Ausstellung in Regensburg:Die helle und die dunkle Seite des Sports

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Am 26. August jährt es sich zum 50. Mal, dass die Olympischen Spiele in München eröffnet wurden. Ein Ereignis, das bis heute nachhallt. (Foto: Sven Simon/Imago)

Bayern und Olympia: Diese Beziehung spiegelt sämtliche Verrenkungen eines Jahrhunderts wider. So sehr die vielen Medaillen und Triumphe auch strahlten - ihr Glanz erlosch oft unter dem Schatten der Politik.

Von Hans Kratzer, Regensburg

Es geschieht nicht oft, dass ein Sportler ähnlich bewegende Einblicke in das Elend und in die Gemeinheit des modernen Sports liefert wie der frühere Judokämpfer Paul Barth, 76, als er am Donnerstag im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg ins Plaudern kam. Barth schilderte beim Rundgang durch die neue Olympia-Ausstellung, die in der kommenden Woche eröffnet wird, seine Erinnerungen an die Spiele von 1972. Der gebürtige Münchner, der stets als fairer und angesehener Sportsmann gerühmt wird, kämpfte damals, angefeuert von Freunden, Arbeitskollegen und der Familie, um eine Medaille im Halbschwergewicht (bis 93 Kilo). Im Halbfinale musste sich Barth gegen den späteren russischen Olympiasieger Tschotoschischwili behaupten, was sich sofort als aussichtslos erwies.

Wie Barth bildreich erläuterte, stand ihm auf der Matte ein Bummerl mit stierem Blick gegenüber. "Den bring ich ned weg", das war ihm sofort klar. "Der hat aus allen Poren gedampft, der war high", erzählte Barth. Viele Schwerathleten konsumierten damals Anabolika, ein Dopingmittel, das die Muskeln wachsen ließ und 1972 im Labor noch nicht nachgewiesen werden konnte. "Aber dass der was genommen hatte, das hast du sofort an seinen Bewegungen und an den Augen gesehen", sagte Barth, der am Ende trotzdem über seine vor heimischem Publikum gewonnene Bronzemedaille strahlte.

Medaillengewinner und Förderer der Olympia-Ausstellung in Regensburg (von links): Alois Schloder (Eishockey), Paul Barth (Judo) und Manfred Schnelldorfer (Eislauf). (Foto: Hans Kratzer)

Paul Barth unterstützt die Ausstellung mit Erinnerungsstücken aus seiner Sportkarriere, wie etwa seinem Judoanzug. Auch viele andere Sportgrößen wie der Speerwerfer Klaus Wolfermann (1972 Goldmedaille), der Eiskunstläufer Manfred Schnelldorfer (1964 Goldmedaille), der Eishockeyspieler Alois Schloder (1976 Bronzemedaille), die Skiläuferin Rosi Mittermaier (1976 Goldmedaille) und die Biathletin Laura Dahlmeier (2018 Goldmedaille) trugen dazu bei, dass die Ausstellung ein buntes und in dieser Fülle nur selten erreichtes Bild der vielfältigen und phasenweise turbulenten Geschichte von Bayern und Olympia seit 1896 beleuchten kann. Aber nicht nur Trikots und Medaillen prägen die Schau, sondern auch Kuriositäten wie der Medizinball des ersten bayerischen Olympiasiegers Josef Straßberger, der in einer Vitrine zu sehen ist. Der gebürtige Kolbermoorer, der für 1860 München startete, holte 1928 in Amsterdam den Sieg im Schwergewicht. Straßbergers schillerndes Leben hat der Enkel Andreas Lechner in dem Roman "Heimatgold" (Volk Verlag) spannend nacherzählt.

Der Kanute Detlef Lewe war Fahnenträger der bundesdeutschen Mannschaft bei der heiteren und farbenfrohen Eröffnungsfeier in München 1972. (Foto: Sven Simon)

Straßberger wurde bei seiner Rückkehr am Bahnhof sogar von Reichspräsident Paul von Hindenburg empfangen, wie Kurator Marc Spohn beim Rundgang erwähnte. In der heutigen Zeit, in der fast nur noch der Fußball das Sportgeschehen dominiert, gerät mehr und mehr in Vergessenheit, welche Popularität früher auch andere Sportarten genossen, in denen, wenn überhaupt, höchstens mit Bier und Schnaps gedopt wurde. Die Olympischen Spiele von 1972 galten, was Doping angeht, noch als einigermaßen sauber, was heute freilich bezweifelt wird. Es gab kaum Kontrollen, nur wenige Fälle wurden aufgeklärt. Dass in den Ostblockstaaten und in den USA Dopingmittel genommen wurden, blieb damals oft nur ein Gerücht.

Hinweisschild auf die IV. Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen 1936. Öffentliche Gebäude und Plätze wurden damals mit solchen Schildern geschmückt. (Foto: Hans Kratzer)

Bei aller Freude über die sportlichen Erfolge der Athleten klammert die Ausstellung den gerade 1936 bedrohlichen Übergriff der Politik auf den Sport nicht aus. Die zwei Olympischen Spiele, die in Bayern ausgerichtet wurden, jene in Garmisch-Partenkirchen und jene in München, zeichnen deshalb einen scharfen Kontrast: hier die Spiele von 1936, die das NS-Regime für seine Propaganda missbrauchte, dort die Spiele von 1972 mit ihrer weltberühmten Architektur, die stellvertretend für ein demokratisches und weltoffenes Deutschlands stand. Der Sport markierte jetzt aber auch die Teilung Deutschlands. Die Eröffnungsfeier am 26. August 1972 gehört schon deshalb zu den eindrücklichsten Momenten der deutschen Sportgeschichte, weil das DDR-Team erstmals mit eigener Flagge und Hymne auftrat.

Die Liste an Sensationen aus der bayerischen Sportgeschichte ist lang und staunenswert. Es fällt aber auf, dass vor allem die Sportprominenz von früher in Erinnerung geblieben ist, während heutige Spitzensportler, selbst aktuelle Olympiasieger und -siegerinnen oft kurz nach ihrem Triumph fast schon wieder vergessen sind. Manfred Schnelldorfer erzählte den staunenden Zuhörern, er habe schon mit zwölf Jahren seine erste deutsche Meisterschaft im Eislauf gewonnen, mit 20 wurde er Olympiasieger und Weltmeister, und dann beendete er - quasi noch als Jüngling - seine Karriere. Schnelldorfers Sensationssieg zählt zweifelsohne zu den bayerischen Sportmomenten für die Ewigkeit, wie es das Haus der Bayerischen Geschichte in der Ausstellung formuliert.

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Dass Olympische Spiele weit über das Sportgeschehen hinausreichen und sich gerade in den beiden bayerischen Spielen quasi ein Jahrhundert in seinen ganzen Verrenkungen widerspiegelt, zeigt der Filmautor Michael Bauer in der 21-minütigen Dokumentation, die er für die Ausstellung erstellt hat und nur in der Ausstellung zu sehen ist. Bauer präsentiert hier vor allem mit Blick auf den früheren IOC-Präsidenten Avery Brundage Erkenntnisse, die Schatten auf ihn werfen, gerade was seine zweifelhafte Rolle bei den Olympischen Spielen 1936 und seine Kontakte zu den Nazis betrifft.

Bavaria und Olympia 1896-2022. Sonderausstellung im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg (Donaumarkt 1) vom 12. Juli bis 15. Januar 2023. Dienstag bis Sonntag 9-18 Uhr.

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