Rechtsextremer Richter:Bayern wurde rechtzeitig gewarnt

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Seit einem Jahr arbeitet ein rechtsextremer Richter am Landgericht im oberfränkischen Lichtenfels. Bayerns Behörden wurden schon im Februar vom brandenburgischen Verfassungsschutz informiert.

Von Wolfgang Wittl, München

Die Affäre um einen offenbar rechtsextremistischen Richter aus Franken wird von diesem Montag an den Landtag beschäftigen. In einem Dringlichkeitsantrag fordert die Opposition Aufklärung darüber, wie der Mann eingestellt werden konnte, obwohl er seit mehr als zehn Jahren unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Sepp Dürr, der innenpolitische Sprecher der Grünen, wirft dem Innen- und Justizministerium massives Versagen vor. Es handele sich "um denselben Pfusch wie beim NSU-Skandal", kritisiert Dürr. Sollten sich die derzeitigen Informationen bestätigen, habe sich der Mann in die bayerische Justiz "eingeschlichen", ohne dass die Sicherheitsbehörden dagegen vorgegangen seien, sagt Franz Schindler, der innenpolitische Sprecher der SPD.

Seit etwa einem Jahr ist Maik B. als Richter auf Probe am Amtsgericht Lichtenfels tätig. Die Freude über seinen Dienstantritt war groß, das Gericht konnte personelle Verstärkung gut brauchen. Was offenbar niemand wusste: Der damals 28-Jährige kam nicht nur mit einem hervorragenden Examen frisch von einer Berliner Universität nach Bayern, sondern auch mit einer Vergangenheit als Neonazi. Als Frontmann der rechtsextremistischen Band "Hassgesang" soll B. Lieder mit volksverhetzenden und rassistischen Texten gesungen haben - zwei Alben landeten auf dem Index. Laut Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg soll B. überdies als Hintermann des 2012 verbotenen rechtsextremistischen Vereins "Widerstandsbewegung Südbrandenburg" fungiert haben. Auch wegen Körperverletzung soll er aufgefallen sein.

Ein Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums sagte dem Bayerischen Rundfunk, B. sei seit 2003 "praktisch jährlich im Verfassungsschutzbericht mit Erwähnung aufgetaucht". Und weiter: "Er ist ein aktiver Neonazi, tief in der Wolle gefärbt, mit nationalen und internationalen Kontakten." Als B. nach Franken zog, habe man die Kollegen vom bayerischen Verfassungsschutz im Februar dieses Jahres "umgehend darüber informiert". Ob und wie B. derzeit in der rechtsextremen Szene aktiv ist, ist ungewiss. Nach Ansicht von Fachleuten sei es schwer vorstellbar, dass sich eine Gesinnung in so kurzer Zeit ändere. Selbst wenn, sagt SPD-Mann Schindler, dann sei "die bayerische Justiz nicht als Aussteigerprogramm geeignet". Florian Streibl (Freie Wähler) fragt sich, wie der Staat mit den Erfahrungen aus dem NSU-Skandal solche Leute als Richter einstellen könne?

Justizministerium wusste nichts von B.s Vergangenheit

Das Justizministerium verweist darauf, keine Kenntnis von B.s Vergangenheit gehabt zu haben. Man fordere vor der Einstellung ein Führungszeugnis an und forsche erst bei Auffälligkeiten nach. Eine pauschale Regelanfrage beim Verfassungsschutz sei seit Jahren nicht mehr erlaubt, abgesehen von Einzelfällen. Diese Regelung stellt Innenminister Joachim Herrmann in Frage: "Meines Erachtens muss angesichts des aktuellen Falles ernsthaft überlegt werden, die Regelanfrage beim Verfassungsschutz für alle Beamten und Richter wieder einzuführen", sagte er der SZ. Das Amt für Verfassungsschutz bestätigte, über B.s Zuzug am 26. Februar 2014 informiert worden zu sein. Die Mitteilung habe aber keinen Hinweis auf eine angestrebte Tätigkeit im öffentlichen Dienst enthalten, davon habe man erst vor Tagen erfahren. Auch habe B. in Bayern nach bisherigen Erkenntnissen keine rechtsextremistischen Aktivitäten entfaltet. Die Opposition fordert von den Ministern Winfried Bausback (Justiz) und Herrmann umgehend Aufklärung.

© SZ vom 13.10.2014/wiw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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