Regensburg:Fragwürdiger Geldgeber beim SSV Jahn Regensburg

10 07 2015 1 Fussball Bundesliga 2015 2016 Testspiel zur Eröffnung des neuen Regensburger Stadions

Mehr als 50 Millionen Euro hat sich die Stadt Regensburg das neue Stadion für den SSV Jahn kosten lassen. Es ist im vergangenen Jahr eröffnet worden.

(Foto: imago)
  • Bauunternehmer Volker Tretzel ist ein wichtiger Sponsor des SSV Jahn Regensburg.
  • Ein Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, legt nahe, dass die Zahlungen mit Geschäften zu tun haben könnten, die Tretzel mit der Stadt macht - und so auch mit der Parteispendenaffäre.

Von Andreas Glas, Regensburg

Es war ein gutes Jahr für den SSV Jahn Regensburg. Erst der Aufstieg in die Dritte Liga, zuletzt zwei Siege hintereinander, sieben Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge. Doch nun könnte es doch noch turbulent werden rund um den Jahn. Der Süddeutschen Zeitung liegt ein Schreiben vor, das auf einen Zusammenhang hindeuten könnte zwischen Zahlungen der Baufirma Tretzel an den SSV Jahn und Grundstücksgeschäften derselben Firma mit der Stadt Regensburg.

Das Schreiben trägt den Briefkopf der BTT Bauteam Tretzel GmbH, datiert vom 23. November 2015, und ist adressiert an zwei hochrangige Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Auf SZ-Nachfrage teilt Firmenchef Volker Tretzel mit, es handle sich um "einen Entwurf", der nicht verschickt worden sei. Er bestätigt allerdings, das Schreiben verfasst zu haben. Darin geht es unter anderem um ein Grundstück auf der früheren Nibelungenkaserne - um jenes Grundstück, das im Zentrum der Regensburger Parteispendenaffäre um SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs steht.

Auf dem Nibelungenareal hatte die Firma Tretzel, der größte Geldgeber des SSV Jahn, im Jahr 2014 drei Bauabschnitte von der Stadt erworben. Im Gegensatz zu den Bauabschnitten eins und zwei vereinbarten Stadt und Baufirma für den dritten Abschnitt einen umfangreichen Sozialwohnungsbau. Das Schreiben legt nun nahe, dass die Stadt nach dem Verkauf des Areals von der Firma Tretzel verlangte, auf dem dritten Bauabschnitt weitere Forderungen beim sozialen Wohnungsbau zu erfüllen. Dadurch fürchtete Volker Tretzel offenbar weniger Profit - und äußerte in dem Schreiben, dass die künftig vom SSV Jahn benötigten Tretzel-Zahlungen allein mit Bauabschnitt eins und zwei nicht zu erwirtschaften seien.

Ein Hinweis darauf, dass die Firma den Zuschlag für das Nibelungenareal bekam, weil Volker Tretzel der Stadt eine Finanzspritze für den Fußballklub in Aussicht stellte? "Es gab und gibt keine Vereinbarung zwischen der Stadt Regensburg und mir oder der BTT GmbH über eine finanzielle Förderung des SSV Jahn im Zusammenhang mit unseren Bauprojekten", sagt Volker Tretzel. OB Wolbergs wollte sich auf SZ-Nachfrage nicht näher zu dem Schreiben äußern. Die Stadt teilte lediglich mit, das Tretzel-Schreiben sei nie bei den hochrangigen Mitarbeitern der Stadtverwaltung angekommen. Nach SZ-Informationen allerdings hat einer der zwei Adressaten bei der Polizei eingeräumt, das Schreiben erhalten und OB Wolbergs darüber informiert zu haben. Diese Aussage zog er später wieder zurück.

Kann das wirklich sein: Baugrund im Gegenzug für die Unterstützung eines Fußballvereins? Fest steht, dass die Stadt Interesse an der finanziellen Gesundheit des Fußballklubs hat. Schon deshalb, weil die Stadt dem Jahn für mehr als 50 Millionen Euro ein neues Stadion gebaut hat, das im Jahr 2015 eröffnet wurde. Wie aus dem nun aufgetauchten Schreiben hervorgeht, dürfte das finanzielle Engagement der Firma Tretzel beim Jahn zuletzt bei einer Million Euro jährlich gelegen haben. Der SSV Jahn hat den Betrag auf Nachfrage nicht bestätigt, teilt aber mit, dass es auch für die Zukunft "Vereinbarungen" über Tretzel-Zahlungen an den Jahn gebe. "Dieses Engagement", heißt es in Tretzels Schreiben an die Stadt, "beruht nicht darauf, dass ich mich für Fußball interessiere, sondern auf Bitte der damaligen Stadtspitze, um einen Konkurs des Jahn zu verhindern."

Unterstützung des SSV von Anfang an öffentlich kommuniziert

Damals, 2005, als Tretzel den Jahn vor der Insolvenz rettete, hieß der Oberbürgermeister noch Hans Schaidinger (CSU) - gegen ihn laufen seit Kurzem Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft. Die Justiz interessiert sich für den Beratervertrag, den Schaidinger im Herbst 2014, ein halbes Jahr nach Ende seiner Amtszeit, mit der Baufirma Tretzel schloss. Zwar habe die Stadt Volker Tretzel seinerzeit um Unterstützung des SSV Jahn gebeten, sagt Schaidinger. Dies sei aber von Anfang an öffentlich kommuniziert worden und habe mit dem späteren Beratervertrag "nichts zu tun". Bauunternehmer Tretzel wiederum steht im Verdacht der Staatsanwaltschaft, mit verdeckten Parteispenden versucht zu haben, sich den derzeitigen Oberbürgermeister Joachim Wolbergs bei städtischen Bauprojekten gewogen zu machen. Auch gegen Wolbergs wird deshalb ermittelt.

In dem nun aufgetauchten Schreiben äußert sich Volker Tretzel auch zu einem zweiten Grundstück: dem Rennplatz Nord. Diese Passage ist kompliziert, aber womöglich aufschlussreich. Aus dem Schreiben geht hervor, dass die Stadt der Firma Tretzel anbot, am Rennplatz Nord Gewerbefläche in lukrativere Wohnfläche umzuwidmen - vorausgesetzt, die Firma baue zu 50 Prozent Sozialwohnungen. Volker Tretzel lehnt dies in seinem Schreiben ab und nennt ein Gegenangebot: 25 bis 30 Prozent öffentlich geförderten Wohnungsbau statt 50. Im weiteren Verlauf des Schreibens verweist er darauf, in der Vergangenheit etwa 40 Prozent des Nettoeinkommens seiner Firma in den SSV Jahn gesteckt zu haben. Weiter heißt es, dass es für die Stadt fatal wäre, würde das Stadion nach einem möglichen Jahn-Konkurs ungenutzt bleiben.

Warum schreibt er das? Wollte Volker Tretzel der Stadt deutlich machen, dass die Existenz des Fußballklubs an seiner Zahlungsbereitschaft hängt? Es sei ihm "ein Anliegen gewesen, der Stadtverwaltung mitzuteilen, dass ich mich, insbesondere durch die Förderung des SSV Jahn, auch ohne zusätzlichen sozialen Wohnungsbau bereits erheblich für Gemeinschaftszwecke engagiere", sagt Tretzel auf Nachfrage. Etwa zwei Monate nachdem er sein Schreiben laut Datierung verfasst hatte, stimmte der Stadtrat einstimmig dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplanentwurf Rennplatz Nord zu. Nach Angaben der Stadt wurde als Maßgabe für das derzeit noch laufende Verfahren genannt, einen Anteil von 20 Prozent öffentlich gefördertem Wohnungsbau umzusetzen - und damit eine deutlich niedrigere Quote, als die 50 Prozent, welche die Stadt ursprünglich von Tretzel gefordert haben soll.

Verzichtet die Stadt auf sozialen Wohnungsbau, um die Finanzierung des SSV Jahn durch die Firma Tretzel nicht zu gefährden? Im Jahn-Aufsichtsrat sitzt auch SPD-Rathausfraktionschef Norbert Hartl. Der hatte kürzlich eingeräumt, im Juni 2014 eine E-Mail an Volker Tretzel geschickt zu haben, die den Vorentwurf für die Neuausschreibung des Baugrunds auf dem Nibelungenareal enthielt - verbunden mit der Bitte zu prüfen, ob die Vergabekriterien aus Sicht des Bauträgers erfüllbar seien.

Laut Hartl hat auch OB Wolbergs damals eine Kopie der Mail erhalten. CSU-Stadtrat Franz Rieger bezeichnet diesen Vorgang als "unfassbar". Er ist überzeugt davon, dass Hartl der Firma Tretzel damit einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Bietern verschafft hat. Die CSU-Fraktion hat Wolbergs und Hartl bereits zum Rücktritt aufgefordert. "Solange ich von meiner Unschuld überzeugt bin, werde ich definitiv nicht zurücktreten", konterte Wolbergs.

In der vergangenen Woche hatte die SZ zudem berichtet, dass ein Antragsentwurf für die Neuausschreibung des Nibelungenareals am 10. Juli 2014 per Fax bei der Firma Tretzel gelandet sein könnte - bevor der Antrag am 24. Juli 2014 im Stadtrat behandelt wurde. Die SPD-Fraktion hat auf Nachfrage bestritten, dass das Dokument aus dem Fraktionsbüro verschickt wurde. Tatsächlich ist unklar, ob das Dokument zum genannten Zeitpunkt bei der Firma Tretzel landete. Nach SZ-Informationen dürfte es sich aber um ein Dokument aus nicht-öffentlicher Stadtratssitzung handeln, das nicht zur Firma Tretzel hätte gelangen dürfen.

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