Rauchverbot am Arbeitsplatz:Kippen aus!

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Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine rauchfreie Umgebung - da ist die Rechtslage klar. Bisher lösten dies viele Firmen, indem sie Raucherräume anboten. Doch diese verschwinden nach und nach. Bei manchen Unternehmen gibt es jetzt dafür Entwöhnungskurse.

Von Franziska Gerlach

Szene aus der TV-Serie "Mad Men". Damals, in den Sechzigerjahren, war qualmen im Büro etwas ganz Normales. (Foto: Warner Bros.)

Qualmen im Büro: Das war einmal. Immer mehr Firmen verbannen den blauen Dunst aus ihren Gebäuden: Und die einen mögen gejubelt haben, als der stinkende Aschenbecher vom Schreibtisch des Kollegen verschwand; die anderen dagegen haben sich darüber geärgert, in einen zugigen Raucher-Unterstand verbannt zu werden. Spätestens seit im August 2004 die Arbeitsstättenverordnung geändert wurde, sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, rauchfreie Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Einige Firmen richteten ihren rauchenden Mitarbeitern deshalb eigens mit Abluftanlagen versehene Raucherzonen im Gebäude ein.

Doch auch diese weichen mancherorts, was zur Folge hat, dass Zigarettenpausen ausschließlich draußen stattfinden. Beim Rückversicherungskonzern Munich Re darf seit 2008 nicht mehr in der Cafeteria, sondern nur noch im Garten geraucht werden, auch die Mitarbeiter des Brillenherstellers Rodenstock müssen zum Rauchen raus. Bei Konen gehen die Mitarbeiter auf den Balkon, und beim deutschen Ableger von Microsoft in Unterschleißheim herrscht absolutes Rauchverbot. Für deutsche Verhältnisse vergleichsweise früh, nämlich im Jahr 1987, gab der Bayerische Rundfunk eine Dienstanweisung zum Nichtraucherschutz aus, die ähnliche Punkte aufwies wie das generelle Rauchverbot, das seit November 2006 beim BR gilt. Es betrifft alle geschlossenen Räume, inklusive Kantinen und Dienstfahrzeuge.

Prävention in den Schulen

Für Freunde des blauen Dunstes wird die Luft seit geraumer Zeit zunehmend dünner. Zum Schuljahr 2006/2007 wurde für staatliche Schulen in Bayern per Gesetz ein striktes Rauchverbot erlassen, an das sich Lehrer wie Schüler halten müssen, auch wenn Letztere bereits über 18 Jahre alt sind. "Natürlich muss dies weiterhin durch verhaltenspräventive Maßnahmen unterstützt werden", sagt Kathrin Gallitz vom Kultusministerium. Längst hat das Thema Sucht Eingang in die Lehrpläne gefunden, Projekte wie "Be Smart - Don't Start" sollen Schüler auf die Gefahren des Rauchens aufmerksam machen.

Auch bei BMW setzt man auf Prävention. Das Unternehmen hat eine Broschüre mit Tipps zur Rauchentwöhnung erstellen lassen, im Intranet steht außerdem ein Online-Coaching bereit, das Mitarbeitern helfen soll, dem Nikotin zu entsagen. Wie andernorts auch, war es bei dem Automobilhersteller der Betriebsrat, der die Änderungen der Arbeitsstättenverordnung in einer Betriebsvereinbarung mit der Unternehmensleitung umgesetzt hat. Ziel war, "die nicht rauchenden Mitarbeiter vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen und gleichzeitig eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der rauchenden Mitarbeiter zu erreichen", wie es in dem Schriftstück heißt.

Geraucht werden darf bei BMW heute nur noch in eigens vor den Gebäudeeingängen ausgewiesenen Zonen sowie in speziellen Raucherräumen. Die Zigarettenlänge geht von der verfügbaren Pausenzeit weg. "Wenn die Arbeit für das Rauchen unterbrochen wird, ist das genauso als Pause zu dokumentieren wie alle anderen Pausen auch", sagt auch Johanna Weber, Sprecherin von Munich Re. Der Mitarbeiter muss dann ausstempeln.

Bei Siemens gibt es keine einheitliche Regelung in Sachen Rauchverbot, hier trifft die jeweilige Standortleitung Absprachen mit dem zuständigen Betriebsrat. Die Raucher unter den etwa 500 Siemens-Mitarbeitern am Wittelsbacher Platz können sich an insgesamt drei "Smoke Stations" eine Zigarette genehmigen - oder draußen. Ihre Rauchzeit müssen sie aber nicht von der Pause abziehen. Warum auch, fragt der Siemens-Betriebsratsvorsitzende am Wittelsbacher Platz, Helmut Winnerl. "Brüht sich ein Mitarbeiter einen Tee, kommt ja auch keiner auf die Idee, dass dies als Pausenzeit zu verbuchen ist."

Rauchen am Arbeitsplatz: Viele wollen sich noch nicht mit dem Verbot abfinden und protestieren im Internet. (Foto: DPA)

Auch das häufig bemühte Argument, dass Raucher länger Pause machen und sich beim Zigarettenplausch gegenseitig von der Arbeit abhalten, kann Winnerl so nicht bestätigen. Im Gegenteil: Er habe schon häufig beobachtet, wie Mitarbeiter, den Blackberry in der Hand, sich beim Rauchen über Geschäftliches ausgetauscht hätten. Wenn der Neubau des Gebäudekomplexes, den sich Siemens gerade am Wittelsbacher Platz errichten lässt, weiter fortgeschritten ist, werde man das Thema Rauchen "neu verhandeln müssen", sagt Winnerl. Die drei "Smoke Stations", so glaubt er, könnten dann wegfallen.

Auch wenn so manches Unternehmen durchaus Verständnis für seine Raucher aufbringt, an einer konsequenten Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen kommen die Firmen nicht vorbei, denn: Bei Beschwerden droht ein Besuch vom Gewerbeaufsichtsamt. Wie Stefan Frey, Sprecher der Regierung von Oberbayern, erklärt, kommt es in München aber so gut wie nie zu Verstößen gegen die Auflagen und gar Geldbußen. "Und wenn, dann handelt es sich dabei um kleinere Betriebe, deren Chef selbst Raucher ist."

Wut entlädt sich im Internet

Der Groll auf Chefs, die Raucher nach draußen schicken, entlädt sich eher dort, wo nicht mit unmittelbaren Konsequenzen zu rechnen ist: in den anonymen Weiten des Internets. In einschlägigen Foren entbrennt die Debatte über den Glimmstängel noch immer in schöner Regelmäßigkeit, selbst die Piraten räumen dem Thema auf ihrer Internetseite Platz ein. Dort liefern sich Raucher, die auf Selbstbestimmung beharren, ein Wortgefecht mit Vertretern der Anti-Raucher-Lobby. Letztere argumentiert gerne, Raucher belasteten das Gesundheitssystem mit hohen Kosten.

Doch zumindest die Techniker Krankenkasse (TK) erteilt dazu eine andere Auskunft. "90 Prozent der Versicherungskosten werden in den letzten fünf Lebensjahren verursacht, wodurch ist unerheblich", sagt TK-Sprecherin Kathrin Heydebreck. Der Weg zu weniger Rauchern führe über die Prävention. Bei Firmen sei die Nachfrage nach Kursen zur Rauchprävention allerdings in letzter Zeit zurückgegangen, gewünscht seien andere Angebote. "Durch Stress und Rückenprobleme verursachte Ausfälle schlagen sich messbar auf die Produktivität eines Unternehmens nieder", sagt Heydebreck. Das Interesse der Firmen, gegen diese Krankheitsbilder vorzugehen, sei deshalb größer als gegen das Rauchen.

Eine Statistik über die Zahl der Raucher führen die meisten Firmen nicht, es gibt sie aber wohl noch überall. Lediglich ein früherer Mitarbeiter von Amazon ist der Ansicht, am Münchner Standort der einzige Raucher gewesen zu sein. Gestört hat das den Mann, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, seinerzeit aber nicht. "Durch das überzogene Rauchverbot in Bayerns Gaststätten haben die Leute mittlerweile gelernt, dass man raus muss. Außerdem kenne ich keinen Raucher, der in einem vollgequalmten Raum arbeiten möchte."

© SZ vom 29.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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