Regen, Sturm und Hagel über Bayern:Rentnerin ertrinkt in Kellerwohnung

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Die Unwetter vom Wochenende haben eine 82-Jährige das Leben gekostet. Sie wurde vermutlich im Schlaf von den Wassermassen überrascht.

Uwe Ritzer und Christian Sebald

Bei schweren Unwettern über Bayern ist in der Nacht zum Sonntag eine 82-jährige Frau ums Leben gekommen. Mehrere Menschen wurden verletzt. In Ober- und in Mittelfranken, wo in wenigen Stunden bis zu 80 Liter Regen pro Quadratmeter fielen, standen Ortschaften unter Wasser.

In den Kreisen Forchheim und Erlangen-Höchstadt wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Auch andernorts liefen Keller voll, waren Straßen und Bahnstrecken blockiert. Die Schäden gehen in Millionenhöhe. Innenminister Günther Beckstein sagte den Opfern Hilfe zu.

In Poxdorf, einer 1500-Einwohner-Gemeinde im Kreis Forchheim, ertrank eine 82 Jahre alte Rentnerin in ihrer Kellerwohnung. Die Wassermassen hatten die Frau vermutlich im Schlaf überrascht.

"Die kamen so reißend und schnell, dass die Frau keine Chance hatte", sagte Kreisbrandrat Reinhardt Polster. Auf dem Rückweg von einer Feier hatte die Tochter der Seniorin bei ihrer Mutter vorbeigeschaut und festgestellt, dass deren Wohnung überflutet war. Taucher des Technischen Hilfswerkes (THW) konnten die Frau nur noch tot bergen.

Poxdorf liegt in einer weitläufigen Ebene, ein größerer Fluss ist nicht in der Nähe. "Das Wasser fiel in solchen Mengen, dass es regelrecht von den Feldern in den Ort floss", sagte Polster. Am Sonntag zogen Bagger Gräben, um die Flut abzuleiten.

Volksfest abgebrochen

Das Unwetter hatte mehrere Stunden lang bis in den frühen Sonntagmorgen getobt. Stellenweise fielen binnen einer Stunde mehr als 80 Liter Regen pro Quadratmeter.

"Wir hatten hier binnen kürzester Zeit Land unter", sagte der Forchheimer Stadtbrandinspektor Manfred Bugla. "Ich bin 20 Jahre im Amt, aber so etwas habe ich noch nie erlebt." Insgesamt rückten die Einsatzkräfte allein im Kreis Forchheim mehr als 600 Mal aus.

Das Unwetter zog gegen 21.30 Uhr heran. Zu dem Zeitpunkt feierten etwa 10.000 Menschen auf dem Annafest, einem traditionsreichen Forchheimer Volksfest. Nach Rücksprache mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) wurde es auf Anraten der Sicherheitskräfte abgebrochen.

"Die Leute wurden zwar nass, haben sich aber sehr diszipliniert und vernünftig verhalten und sind nach Hause gegangen", sagte Bugla. Sofern sie überhaupt nach Hause kamen, denn vielerorts ging nichts mehr.

Unzählige Straßen waren überflutet, mancherorts stand der Pegel 1,5 Meter hoch. Auf der Autobahn A 73 wurden mehrere hundert Autofahrer von Wassermassen in ihren Fahrzeugen eingeschlossen und mussten von Rettungskräften befreit werden.

Öltanks treiben im Wasser

Am schlimmsten sei es zwischen den Anschlussstellen Forchheim-Süd und Baiersdorf/Nord zugegangen, sagt Bugla: "Die Fahrzeuge mussten zum Teil mit Schlauchbooten evakuiert werden."

Die A 73 war bis weit in den Sonntag gesperrt. Ebenso die Bahnstrecke zwischen Nürnberg und Bamberg. Auch hier stand das Wasser bis zu 1,5 Meter hoch, das Gleisbett wurde unterspült.

Im Bahnhof von Baiersdorf, das neben Marloffstein, Spardorf und Langensendelbach am schlimmsten betroffen war, befreite das THW 35 Fahrgäste aus einem Zug, der wegen der Wassermassen umzustürzen drohte. Öltanks kippten, wurden leck oder trieben auf dem Wasser.

In manchen Orten fiel der Strom aus. Bis zu 500 Häuser seien schwer beschädigt, sagte Beckstein, der sich in Baiersdorf ein Bild machte. Der Innenminister will sich am Dienstag in der Ministerrats-Sitzung für eine Pro-Kopf-Hilfe von mehreren hundert Euro einsetzen, meldet der BR.

Die Unwetterfront hatte sich vorher über Ober- und Niederbayern entladen. Aufgebaut hatte sie sich am Samstagabend gegen 18 Uhr über dem Allgäu. Von dort zog sie, begleitet von Sturmböen mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 100 Stundenkilometern, gen Nordosten.

Als erstes ging im Raum Landsberg am Lech und Starnberg ein gewaltiger Hagelschlag nieder. "In Apfeldorf fielen tennisballgroße Hagelkörner vom Himmel", sagte ein DWD-Sprecher. In Starnberg wurde eine Gärtnerei zerstört.

Auf den Bahnstrecken München-Garmisch und München-Augsburg blockierten umgestürzte Bäume die Gleise. Auf der Trasse von München nach Ingolstadt fiel nach einem Blitzschlag der Strom aus, bei Rohrbach blieb ein Zug mit 400 Reisenden liegen.

Sie mussten mehrere Stunden ausharren, bis eine Diesellok den Zug in den nächsten Bahnhof schleppte. Auf der Autobahn A 9 lag in Höhe des Autobahndreiecks Holledau der Verkehr darnieder. In Wiesenfelden (Kreis Straubing-Bogen) traf ein Blitz eine Scheune. Sie brannte nieder.

In Ober- und in Mittelfranken waren die Helfer nach Abklingen des Unwetters im Dauereinsatz. In Erlangen-Höchstadt wurden binnen fünf Stunden 2500 Notrufe registriert. Ein Polizeisprecher wunderte sich: "Die Leute waren relativ locker."

Unterdessen wurde Kritik am DWD laut. Ein Sprecher des Landratsamtes Erlangen-Höchstadt sagte, man habe in den vergangenen Tagen keinerlei Unwetterwarnungen erhalten.

© SZ vom 23.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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