Raubmord in Bad Reichenhall:Rätseln über das Motiv

Raubmord von Bad Reichenhall

Ein Feuerwehrmann und Polizisten stehen am 14.07.2014 an der Einsatzstelle in Bad Reichenhall.

(Foto: dpa)

Justiz und Polizei sind sich sicher, den Mann gefasst zu haben, der in Bad Reichenhall einen Rentner getötet und ein Mädchen schwer verletzt haben soll. Die Frage nach seinem Motiv ist noch offen.

Von Heiner Effern, Bad Reichenhall

Die Flucht nach Norwegen endete auf einer Landstraße nahe Trondheim. Der 20 Jahre alte Christoph R. war dort am Dienstag um 17.38 Uhr mit Rucksack und Schlafsack als Wanderer unterwegs, als er einer Streife auffiel. Der Abgleich mit dem internationalen Fahndungsfoto ergab einen Treffer: Vor den Polizisten stand der junge Mann aus Rheinland-Pfalz, der in Bad Reichenhall am 14. Juli einen 72 Jahre alten Mann mit einem Messer brutal getötet und kurz darauf ein 17 Jahre altes Mädchen lebensgefährlich verletzt haben soll. Er ließ sich widerstandslos festnehmen und nannte seinen wirklichen Namen. Am Dienstagabend herrschte Gewissheit: Christoph R. war zweifelsfrei identifiziert.

Die Staatsanwaltschaft Traunstein und die Mitglieder der "Sonderkommission 14. Juli" sind sich sicher, nun den richtigen Täter gefasst zu haben. Gegen ihn besteht Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Mordes sowie Raub und Körperverletzung. Eine Vernehmung sei noch nicht erfolgt, sagte Soko-Chef Hans-Peter Butz. Man bemühe sich nun um die Auslieferung.

18 Zentimeter lange Klinge

Nach den zähen, auch von Rückschlägen geprägten Ermittlungen in den ersten zwei Wochen ging es am Ende schnell. Am 29. Juli wurde in einem Gebüsch die Tatwaffe gefunden: ein Kampfmesser mit 18 Zentimeter langer Klinge. Die Hochstaufen-Kaserne der Gebirgsjäger rückte in den Fokus der Ermittler. Nach ersten Vernehmungen von Stubenkameraden und anderen Soldaten fiel der Verdacht auf den Obergefreiten Christoph R., der seit 1. April 2013 bei den Gebirgsjägern einen freiwilligen Militärdienst leistet.

Bei der Durchsuchung seiner Stube am vergangenen Sonntag fanden die Ermittler im Spind blutbefleckte Kleider und eine leere Messerscheide, die zur Tatwaffe passt. Sofort veranlasste DNA-Tests in der Münchner Rechtsmedizin ergaben, dass das Blut von den beiden Opfern stammte. Von Montagmorgen an folgten die Ermittler den Spuren des mittlerweile verschwundenen Soldaten.

Christoph R. trat nur wenige Stunden nach den beiden brutalen Überfällen in der Nacht des deutschen WM-Siegs regulär seinen Dienst in der Gebirgsjägerkompanie 231 an. Von dort fuhr er mit Kameraden zum Truppenübungsplatz Hammelburg in Unterfranken. Am Freitag endete dieser Einsatz, danach fuhr Christoph R. wohl mit dem Zug in seine Heimat Morbach im Landkreis Bernkastel-Wittlich.

Zwei schwere Rückschläge

Am folgenden Montag, 21. Juli, erschien Christoph R. nicht zum Dienst in Bad Reichenhall. Das machte ihn damals noch nicht verdächtig, weil er ordnungsgemäß eine Krankmeldung eingereicht habe, sagt ein Sprecher der Bundeswehr. Die Ermittler fanden im Nachhinein heraus, dass der 20-Jährige am 22. Juli bereits nach Frankfurt fuhr, um von dort nach Norwegen zu fliegen.

Exakt an diesem Tag veröffentlichte die "Soko 14. Juli" ein Phantombild des Täters. Zwei Tage später wähnten sich die Polizisten vor dem Durchbruch: Mehrere Zeugen glaubten Alexander G., 21, zu erkennen. Ein Spezialeinsatzkommando nahm den Mann fest. Dessen Ähnlichkeit mit dem Phantombild sei "verblüffend", sagte ein Polizeisprecher.

Profiler nahmen die Spur des Verdächtigen auf

Doch Alexander G. stritt die Verbrechen ab. In den Tagen danach musste die Soko zwei schwere Rückschläge hinnehmen. Bei einem Fototest konnte ihn das verletzte Mädchen nicht als ihren Peiniger identifizieren. Zudem fanden sich an der Tatwaffe Spuren beider Opfer, aber keine des Verdächtigen.

Am vergangenen Wochenende wurden die Zweifel zur Gewissheit: Alexander G. ist unschuldig, er wurde am Montag aus der Untersuchungshaft entlassen. Profiler des Landeskriminalamtes hatten da schon die Spur des neuen Verdächtigen Christoph R. nach Norwegen aufgenommen.

Dort war der 20-Jährige schon während der ersten Tage seines Aufenthalts von der Polizei folgenlos beim Wandern kontrolliert worden. Deshalb wurde er in der Region Trondheim vermutet. Dass er nicht einmal zwei Stunden nach dem Verschicken des internationalen Haftbefehls ergriffen wurde, war "das Glück der Tüchtigen", sagt Soko-Chef Butz.

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Das Motiv für die beiden äußerst brutalen Überfälle ist nach wie vor unklar. Sein Facebook-Profil zeigt R. als jungen sportbegeisterten Mann, der gerne klettert. Wie viele Soldaten mag er offensichtlich Militärfilme und Computerspiele, in denen geschossen wird. Ein Trauma nach einem Auslandsaufenthalt sei auszuschließen, sagte der Bundeswehrsprecher.

Der Obergefreite sei nie bei einem Einsatz dabei gewesen. Der Polizei ist er bisher nur im Zusammenhang mit einem kleinen Diebstahl in Rheinland-Pfalz aufgefallen. Einen Bezug zu den Opfern hatte er wohl nicht. Die beiden sind "zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen", sagt Wolfgang Giese, Chef der Traunsteiner Staatsanwaltschaft. Der mutmaßliche Täter ist gefasst, die Frage nach seinem Motiv ist noch offen.

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