Rechtsextremist unter Beobachtung:"Wiese genießt Märtyrerstatus"

Eigentlich soll der Rechtsextremist Martin Wiese seine Kameraden meiden, doch offenbar trifft er sie immer wieder auf Demos. Der Landshuter Richter Christoph Fellner äußert sich im SZ-Gespräch über den Fall.

Frederik Obermaier

Waffen und Sprengstoff waren bereits besorgt, als die Polizei 2003 zuschlug: Sie verhaftete den Neonazi Martin Wiese und seine Helfer. Sie hatten einen Anschlag auf das Jüdische Zentrum in München geplant. Wiese wurde dafür verurteilt, er saß seine Haft ab, seit August 2010 ist er wieder auf freiem Fuß - und schart bereits wieder Rechtsextreme hinter sich. Nach der Israelitischen Kultusgemeinde fordert nun auch die Münchner SPD härteres Durchgreifen gegen Wiese.

Der 35-Jährige ist in den vergangenen Wochen bei mehreren Neonazi-Treffen gesichtet worden, zuletzt am Ostermontag auf dem Münchner Marienplatz. Beobachter vermuten, dass Wiese Bayerns Neonazi-Kameradschaften vereinigen will - dabei hat er eigentlich Kontaktverbot zu einigen Rechtsextremen. Überwacht wird es vom Landgericht Landshut, weil der 35-Jährige mittlerweile im nahen Geisenhausen gemeldet ist. Die SZ sprach mit dem Landshuter Richter Christoph Fellner über den Fall Wiese.

Bis 2015, so entschied das Oberlandesgericht München, steht Wiese unter Führungsaufsicht. Was darf er, was nicht?

Es ist ihm verboten, mit seinen früheren Mittätern Alexander Maetzing, Karl-Heinz Statzberger und Thomas Johannes Schatt Kontakt aufzunehmen. Außerdem muss sich Herr Wiese regelmäßig bei seiner Bewährungshelferin melden.

Regelmäßig heißt wie oft?

Das hängt immer vom Einzelfall ab, Schwierige Probanden müssen selbstverständlich öfter vorbeikommen.

Und Martin Wiese ist so einer?

Er muss seine Bewährungshelferin mindestens ein mal pro Monat kontaktieren. Denn soweit ich das aus den Akten und Zeitungsberichten beurteilen kann, ist er weiterhin ein strammer Rechtsradikaler. Wiese genießt in der rechten Szene Märtyrerstatus, und das genießt er scheinbar.

Zuletzt wollen Zeugen Wiese am Ostermontag bei einer Mahnwache auf dem Marienplatz gesehen haben.

Man kann ihm leider den Kontakt zur rechten Szene nicht komplett verbieten, das würde sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzen. Ausschlaggebend ist letztlich der Kontakt zu seinen früheren Mittätern.

Und was zählt als Kontakt?

Wenn Herr Wiese Arm in Arm mit denen demonstriert oder mit ihnen plaudert, ist das sicher ein Verstoß gegen seine Auflagen. Wenn er aber bei einer Demonstration vorne und beispielsweise Herr Statzberger ganz hinten marschiert, dann ist das Abwägungssache.

Wer wägt das ab?

Am nähesten dran wäre sicherlich seine Bewährungshelferin. Aufsichtsstelle ist jedoch das Landgericht Landshut. Wenn der zuständige Richter handfeste Beweise hat, wird er Strafantrag stellen und die Staatsanwaltschaft dürfte dann, wenn sie die Auffassung teilt, Anklage erheben. Wiese müsste dann mit einer Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft rechnen. Das Problem ist allerdings, dass weder die Bewährungshelferin noch unsere Richter Herrn Wiese auf Schritt und Tritt folgen können. Wir sind daher auf Hilfe angewiesen.

Und wer könnte helfen?

Jeder, der etwas bekunden kann, sollte sich beim Landgericht Landshut melden und seine Aussage zu Protokoll geben. Am besten wären Beweisfotos.

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