.“
Ein „Islamisches Kultur- und Einkaufszentrum“ sieht die Oberbürgermeisterin an dieser Stelle in dieser Dimension nicht. Man habe für die Stelle ganz andere Ideen, brauche einen Frequenzbringer, etwas, das Kaufkraft in die Stadt zieht.
30 000 Menschen unterzeichnen Petition gegen die Pläne
Gegenwind kommt nicht nur aus der Politik. Auf der Plattform Change.org hatte ein bisher Unbekannter eine Petition gegen die Pläne für das ehemalige Kaufhof-Gebäude erstellt. Seit dem dritten Januar hatten mehr als 30 000 Menschen unterzeichnet. Die Petition war am Mittwochnachmittag nicht mehr aufrufbar. Das Vorhaben könnte „die lokale Gemeinschaft polarisieren und möglicherweise zu Spannungen führen“, hieß es im Petitionstext. Doch die Polarisierung sieht Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer längst erreicht. Im Gespräch mit der SZ sagte sie, sie verstehe die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Es gebe aber mittlerweile auch Unruhe in den Reihen der muslimischen Bevölkerung Regensburgs, die „sehr erschrocken waren über die Wucht der Aggression in den sozialen Medien“. Sie appelliert an die Menschen, verantwortungsvoll mit dem umzugehen, was man sage und schreibe und dazu beizutragen, die Gesellschaft nicht zu spalten.
Aber was ist an den Plänen der unbekannten Investorengruppe denn wirklich dran? Die Oberbürgermeisterin sagt es „mal ganz vorsichtig“: Man könne Zweifel haben. Für sie sei es kein seriöses Vorgehen, so vage Visionen einer Entwicklung über die Zeitung zu spielen. „Auch natürlich mit dem Wissen, was das für ein Aufregungspotenzial innerhalb einer Stadt hat“.
In den sozialen Medien wird spekuliert, dass mit den Plänen lediglich der Kaufpreis für die Stadt hochgetrieben werden soll. Denn die Stadt hat möglicherweise ein Vorkaufsrecht auf das Objekt. Ähnlich äußerte sich auch der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW) in den Medien. Auf die Frage, ob die Eigentümer versuchen könnten, die Stadt Regensburg unter Druck zu setzen, um den Immobilienpreis zu erhöhen, sagte er: „Ja, das ist sehr wahrscheinlich sogar“. Beweisen könne er es allerdings nicht.
Für die Stadt heißt es daher nun erst einmal: Weiter versuchen, Kontakt zu den Investoren aufzunehmen und zu prüfen, ob ein Vorkaufsrecht besteht und wenn ja, ob man dieses nutzen wollen würde. Unklar ist ebenfalls noch, ob das Gebäude überhaupt so genutzt werden darf, wie es sich die Investoren vorstellen. Dafür müssten diese jedoch konkretere Pläne vorlegen. „Ich glaube, dass da noch viel Wasser die Donau runterfließt, bevor da überhaupt irgendwas Neues entsteht“, sagt Maltz-Schwarzfischer.
In einer früheren Version des Artikels hieß es mehrfach die „neuen Eigentümer“. Inzwischen hat das Regensburger Grundbuchamt die Auskunft erteilt, dass die unbekannten Investoren – Stand 9. Januar – bisher nicht als Eigentümer eingetragen sind. Die entsprechenden Formulierungen wurden deshalb im Text angepasst.