Digitalisierung:Realschulen gehen mit gutem Beispiel voran

Einsatz digitaler Medien an einer Schule in München, 2017

An allen Realschulen in Bayern gibt es schon seit Jahren das Fach Informationstechnologie, einige bieten nun sogar eine freiwillige Abschlussprüfung an.

(Foto: Florian Peljak)
  • An acht Realschulen werden die ersten Schüler im kommenden Frühjahr ihre Abschlussprüfung im Fach Informationstechnologie (IT) schreiben.
  • Diese Realschulen sind damit auch den Gymnasien einen Schritt voraus, die Informatik als Pflichtfach erst noch einführen.
  • Der bayerische Realschullehrerverband plädiert für einen realistischen Umgang mit der Digitalisierung.

Von Anna Günther

Vom Nachbarn abzuschauen, ist in der Schule verpönt, lohnt sich aber trotzdem - sofern der Nachbar mehr weiß. Auf die bayerischen Schularten umgelegt, könnten die anderen von der Erfahrung der Realschulen bei der Digitalisierung durchaus profitieren.

Während Bildungspolitiker, Lehrer und Eltern noch über Sinn und Unsinn, Regeln, Ausstattung, Verbote sowie den richtigen Umgang mit digitalen Medien im Unterricht diskutieren und Informatik als Pflichtfach für alle am Gymnasium erst eingeführt wird, gehen acht Realschulen einen Schritt weiter: Im kommenden Frühjahr werden die ersten Buben und Mädchen ihre Abschlussprüfung im Fach Informationstechnologie (IT) schreiben. Zusätzlich zu Mathe, Deutsch, Englisch und dem Profilfach. Bereits seit 14 Jahren lernen alle Realschüler in Bayern zu programmieren, Texte am Computer zu verarbeiten oder technisches Design. Die Prüfung ist neu.

Die Schüler können entscheiden, ob die Note im Zeugnis stehen wird, noch ist die Prüfung freiwillig. Ministerium und Realschullehrerverband erhoffen sich davon eine Stärkung der Schulart und noch bessere Chancen für leistungsstarke Schüler auf dem Arbeitsmarkt oder an Fachoberschulen. Experten im Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) hatten Testaufgaben entworfen, die ausgewählte Neuntklässler an den acht Test-Schulen im vergangenen Frühjahr erstmals probeweise durcharbeiteten.

Einsatz digitaler Medien an einer Schule in München, 2017

An allen Realschulen in Bayern gibt es schon seit Jahren das Fach Informationstechnologie, einige bieten nun sogar eine freiwillige Abschlussprüfung an.

(Foto: Florian Peljak)

Die Buben und auch einige Mädchen wissen nun grob, wie Aufgabenstellungen aussehen könnten und werden in Repetitorien gezielt auf die Prüfung im Frühjahr 2019 vorbereitet. Zwei Stunden pro Woche wiederholen sie den gesamten IT-Stoff, denn je nach Zweig hatten Schüler unterschiedlich lange dieses Fach und haben unterschiedliche Themen durchgenommen.

Das Interesse an der freiwilligen IT-Abschlussprüfung war so groß, dass die acht Schulen auswählen mussten, wer am Repetitorium teilnehmen darf. In der Regel waren die Noten ausschlaggebend. Mittelmäßige Schüler ließ Oliver Meier gar nicht zu, damit diese sich nicht übernehmen. "Vier Abschlussfächer schöpfen das Potenzial vieler Schüler gut aus", sagt der Schulleiter der Realschule Wunsiedel. Ein fünftes Fach würde zu viele Kapazitäten binden. Obwohl er das Projekt "nicht zu offensiv" beworben hatte, sei der Andrang sehr groß gewesen.

Dagegen lässt Karl-Heinz Mathy, Chef an der Conrad-Graf-Preysing-Realschule in Plattling, neben den 21 Buben und sechs Mädchen im Repetitorium auch andere Schüler ohne Vorbereitung an der IT-Prüfung teilnehmen. Er setzt auf natürliche Auslese: "Wenn Kinder sagen, sie trauen sich das zu, dann klappt das auch. Schlechtere Schüler tun sich den zusätzlichen Stress nicht an." Der Testlauf fiel "repräsentativ" aus. Mathy war zufrieden, er will dem ISB realistische Ergebnisse rückmelden. Neben Plattling und Wunsiedel nehmen auch Realschulen in Freising, Königsbrunn, Bessenbach, Weiden, Ansbach und Neuburg an der Donau am Projekt teil.

Digitalisierung: Jürgen Böhm ist Vorsitzender des Realschullehrerverbands.

Jürgen Böhm ist Vorsitzender des Realschullehrerverbands.

(Foto: privat)

Für einen realistischen Umgang mit der Digitalisierung und für "Augenmaß" plädiert auch Jürgen Böhm, der Chef des bayerischen Realschullehrerverbands. "Digitalisierung um der Digitalisierung Willen ist ein Riesenproblem", sagt Böhm. Auf den Mehrwert für Lehrer und Schüler komme es an. Lesen bleibe Lesen, ob analog oder digital. Wenn aber schnelle Recherche im Netz oder Versuchsdarstellungen mit Videos im Unterricht sinnvoll seien, sollten diese genutzt werden. Böhm baute seine Realschule im niederbayerischen Arnstorf vor 13 Jahren mit dem Profil Digitalisierung neu auf. Ende Juli legte er seinen Job nieder, um mehr Zeit für Verbandspolitik und Beamtenbund zu haben.

In Arnstorf lernen Mädchen und Buben von der fünften Klasse an Informationstechnologie. "Die Grundlagen müssen so früh wie möglich gelegt werden, Schüler müssen lernen, sich souverän und kritisch in Netzwerken zu bewegen, müssen die Risiken und Chancen kennen und sinnvoll mit digitalen Medien umgehen können", sagt Böhm. Gezieltes Arbeiten mit Tablets oder Smartphones im Unterricht ist in Arnstorf seit Jahren üblich. In den Pausen bleibt Böhm dagegen streng: Das Handy muss ausgeschaltet sein. "Die Konzentration der Kinder ist eine Riesenfrage, die wir beachten müssen. Früher ist auch niemand aufgestanden und hat vom Klassentelefon aus die Eltern angerufen", sagt er.

Im Schulministerium will man mit diversen Offensiven Dynamik in die Digitalisierung der Schulen bringen: Fortbildungsoffensive für die Lehrer, mehr Geld für die Ausstattung der Schulen und die Ausbildung der Referendare, Informatik als Pflichtfach für alle Gymnasiasten. Wenn die Rahmenbedingungen wie Fortbildungen und moderne Ausstattung passen, ziehen Pädagogen mit, glaubt Böhm. Aber um überhaupt gute digitale Unterrichtsmaterialien erstellen zu können, bräuchten Lehrer deutlich mehr Zeit. Dafür bliebe engagierten Pädagogen derzeit oft nur das Wochenende. Wer diese Freizeit aber nicht investieren kann oder will, werde digitale Medien auch nicht im Unterricht einsetzen.

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