Regensburg:100 Objekte, 200 000 Besucher

Das neue Museum der Bayerischen Geschichte übertrifft alle Erwartungen. Nun wird dort erstmals eine Landesausstellung vorbereitet

Von Hans Kratzer, Regensburg

Das neue Museum der Bayerischen Geschichte ist momentan die mit Abstand beliebteste Attraktion in der Welterbestadt Regensburg. Nach nur acht Wochen und 50 offenen Tagen konnte am Mittwoch in dem lange Zeit sehr umstrittenen Gebäude bereits der 200 000. Besucher begrüßt werden. Michael Ott aus Duggendorf bei Kallmünz reagierte am Mittwoch sichtlich überrascht, als plötzlich Kunstminister Bernd Sibler vor ihm stand, um ihn zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Enkelkindern als Ehrengast zu begrüßen.

Es hätte sich durchaus auch zutragen können, dass diese Ehre einem Gast aus Amerika zuteil geworden wäre. Zahlreich sind die Touristenschwärme, die von den Donauschiffen aus direkt an der Glasfront des Museums vorbeischlendern, oft gar nicht ahnend, was sich dahinter verbirgt. Eine US-Touristin drehte dann doch ihren Kopf zur Seite, wurde des Löwen in der Eingangshalle ansichtig, und als ihr sogleich ein schrilles "my God", entfuhr, drehten alle ruckartig den Kopf zur Seite, um schließlich die Eingangshalle des Museums zu entern, die vom Münchner Oktoberfest-Löwen mit dem Masskrug dominiert wird.

Regensburg: Reif für die Landesausstellung: rätselhafte Tonvotivköpfe aus Niederbayern.

Reif für die Landesausstellung: rätselhafte Tonvotivköpfe aus Niederbayern.

(Foto: HDBG)

Schneller als die Colts im Westernfilm wurden die Fotoapparate gezückt, es schien, als sei das Selfie mit dem Löwen für jene US-Touristen das Highlight dieses Tages gewesen. In solchen Szenen erklärt sich die bisherige Erfolgsgeschichte des Museums von selber. Kulturkritisch bis feuilletonistisch geprägte Beobachter hatten vor der Banalität des Löwen im Foyer gewarnt und leisen Spott verteilt. Und jetzt das: "Der Löwe ist das mit Abstand meistfotografierte Objekt des Museums, höchstens die Kutsche von König Ludwig II. kann da noch mithalten", sagt Richard Loibl, der Chef des Hauses der Bayerischen Geschichte, der nie daran gezweifelt hat, die richtige Wahl getroffen zu haben.

Kunstminister Bernd Sibler würdigte das Museum als "neues Kulturhighlight des Freistaats Bayern". Das Ganze sei nicht nur ein kurzer Showeffekt, sagte er, das Konzept sei wissenschaftlich seriös und doch populär und angenehm aufbereitet. "Das große Interesse an diesem einmaligen Museum ist atemberaubend", sagte er, die Mischung aus hochrangigen Ikonen und persönlichen Erinnerungsstücken mache dieses Museum zu einer Schatzkammer unserer Geschichte.

Regensburg: Globuspokal von Wenzel Jamnitzer.

Globuspokal von Wenzel Jamnitzer.

(Foto: HDBG)

Dass viele Besucher ähnlich darüber denken, belegen die Kommentare in den Gästebüchern. Dort verteilten bisher mehr als 80 Prozent der Besucher die Noten gut und sehr gut, etwa zehn Prozent fällten das Urteil "Basst scho!" und bei sieben bis acht Prozent stößt das Museum auf Ablehnung. Diese Klientel setzt sich bei näherer Betrachtung aus Bayernhassern und CSU-Gegnern zusammen sowie aus jenen Kritikern, die Defizite der Darstellung in den Bereichen Kultur, Kabarett, Sport und Widerstand gegen das NS-Regime beklagen. Überdies interpretieren sie dieses Museum als eine Selbstglorifizierung des Staates und lehnen es deshalb ab.

Im Gästebuch und im Netz las man im Juli Urteile wie "Fantastisches Museum", "Super!" sowie "Great lesson on history of Bayerisch" und "Cool building" (Besucherin aus den USA) bis zu Vorwürfen wie: "Beachtlich, wie mit vielen Millionen die Geschichte Bayerns höchstoffiziell und staatsgetragen abgehandelt wird."

Alles in allem haben sich nach der Eröffnungsphase mit freiem Eintritt im Juni die Zahlen auch im Bezahlmonat Juli auf hohem Niveau eingependelt. Loibl hofft im August und September auf ähnliche Resultate, um dann im Oktober mit der Landesausstellung "100 Schätze aus 1000 Jahren" noch einmal zulegen zu können.

Regensburg: Die Figuren von Herzog Ludwig von Bayern und seiner Frau Ludmilla (gest.1240), auf die die bayerischen Rauten zurückgehen.

Die Figuren von Herzog Ludwig von Bayern und seiner Frau Ludmilla (gest.1240), auf die die bayerischen Rauten zurückgehen.

(Foto: HDBG)

Kreischende Sägen, Hammerschläge und umfallende Wände ließen am Mittwoch deutlich werden, dass die Aufbauarbeiten für die kommende Landesausstellung voll im Gange sind. Die Schau, die auf einer Sonderausstellungsfläche präsentiert wird, umfasst die Zeit zwischen dem 6. und dem frühen 19. Jahrhundert - während die Dauerausstellung die Zeit von 1800 bis in die Gegenwart erzählt.

Viele der 100 Exponate der Landesausstellung haben einen außerordentlichen Wert. Sie stammen von Museen aus ganz Europa. Der Erdglobuspokal des Goldschmieds Wenzel Jamnitzer (1508-1585) stammt beispielsweise aus der königlichen Schatzkammer Stockholm. Die Stadt Nürnberg schenkte ihn im Dreißigjährigen Krieg dem Schwedenkönig Gustav Adolf. Der jetzige schwedische König musste extra einen Leihvertrag unterschreiben. Da neben solchen Kunstwerken auch Alltagsobjekte wie etwa ein Pestkarren gezeigt werden, wird die einstige Lebenswirklichkeit sehr drastisch wiedergegeben - wozu auch Geruchsstationen beitragen werden. Die ersten Einblicke, die Kurator Rainhard Riepertinger auf der Baustelle gab, machten neugierig, auch wenn die Objekte erst kurz vor der Eröffnung am 27. September eintreffen werden. Eine Handschrift der Lex Baioariorum wird dabei vom frühmittelalterlichen Recht der Bayern zeugen, ein metallener Dietrich soll die Taten eines Einbrechers im 16. Jahrhundert belegen, und das Modell eines Planetariums wird die Wissenschaftsbegeisterung im 18. Jahrhundert beleuchten.

Ergänzt wird die Schau durch zehn biografische Skizzen von Menschen, die gleichsam die Gesichter ihrer Zeit bilden, etwa eine Bajuwarin, ein Tempelritter, eine jüdische Ärztin und ein Nachtwächter, den man im 3-D-Modell durch das mittelalterliche Neumarkt begleiten kann.

Bayerische Landesausstellung "Hundert Schätze aus tausend Jahren", 27. September 2019 bis 8. März 2020, täglich außer montags von 9-18 Uhr.

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