Rauchverbot: Ausnahme in Nürnberg:Die letzten Qualmer

Seit August wird in Bayerns Gaststätten nicht mehr geraucht. In allen? Nicht ganz. In der Nürnberger "Casa del Habano" genießen die Gäste weiter ihre Havannas - und die Stadt unternimmt nichts dagegen.

Olaf Przybilla

So also sieht es aus, das strengste Rauchverbot in Deutschland. Es ist Montagabend, in Nürnberg nieselt es und im zweiten Stock der Casa del Habano steckt sich ein Geschäftsmann aus Düsseldorf gerade eine gute Havanna an. "Mein Gott, ist das schön", sagt er zu seinem Kollegen, den man auch durch den Qualm noch einigermaßen gut erkennen kann. Worauf genau sich dieser Ton tiefer Zufriedenheit bezieht, ist nicht ganz trennscharf auszumachen. Es geht wohl um den Blick aus dem zweiten Stock, die Nürnberger Frauenkirche gleich gegenüber, schon wunderbar.

Closing-Party wegen Rauchverbots

Eigentlich darf seit dem 1. August in bayerischen Gaststätten nicht mehr geraucht werden. Doch nicht alle halten sich daran.

(Foto: ddp)

Aber die eigentliche Sehenswürdigkeit, findet zumindest der Düsseldorfer, "das ist diese Raucherlounge am Nürnberger Hauptmarkt". Immer wenn er in Franken Geschäfte machen will, und er will das oft, kommt er hierher. Auch am ersten Tag nach dem totalen Rauchverbot in Bayern.

Man würde nun erregt telefonierende Tischnachbarn erwarten, aber in den lauschigen Sitzecken nebenan haben sie anderes zu tun, dort wird geraucht. Man könnte sich auch eine nervöse Wirtin vorstellen, mit dem Gesundheitsgesetz unter dem Arm. Aber Christine Klever hat es sich bequem gemacht bei den beiden Düsseldorfern und steckt sich gerade eine Havanna an.

In ihrer Wirtschaft hängen Schwarz-Weiß-Fotos von Fidel Castro und Che Guevara, man könnte den Qualm als kalkulierten Rechtsbruch deuten. Darum aber geht es Klever nicht. Vielmehr ist es so, dass Robert Pollack der Wirtin zugesichert hat, dass er nach Lage der Dinge nichts dagegen unternehmen wird, sollte in der Lounge an Nürnbergs zentralem Platz auch nach dem 1. August noch gequalmt werden. Und Pollacks Wort hat Gewicht: Er leitet das zuständige Ordnungsamt in Nürnberg.

Die Geschichte von Christine Klever ist eine dieser Geschichten am Rande, die sich zutragen, wenn sich irgendwo etwas Grundsätzliches ändert. Wer Klever an diesem Abend beobachtet, die Zigarre in der Hand mit den Düsseldorfern parlierend, bekommt den Eindruck einer zufriedenen Frau. Wer aber vor vier Wochen mit ihr sprechen wollte, am Tag nach dem Volksentscheid, der bekam sie höchstens ans Telefon. Zwei Tage lang fühlte sie sich nicht in der Lage, ihre Wohnung zu verlassen. Am Telefon konnte man eine Frau hören, die sagte: "Ich habe die ganze Nacht geweint. Gestern haben sie meinen Lebenstraum zerstört."

Nur ein Viertel des Umsatzes mit Häppchen

Vor drei Jahren hat Klever ihre Casa del Habano geöffnet, gefeiert wurde die einzige von Kuba lizenzierte Zigarrenlounge in Bayern. Der Laden lief prächtig, und das lag sicher nicht nur an den prominenten Gästen aus den benachbarten Häusern, dem Rathaus und der Handelskammer. Es lag gewiss auch nicht nur daran, dass Markus Söder, der CSU-Chef von Nürnberg, hier gerne mit Freunden seine Freizeit verbrachte.

Es dürfte die Art des Arrangements sein, die das Haus am Schönen Brunnen so beliebt macht beim Publikum: Auf zwei Stockwerken kann man exklusive Zigarren und Zigarillos aus der Karibik ordern, das Stück für fünf bis 400 Euro. Die Ware lagert in begehbaren Humidoren, Klimakammern mit geregelter Luftfeuchtigkeit. Eine Entlüftungsanlage saugt einen großen Teil des Tabakqualms ab und schickt ihn durch Filter in den Nürnberger Himmel. Mehrere zehntausend Zigarren lagern in den Kammern, insgesamt hat Christine Klever wohl eine Million Euro in ihren Laden gesteckt. Es dauerte keine Woche nach dem Volksentscheid, bis sich ihre Bank meldete. Man sei besorgt, ließ das Haus wissen.

Klever hat sich dann doch aufgerafft und einen Anwalt um Rat gebeten. Der bereitet nun ein Klage vor, aber sicher ist es nicht, ob das Bundesverfassungsgericht oder der Bayerische Verfassungsgerichtshof über den Fall entscheidet. Klevers Anwalt argumentiert so: Zwar falle die Lounge unter das Gaststättengesetz, es gilt also das Rauchverbot. Frau Klever aber fühle sich nicht als Wirtin, denn nur ein Viertel des Umsatzes erzielt sie in ihrer Bar mit dem Verkauf von Drinks und Häppchen. Der weitaus größere Teil entfällt auf den Verkauf von Tabak.

"Wir haben keine Ausnahmegenehmigung erteilt", das ist Robert Pollack wichtig, er sagt den Satz ziemlich oft in einem Gespräch. Trotzdem will das Ordnungsamt Nürnberg nicht eingreifen am Hauptmarkt. Den Fall Klever deutet der Amtsleiter als eine Frage der Güterabwägung. "Was machen wir kaputt, wenn wir das Rauchverbot durchsetzen? Und wie sehr schaden wir dem Bürger, wenn wir es nicht durchsetzen?" Bis zu einer möglichen höchstrichterlichen Entscheidung darf in der Lounge geraucht werden. Pollack muss sich allerlei anhören deshalb, auch über eine angebliche "Bevorzugung eines Promi-Schuppens".

Friedrich Reißer findet das Argument albern. Der Familienvater ist aus Württemberg in die Lounge gekommen, er macht das mit Passion. So etwas wie in Nürnberg finde er sonst nirgendwo, sagt Reißer. Er bezeichnet sich als "strikten Nichtraucher", zumindest was den Konsum von Zigaretten betrifft. Das scheint im übrigen auf viele Gäste zuzutreffen. Die beiden Düsseldorfer aus der Sitzecke rauchen nicht. Die Frau aus Fürth, die sich hinzugesellt hat, raucht nicht. Der Musikstudent aus Weimar, er hockt an der Bar, raucht ebenfalls nicht. Alle sind sie für ein Rauchverbot, grundsätzlich.

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