CSU:Streit über "Radikalenerlass"

Im Fall um den rechtsextremen Richter am Amtsgericht Lichtenfels geht ein Riss durch die CSU-Staatsregierung: Innen- und Justizminister fordern eine "Gesinnungsprüfung" für Staatsanwälte und Richter, Ministerpräsident Seehofer nicht. Damit stellt er sich auf die Seite der Opposition.

Von Katja Auer, Frank Müller, Mike Szymanski und Wolfgang Wittl

Durch die CSU-Staatsregierung geht ein Riss bei der Frage, welche Konsequenzen aus dem Fall des rechtsextremen Richters Maik B. im oberfränkischen Lichtenfels zu ziehen sind. Im Gegensatz zu Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Winfried Bausback lehnt Ministerpräsident Horst Seehofer eine Rückkehr zum umstrittenen sogenannten "Radikalenerlass" wegen des Falls klar ab. "Ich glaube, wir sollten bei dem bleiben, was wir heute haben", sagte Seehofer am Montag während des Besuches einer Rüstungsfirma in Schrobenhausen.

Er erinnerte daran, dass es früher "heftigen Streit" über die "Gesinnungsprüfung" gegeben habe. Es sei zwar "betrüblich", wenn es ein Neonazi geschafft habe, sich in den Richterdienst einzuschleichen. Er habe aber Bedenken, wegen eines "Einzelfalls" einen solchen Eingriff vorzunehmen. Mit den Erkenntnissen, die er am Montag hatte, könne er keinen Systemfehler erkennen. "Wir haben eine erstklassige Verwaltung", sagte Seehofer. Er werde das Thema aber mit dem Kabinett an diesem Dienstag besprechen.

"Radikalenerlass" wurde 1991 abgeschafft

Der Ministerpräsident stellt sich damit ähnlich wie die Opposition gegen Überlegungen, zum "Radikalenerlass" zurückzukehren. Die Regelung aus den 1970er Jahren hatte Bayern eigentlich als letztes Bundesland im Jahr 1991 abgeschafft. Innenminister Herrmann hatte am Wochenende gefordert, diese sogenannte Regelanfrage für Beamtenanwärter wieder einzuführen. Die Behörden würden dann wieder für jeden einzelnen Bewerber beim Verfassungsschutz nachfragen, ob sich aus dem Lebenslauf des Kandidaten Bedenken hinsichtlich der Treueverpflichtung zum Staat ergeben.

Bausback unterstützte das am Montag zumindest für Staatsanwälte und Richter: "Ich bin dafür, dass wir jedenfalls für diesen Bereich eine Regelanfrage wieder einführen." Auch der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Landtag, der CSU-Abgeordnete Jürgen Heike, sprach sich dafür aus: "Wir sind ein zahnloser Tiger." Der Vorsitzende des Beamtenbunds, Rolf Habermann, verwies zwar auf den hohen bürokratischen Aufwand, zeigte sich aber bereit dazu, einen neuen Radikalenerlass mitzutragen. "Ich tendiere dazu, weil es um die höchstmögliche Sicherheit geht", sagte er.

Warum die Opposition so argumentiert wie Seehofer

Die Opposition, die das Thema mit Dringlichkeitsanträgen an diesem Mittwoch ins Landtagsplenum ziehen will, argumentiert dagegen inhaltlich ähnlich wie Seehofer, wenngleich natürlich schärfer. Sepp Dürr, der innenpolitische Sprecher der Grünen, hält eine Rückkehr zur Regelanfrage für "albern". Man könne doch nicht jedes Mal die Gesetze ändern, wenn Behörden schlampig arbeiteten, kritisierte Dürr. Maik B. war in die Justiz gelangt, obwohl beim Verfassungsschutz Hinweise auf dessen Vergangenheit vorlagen, von denen aber die Justiz nichts erfuhr.

Auch SPD-Innenexperte Franz Schindler hält Herrmanns Vorschlag nur für ein "Ablenkungsmanöver" vom möglichen Versagen der Sicherheitskräfte. Bei den Freien Wählern könnte man sich in bestimmten Fällen eine Rückkehr vorstellen. Einer grundsätzlichen Einführung stehe man allerdings skeptisch gegenüber, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer Florian Streibl. Man wolle nicht alle Beamten unter Generalverdacht stellen.

Die Freude über den neuen Richter war groß

In der Zwischenzeit mehren sich die Zeichen, dass die Justiz eine rasche Trennung von Maik B. anstrebt. Noch vor einem Jahr war in Lichtenfels die Freude groß über den neuen Richter. "Von Maik B. könnte man sagen, er wurde sehnsüchtig erwartet, denn das Amtsgericht Lichtenfels war die vergangenen Monate personell unterbesetzt." So formulierte es die Lokalzeitung, als bekannt wurde, dass ein neuer Richter sein Amt antreten würde.

Ein Jahr später freut sich kaum noch jemand über den jungen Richter, der inzwischen im Verdacht steht, ein Rechtsextremist zu sein. Justizminister Bausback sagte am Montag: "In der bayerischen Justiz ist kein Platz für Rechtsextremismus." Alle Verantwortlichen müssten "fest auf dem Boden unserer Verfassung stehen, und wenn Zweifel daran aufkommen, ob das bei einem unserer Richter oder Staatsanwälte der Fall ist, dann handeln wir".

Maik B. schwieg über seinen Hintergrund

Es ist die Ankündigung eines Rausschmisses, ohne dass Bausback es so nennen darf. Denn Maik B., derzeit nicht in Bayern, sei noch nicht angehört worden. Für ihn könnte der Abschied vom Amt schnell bevorstehen. An diesem Dienstag hat er einen Termin beim Präsidenten des zuständigen Oberlandesgerichts Bamberg. Die Ernennung eines Richters könne zurückgenommen werden, "insbesondere wenn er bei der Einstellung wesentliche Dinge nicht offenbart hat", drohte Bausback. Maik B. hatte seine Vergangenheit als Neonazi und Frontmann einer rechtsextremen Band im Einstellungsfragebogen verschwiegen. In Lichtenfels ist diese offenbar nicht weiter aufgefallen, seitdem Maik B. im Herbst 2013 nach Franken gezogen war.

Offiziell will am Gericht kaum jemand etwas sagen. Wer redet, der tut es nur, wenn er seinen Namen nicht preisgeben muss. Dann ist zu erfahren, dass Maik B. ein sympathischer Kerl sei, immer freundlich, ein guter Richter noch dazu. Von seiner Vergangenheit habe niemand etwas geahnt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: