Raubkatzen im Bayerischen Wald:Bermuda-Dreieck für Luchse

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Luchse sind im Bayerischen Wald wieder heimisch. (Foto: dpa)

Die Natur ist in Bayern so intakt, dass Luchse eigentlich in den Wäldern heimisch werden müssten. Doch die Ausbreitung der scheuen Raubkatzen stagniert im Bayerischen Wald. Forscher vermuten: Die Tiere wurden ums Leben gebracht.

Von Christian Sebald

"Nein", sagt der freundliche Beamte der Polizeiinspektion Regen am Telefon, "wir haben keine Erkenntnisse." Dann verweist er einen an das Polizeipräsidium in Straubing. Dort würden sie alle weiteren Fragen beantworten, zu dem toten Luchsweibchen das Spaziergänger Anfang Mai am Silberberg bei Bodenmais entdeckt haben.

Der Täter hatte die Raubkatze, die kurz vor der Geburt von drei Jungen stand, mit einer Schrotflinte erschossen und direkt an einem belebten Wanderweg abgelegt - so als wollte er ein makabres Zeichen setzen dagegen, dass sich die Luchse weiter ausbreiten im Bayerischen Wald.

Natürlich war der Aufschrei bei Tierschützern und Umweltverbänden groß. Luchse sind streng geschützt, wer einen tötet, begeht eine Straftat. Von einer "erbärmlichen Schandtat" war die Rede, von "skrupelloser Wilderei". Und die Initiative "Unser Luchs" fordert, dass die Polizei endlich konsequent ermittelt. Schließlich war es bereits die zweite Luchsin, die binnen Jahresfrist gewildert worden war. Im April 2012 vergiftete ein Unbekannter bei Rinchnach die Luchsin Tessa Ihren Kadaver fand man seinerzeit nur, weil Tessa Teil des Luchs-Forschungsprojekts im Nationalpark Bayerischer Wald war und daher einen Sender trug. Als sie sich nicht mehr regte, schickte der eine Art Notruf aus, sodass die tote Tessa alsbald gefunden wurde.

In all die Aufregung hinein haben der Wildbiologe Marco Heurich, der das Luchs-Projekt im Nationalpark leitete, und der frühere Nationalparkchef Karl Friedrich Sinner jetzt ihr opulentes Werk "Der Luchs - die Rückkehr der Pinselohren" veröffentlicht. Der prächtig bebilderte Band zieht Bilanz über zehn Jahre Luchsforschung im Nationalpark. Aber nicht für Wissenschaftler. Sondern für Naturliebhaber und Tierfreunde, für den interessierten Laien also.

Der Grund dafür ist eine politische Botschaft. Wenn es um die Rückkehr der Luchse geht, so lautet das Credo von Heurich und Sinner, kommt es auf die Menschen an. Und zwar nur auf die Menschen. Sie müssen die Luchse im Bayerischen Wald genauso wie anderswo nur in Ruhe lassen, dann werden diese sich alsbald Revier um Revier erobern und Natur und Landschaften hier bereichern.

So wie das ja auch die Staatsregierung will. "Ziel ist eine vitale Luchspopulation, die ihren Lebensraum selbst wählt", heißt es ihrem Luchs-Plan von 2008. "Sie besiedelt alle geeigneten Lebensräume Bayerns." Die gibt es mannigfach. Natur und Umwelt im Freistaat sind so intakt, dass es von daher keinen Grund gegen eine Rückkehr der Luchse gibt - zumal sie extrem scheu sind und keine Gefahr für den Menschen darstellen.

Wenn sich also die Raubkatzen seit ihrer Wiederansiedlung in den 1980er Jahren nicht weiter ausbreiten, hat das mit den Menschen zu tun. Genauer gesagt mit Jägern, die Luchse als Konkurrenten um Rehe und anderes Wild betrachten und aus ihren Jagdrevieren heraushaben wollen. So wie es auch Jäger waren, welche die Luchse im 19. Jahrhundert in Bayern ausgerottet haben. Natürlich wollen die Jäger solche Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Wer sie äußert, erntet wütenden Protest.

Die Erkenntnisse sprechen eine andere Sprache. Die Luchsforscherin Sybille Wölfl hat seit 2007 Fotofallen aufgestellt in der Region am Großen Arber, dem Berg, an dem auch Bodenmais liegt, wo die erschossene Luchsin entdeckt wurde. Wölfl wollte mit dem Projekt erfahren, ob und wie viele junge Luchse aus dem Nationalpark-Gebiet abwandern, wo sie Reviere bilden und wie es ihnen ergeht.

Tatsächlich sind im Lauf der Jahre viele junge Luchse in die Fotofallen getappt - ein jeder zwei bis drei Jahre lang. Die Forscherin freute sich stets über den Zuwachs in der Arber-Region. Aber dann verschwanden die Luchse - so urplötzlich und spurlos, dass es für Wölfl "mit natürlicher Mortalität nichts mehr zu tun hat". Anders gesagt: Die Luchse sind ums Leben gebracht worden. Dafür kommen aber nur Verkehrsunfälle infrage oder eben Wilderei.

Nun passiert es natürlich, dass ein Luchs von einem Auto überfahren wird. Aber nicht so oft, dass es den dramatischen Schwund erklären würde. Wölfl nennt das Arber-Gebiet deshalb das "Bermuda-Dreieck für Luchse". Und in Bodenmais, da sind sie sich ziemlich sicher, dass die Polizei nie eine Spur des Jägers finden wird, der die trächtige Luchsin erschossen hat.

Marco Heurich, Karl Friedrich Sinner: Der Luchs - Rückkehr der Pinselohren, 140 Seiten, Buch & Kunstverlag Oberpfalz, ISBN 978-3-935719-66-7, 24,95 Euro, siehe auch www.luchsprojekt.de

© SZ vom 05.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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