Süddeutsche Zeitung

Regensburg:Ein Amigo-System fliegt auf - und alle schweigen

Die Ausmaße der Parteispendenaffäre in Regensburg sind ungeheuerlich, der Druck auf SPD-Oberbürgermeister Wolbergs wächst. Doch der Stadtrat scheint kein Interesse an Aufklärung zu haben.

Kommentar von Sebastian Beck

Für den Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und seine SPD wird die Lage immer bedrohlicher. Die jetzt öffentlich gewordene Liste aus dem Rechenschaftsbericht der Partei belegt, dass er auch nach seiner Wahl gestückelte Spenden in großem Umfang angenommen hat - und das von Firmen und deren Strohleuten, die in der Stadt als Bauträger agieren. Das riecht nicht nur nach Vorteilsnahme, es stinkt geradezu.

Auf die schwerwiegenden Vorwürfe reagiert Wolbergs bisher mit beleidigtem Schweigen und dem Verweis auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn. Der Subtext aber lautet, dass er sich selbst als Opfer einer irgendwie böswilligen Medienkampagne sieht, die auf ihn als Person zielt. In Regensburg kommt Wolbergs mit der selbstmitleidigen Nummer bisher gut durch.

Der Stadtrat scheint kein Interesse an der Aufklärung zu haben. Das liegt daran, dass die Koalition aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP zumindest einmal einen Beschluss zugunsten eines Wolbergs-Spenders gefällt hat, selbst wenn die wenigsten Stadträte von den Zahlungen an die SPD gewusst haben. Die CSU verhält sich so ruhig, weil sie nach den Regierungsjahren unter Oberbürgermeister Hans Schaidinger fürchtet, dass auch bei ihr mal jemand hinters Regal leuchtet.

So kommt es, dass die Lokalpolitik einer Stadt mit 160 000 Einwohnern schweigend zur Kenntnis nimmt, wie die Justiz ein ungeheuerliches Amigo-System aufdeckt. So viel steht fest: Mit verschleierten Spenden wollte sich die Wirtschaft das Wohlwollen der Politik erkaufen. Allein schon der Verdacht der Einflussnahme beschädigt aber das Vertrauen in demokratische Entscheidungen. Regensburg bräuchte einen Neuanfang, doch leider wird der Stadtrat erst 2020 wieder gewählt. Ob der SPD-Spendensammler Joachim Wolbergs noch so lange durchhält, hängt auch davon ab, ob gegen ihn Anklage erhoben wird. Spätestens dann wäre es endgültig vorbei.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2016/infu
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