Prozess in Regensburg:Fall Maria Baumer: Angeklagter will Verlobte bereits tot gefunden haben

Fortsetzung Mordprozess im Fall Maria Baumer

Der Angeklagte steht im Verhandlungssaal des Landgerichts.

(Foto: dpa)

Über seinen Anwalt lässt der Krankenpfleger seine Version des Geschehens darlegen - und räumt einen Teil der Vorwürfe ein. Der Staatsanwalt zeigte sich empört nach der Erklärung.

Von Johann Osel

Christian F. hat geschwiegen bisher, kein Wort zur Anklage, keine Einlassungen. Selbst als in den vergangenen Wochen am Landgericht Regensburg grausige Details erörtert wurden, vom Auffinden der Leiche seiner Verlobten, ging sein Blick regungslos ins Leere. Für Dienstag war im Fall Maria Baumer - dem Mordprozess gegen F. - die Verlesung einer Erklärung angekündigt. Eine sensationelle Wende, ein Geständnis womöglich? Den ganzen Vormittag über, als die Beweisaufnahme regulär fortgesetzt wird, ist die Anspannung im Saal spürbar, bei Zuschauern und Presse, vor allem aber bei Baumers Familie, die als Nebenkläger auftritt.

Dann, kurz vor Mittag, die Erklärung. Mehrere Seiten verliest Michael Euler, einer der Anwälte von F. - dieser räumt das Vergraben der Leiche ein. Allerdings, nachdem er Baumer morgens tot im Bett gefunden habe. Die Frau habe eine offenbar tödliche Dosis Medikamente geschluckt, auf eigene Initiative. Weil F., damals Krankenpfleger in einer Psychiatrie, diese dort entwendet habe, habe er nicht mit dem Tod in Verbindung gebracht werden wollen: aus Angst vor beruflichen Konsequenzen und einer moralischen Schuld am "Unfalltod" wegen der Überlassung der Arzneimittel. Das inszenierte Verschwinden der Frau und das Vergraben der Toten seien "Kurzschlussreaktionen" gewesen, aus denen es dann "kein Zurück mehr" gegeben habe.

Seit Anfang Juli läuft der Mordprozess, der ominöse, langwierige Fall hatte überregional viel Aufmerksamkeit erregt. Auch wegen des Engagements der Getöteten: Baumer war Vorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) in Bayern. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 35-jährigen F. vor, im Mai 2012 die 26-Jährige mit Lorazepam und Tramadol getötet und ihre Leiche beseitigt zu haben. Pilzsammler hatten die sterblichen Überreste im Herbst 2013 in einem Wald gefunden, nahe des Familienwohnorts des Angeklagten. Er geriet damals schon ins Visier der Ermittler, kam aber wieder frei. Ende 2019 wurde er erneut festgenommen. Wichtigste Indizien sind Google-Suchen von F. vor Baumers Verschwinden, nach "Lorazepam letale Dosis" und "der perfekte Mord". Und ein Spaten, den er zuvor gekauft hatte und der im Wald zurückgelassen wurde. Als Motiv gilt vor allem die - offenbar unerwiderte - Liebe zu einer anderen Frau, die F.'s Patientin im Bezirksklinikum war.

Minutiös wurde zuletzt vor Gericht das Leben des Paares aufgearbeitet, dessen Hochzeit kurz bevorstand. Eine Rolle spielte zudem eine Verurteilung des Angeklagten 2016 wegen Missbrauchs von Buben im Teenageralter, vor allem in den 2000er-Jahren. Ein Opfer, heute 27 Jahre alt, ist am Dienstag Zeuge. Er hatte als Internatsfünftklässler mit Heimweh den Abiturienten F. kennengelernt und Vertrauen gefasst.

Doch im Mittelpunkt des Verhandlungstags steht die Einlassung. Schon länger habe Maria Baumer, behauptet der Angeklagte, besagte Medikamente genommen: gegen Schmerzen (am Tatwochenende wegen Beschwerden nach dem Reitsport) sowie wegen Depressionen. Deren Ursache sei Stress gewesen, ihr erster Job nach dem Studium, die Hochzeitsplanung, das KLJB-Amt. Lorazepam habe bei ihm auf der Station als "ein Allheilmittel" gegolten. Die Einnahme habe er nicht überwacht, nur die leeren Packungen vorgefunden am Morgen. Nach seinem ersten Gedanken, das Verschwinden zu inszenieren (eine Auszeit in Hamburg, wie er der Familie mitteilte) sei am Nachmittag "der Entschluss gereift", Baumer zu vergraben. In der Folge sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als bei seiner Version zu bleiben, er war "in die Geschichte verstrickt". Die Entsorgung der Leiche empfand er als "alternativlos". Dass er dies erst jetzt zugebe, liege daran, dass die Beeinflussung von Zeugen zu befürchten war. Die Einlassung sei aber nicht weniger wert als eine zu Prozessbeginn.

Baumer, so der Verteidiger, sei für F. "die Liebe seines Lebens gewesen". Bei der innigen Freundschaft zur Patientin Valerie S. handelte es sich um "Schwärmerei". Weitere vermeintliche Entlastungen folgen, der Spaten vom Grab sei nur für Gartenarbeit geeignet, bei Vorsatz hätte F. ein hochwertigeres Modell gewählt. Die Google-Suchen seien aus Interesse geschehen, beruflich als Pfleger und Medizinstudent, privat als Krimiliebhaber. Bei den Angehörigen wolle er sich "aufrichtig entschuldigen".

Gericht und Staatsanwaltschaft rügen während des Vortrags die Erklärung "als Vorwegnahme des Plädoyers", nicht zulässig laut Strafprozessordnung. Der Vorsitzende Richter Michael Hammer lässt dennoch bis zum Ende verlesen. Staatsanwalt Thomas Rauscher kontert, er spricht von einer "Märchenstunde". Zudem sei es "grenzenlos pietätlos" gegenüber der Familie. Die Angehörigen auf der Nebenklagebank wirken konsterniert. Baumers Zwillingsschwester verfolgt die Erklärung mit verschränkten Armen und versteinerter Miene. Die Eltern halten sich zeitweise gegenseitig die Hand, vor allem bei der Schilderung des Vergrabens. Die Anwältin der Nebenkläger merkt an, die Beweisaufnahme habe bereits "das Gegenteil erwiesen".

Die Beweisaufnahme geht indes weiter. Die Verteidigung kündigt an, F. werde künftig schriftlich Fragen beantworten - und mit der psychiatrischen Gutachterin kooperieren. Deren Gutachten soll Ende September verlesen werden.

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