Reaktionen auf den Mollath-Gerichtsentscheid:Schwer nachvollziehbar

Gustl Mollath

Gustl Mollath.

(Foto: dpa)

"Ich glaube nicht, dass die Kammer der bayerischen Justiz damit einen Gefallen getan hat": Strafrechtler und Politiker aller Parteien reagieren empört auf die Ablehnung der Anträge zur Wiederaufnahme des Falls Mollath. Sie hoffen nun auf das Urteil höherer Gerichte.

Von Frank Müller und Olaf Przybilla

Ernüchtert und frustriert haben bayerische Politiker auf die neuen Entwicklungen im Fall Mollath reagiert. Über die Parteigrenzen hinweg stieß der Beschluss des Regensburger Landgerichts auf Unverständnis, kein neues Verfahren für den seit sieben Jahren gegen seinen Willen festgehaltenen Gustl Mollath zu starten. Besonders enttäuscht zeigten sich naturgemäß Mollaths Unterstützer.

Ministerpräsident Horst Seehofer sagte der Süddeutschen Zeitung, das Urteil der Richter sei zwar zu respektieren. Es sei nun aber um so wichtiger, dass nun schnell über die Rechtmäßigkeit der Unterbringung Mollaths entschieden werde. Dieses Verfahren ist noch in Bayreuth anhängig. "In dem Sachverhalt sind so viele Zweifel entstanden", sagte Seehofer, "es muss jeder Anschein vermieden werden, dass etwas unter den Teppich gekehrt wird."

Seehofer sprach sich ebenso wie sein FDP-Vize Martin Zeil auch für neue Regeln bei der Zwangsunterbringung aus. Zeil hatte gesagt, es sei dringend erforderlich, dass Zwangsunterbringungen künftig befristet würden und zwar gestaffelt nach der Schwere des Vergehens. "Und wir brauchen endlich ein viel engmaschigeres Netz an Kontrollen, um sicherzustellen, dass eine langjährige Unterbringung in der Psychiatrie nur in wirklich zwingenden Fällen erfolgt."

Bei der Opposition löste die Entscheidung der Justiz heftige Vorwürfe gegen die Nürnberger Generalstaatsanwaltschaft aus. Die habe den Wiederaufnahmeantrag der Regensburger Staatsanwälte so massiv abgeschwächt, dass eine Ablehnung vor Gericht die logische Folge gewesen sei. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude zeigte sich "bestürzt über diese Entscheidung, die mit Sicherheit das Unbehagen über diesen Fall noch weiter steigern wird". Das Rechtsempfinden der Bürger werde "zutiefst verletzt", sagte Ude.

Die Landtags-SPD kritisierte, dass das Gericht die Erkenntnisse des Mollath-Untersuchungsausschusses im Landtag nicht aufgegriffen habe. Das Gremium habe "eklatante Fehler der bayerischen Behörden im Umgang mit Herrn Mollath aufgezeigt und dargelegt", sagte Fraktionsexpertin Inge Aures. "Angesichts der vom Untersuchungsausschuss herausgearbeiteten Rechts- und Verfahrensfehler ist der Gerichtsbeschluss schwer nachvollziehbar."

Die Abläufe weckten den Verdacht, dass die Staatsanwaltschaft gar keine erfolgreiche Wiederaufnahme wollte, sagte der Rechtsexperte der Freien Wähler, Florian Streibl, im Landtag. Das Urteil eines unabhängigen Gerichts müsse zwar hingenommen werden, fügte Streibl hinzu. "Dennoch ist dieser Richterspruch eine weitere Perle des Schreckens im Rosenkranz, der sich um Gustl Mollath windet."

Grünen-Fraktionschef Martin Runge meinte: "Einer der größten bayerischen Justiz- und Politikskandale erlebt nun seine Fortsetzung." Nun bleibe nur die Hoffnung auf eine Korrektur durch das Nürnberger Oberlandesgericht oder durch das Bundesverfassungsgericht.

Mollath-Anwalt Strate zeigt sich wenig überrascht

Der Regensburger Strafrechtsprofessor Henning Ernst Müller zeigte sich "erschüttert" über die Entscheidung, zumal er sich einen Tag zuvor noch optimistisch geäußert habe über die Erfolgsaussichten der beiden Anträge. Das Gesamtbild des Mollath-Verfahrens sei aus seiner Sicht "so erschreckend", dass er sich keine andere Entscheidung als eine Wiederaufnahme habe vorstellen können. Das Gericht habe offenbar "größte Anstrengungen" darauf verwendet, um die Wiederaufnahmegründe Punkt für Punkt zu widerlegen.

Müller hatte sich schon vor Monaten in den Fall eingearbeitet und erklärt, er habe ein derlei fehlerhaftes Verfahren zuvor nicht für möglich gehalten. Dass man einzelne Wiederaufnahmegründe ablehnen könne, sei diskutabel. Für die Ablehnung der Anträge als Ganzes aber habe er kein Verständnis. "Ich glaube nicht, dass die Kammer der bayerischen Justiz damit einen Gefallen getan hat", sagte Müller. Über die Gründe der Ablehnung könne er nur spekulieren. Möglicherweise habe das Gericht das Ziel verfolgt, "unbedingt die richterliche Unabhängigkeit" unter Beweis zu stellen.

Entsetzt äußerte sich auch Erich Stephany, Mitorganisator einer Großkundgebung in Nürnberg. Auf dem Kornmarkt soll dort am Samstag eine Veranstaltung unter dem Motto "Recht und Freiheit für Gustl Mollath" stattfinden. Als Redner sind unter anderem Vertreter der Opposition vorgesehen. Er sei fassungslos, sagte Stephany, ihm habe "es fast den Schalter rausgehauen", als er von der Entscheidung gehört habe.

Weniger überrascht äußerte sich Mollath-Anwalt Gerhard Strate. Das Urteil "bestärkt mich eher in meiner Urteilskraft", sagte Strate. Schließlich habe er schon vor Wochen aufgrund des zögerlichen Verhaltens des Regensburger Gerichts darauf hingewiesen, "dass von dieser Kammer nichts anderes als eine Ablehnung" zu erwarten sei.

Mit den Beschwerden gegen die Entscheidung wird jetzt das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) befasst sein. Zuständig ist die 1. Strafsenat unter dem Vorsitzenden Richter Bernhard Wankel. Dieser muss darüber befinden, ob die Entscheidung über die Zulässigkeit der Anträge richtig war. Ist das seiner Auffassung nach nicht der Fall, muss der Senat zusätzlich darüber befinden, "ob er selbst eine Sachentscheidung treffen kann oder der Verfahren ans Landgericht zurückverweist", erläutert OLG-Sprecher Michael Hammer. Auch ob bei einem Zurückverweisen erneut die 7. Strafkammer des Landgerichts Regensburg zuständig wäre, habe das OLG gegebenenfalls erst zu entscheiden.

Gustl Mollath wollte am Mittwoch keine Stellungnahme abgeben. Mollath ließ das Bayreuther Klinikpersonal ausrichten, die Geschehnisse seien "heute zu viel" für ihn.

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