Reaktion auf rechte Parolen:"Augsburg ist bunt"

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Als die Ordnungskräfte eingreifen, schweigen auch die AfD-Gegner nicht länger - sondern protestieren. (Foto: Imago)

Während AfD-Chefin Frauke Petry im Rathaus redet, steht ein Dutzend Protestierer auf - und schweigt

Von Stefan Mayr, Augsburg

Es gab einen Eklat im Rathaus. Es gab Zusammenstöße zwischen linken und rechten Gruppen auf der Straße, die von den zahlreichen Polizeikräften im Keim erstickt wurden. Es gab eine symbolische Stadtratssitzung. Doch die eigentliche Nachricht eines aufgeregten Freitagabends im Herzen der Stadt Augsburg ist wohl: Um gegen den Auftritt der AfD-Politikerin Frauke Petry im Rathaus zu protestieren, versammelten sich an die 3000 Menschen zu einer friedlichen "Mahnwache gegen Rechts".

Die Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei hielt auf dem Neujahrsempfang der zwei AfD-Stadträte eine knapp halbstündige Rede. Diese wurde gestört von einem Dutzend Personen, die sich schweigend auf ihre Stühle stellten. Sie trugen T-Shirts mit Aufschriften wie "Augsburg ist bunt" und "Rassismus hat viele Gesichter . . . aber alle sind hässlich". Während Petry zunächst mehr oder weniger unbeirrt weiter redete, wollten sich ihre Zuhörer die Aktion der jungen Protestierer nicht gefallen lassen. Einige versuchten, die stehenden Personen vom Stuhl zu zerren oder zu stoßen. Einer rief: "Linke Zecken raus!" Frauke Petry bat die Zuhörer beschwichtigend um "ein bisschen Geduld" und schlug vor, die Störer einfach stehen zu lassen. Vergeblich. Immer wieder kam es zu verbalen und tätlichen Attacken gegen die zunächst schweigend dastehenden Protestierer. Nach einigen Minuten schritt der private Sicherheitsdienst ein und brachte die AfD-Gegner aus dem Saal. Diese verließen den Raum mit lauten Protestrufen.

Danach setzte Petry ihre Rede fort. Dabei ging sie mit keinem Wort auf ihre umstrittenen Äußerungen zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge ein - weder beschwichtigend noch bekräftigend. Petry hatte in einem Zeitungsinterview gesagt: "Er (der Grenzpolizist, Anm. d. Red.) muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen." Eine Distanzierung von dieser Aussage gab es während des Empfangs von keinem Redner. Im Gegenteil: Der bayerische AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron warf der Presse vor, sie habe Petrys Aussage bewusst aus dem Zusammenhang gerissen und falsch dargestellt.

Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) hatte aufgrund des Interviews versucht, Petrys Rede im Rathaus mit einem Hausverbot zu verhindern. Doch das Verwaltungsgericht kassierte dieses Verbot mit dem Hinweis auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Gribl wurde für sein Vorgehen kritisiert, auch aus der eigenen Partei. Gribl habe ein verheerendes Signal ausgelöst, hieß es: Eine Rechtspopulistin muss ein Gericht um Rechtsschutz vor einem CSU-Oberbürgermeister bitten - und bekommt Recht. Gribl seinerseits betonte, er habe aus Überzeugung Widerstand leisten müssen. "Die Zeiten, in denen es möglich oder vertretbar ist, wegzuschauen, sind vorbei", sagte er. Gribl hatte als Gegenveranstaltung zu Petrys Rede eine Etage höher eine Sonder-Stadtratssitzung anberaumt. Dabei sagte der Augsburger Friedenspreisträger Helmut Hartmann: "Ich habe Angst, weil redegewandte Redner als Brunnenvergifter versuchen, die öffentliche Meinung zu manipulieren."

Der Sieg vor Gericht brachte Frauke Petry zusätzliche Aufmerksamkeit. Es waren mehr Journalisten anwesend als bei den Neujahrsempfängen der CSU und SPD zusammen - obwohl da Markus Söder und Sigmar Gabriel sprachen. Petrys Rede war ein Rundumschlag gegen die Regierung und AfD-Kritiker. Sie werde oft gefragt, warum sie so wenig Mitgefühl habe, sagte sie. Mitgefühl sei ihr wichtig, betonte Petry, aber in der Flüchtlingsfrage sei "Staatsräson" gefragt, "und diese vermissen wir schmerzlich". Was genau sie unter Staatsräson versteht, sagte sie nicht. Sie nannte auch keine konkreten Vorschläge zur Lösung der Flüchtlingskrise.

Bei der Mahnwache vor dem Rathaus ließen Menschen weiße Luftballons mit der Aufschrift "Amore statt Peng Peng" in den Himmel steigen. Die Demonstranten hielten Plakate hoch mit Sprüchen wie "Schämen Sie sich, Frau Petry".

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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