Süddeutsche Zeitung

Bodendenkmalpflege:Bayern sagt Schatzsuchern den Kampf an

Die Zahl der Glücksritter, die mit Metalldetektoren nach wertvollen Funden suchen, ist zuletzt stark gestiegen. Nun will die Staatsregierung dem beliebten Hobby Einhalt gebieten. Warum ein Ende der Raubgrabungen nötig ist.

Von Hans Kratzer

Für die Spezies der Raubgräber war Bayern bislang ein wahres Paradies. Hier konnten sie die vielen Schätze, die im Boden ruhen, fast unbehelligt ausgraben, und selbst wenn sie dabei gegen Recht und Gesetz verstießen, durften sie 50 Prozent des Fundes behalten. Doch nun soll dieser Raubbau, der das kulturelle Erbe des Landes schleichend vernichtet, beendet oder zumindest deutlich erschwert werden. Das bayerische Kabinett beschloss am Dienstag, das Denkmalschutzgesetz zu ändern und das sogenannte Schatzregal einzuführen, das auch in allen anderen Bundesländern gilt. Damit ist künftig der Einsatz von Metalldetektoren auf Flächen von ausgewiesenen Bodendenkmälern verboten. "Wir schützen damit bayerisches Kulturgut und schieben dem Raubbau an Bodendenkmälern endgültig den Riegel vor", sagte Wissenschaftsminister Markus Blume in der Kabinettssitzung. Der Leiter der Staatskanzlei, Florian Herrmann, sprach von der Eindämmung "dieses glücksritterhaften Raubgräbertums".

Neue Zahlen belegen, welch ein Riesenproblem aus dem beliebten "Hobby" Sondengehen erwachsen ist. Nach Schätzungen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege sind auf den Feldern und Äckern in Bayern mittlerweile doppelt so viele Sondengänger unterwegs wie noch vor 15 Jahren. Doch das ist nicht alles: "In Bayern beobachten wir mittlerweile einen richtigen Grabungstourismus", sagt Matthias Pfeil, der Generalkonservator des Landesamts für Denkmalpflege. In einschlägigen Foren im Internet wurde die Schatzsuche massiv angeheizt. Zwar ist nicht jeder Sondengeher ein Raubgräber, der in illegaler Absicht unterwegs ist. Aber man muss festhalten: Das Ausmaß der durch Raubgräber entstandenen Verluste an Bodendenkmälern ist erschreckend groß. Schätzungen zufolge werden dem Boden jährlich mehr als eine Million relevanter Funde entnommen, und zwar außerhalb von offiziellen archäologischen Grabungen. Dem steht nur ein winziger Bruchteil an gesetzeskonform gemeldeten Funden gegenüber. Im Jahr 2018 lag ihre Zahl bei 2500.

Die archäologischen Schätze sollen künftig nach Möglichkeit in der Region des Fundortes bleiben können, wie Blume in der Kabinettssitzung sagte. Um dies zu ermöglichen, soll der Freistaat qua Gesetzesänderung seinen Eigentumsanspruch auf die Gemeinde des Fundorts übertragen können.

Bislang gehört der Schatz zur Hälfte dem Finder

Auch wenn er bei weitem nicht alle Sondengeher für kriminell hält, begrüßt Generalkonservator Mathias Pfeil die Einführung eines Schatzregals: "Damit wird nun auch in Bayern eine klare Regelung im Sinne und zum Schutz unserer Bodendenkmäler eingeführt." Dass ausgerechnet Bayern von einem anschwellenden Grabungstourismus heimgesucht wird, hat eben seinen Grund in dem fehlenden Schatzregal. Im Freistaat galt bislang noch das Prinzip der Hadrianischen Teilung, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 984 BGB) festgeschrieben ist. Eigentümer eines archäologischen Fundes ist bei dieser Regelung zur einen Hälfte der Finder und zur anderen Hälfte der Eigentümer des Grundstücks, in welchem der Schatz steckte. In den anderen Bundesländern geht gemäß dem Schatzregal das Eigentum an archäologischen Fundstücken an den Staat über. Grundstückseigentümer werden ab einem bestimmten Wert entschädigt.

Dass der Widerstand gegen die Einführung eines Schatzregals in Bayern besonders groß war, liegt auch daran, dass hier mehr als die Hälfte des Grundes in privater Hand liegt. Viele Grundbesitzer befürchteten einen zu großen Eingriff in ihr Eigentum. In Wirklichkeit waren Grundbesitzer oft die Leidtragenden. Denn Raubgräber hinterlassen archäologische Zentren wie den Bullenheimer Berg in Franken gerne wie ein Schlachtfeld. Unzählige Löcher zeigen, dass die Grundbesitzer massenhaft bestohlen werden. Und obendrein verliert Bayern damit sein kulturelles Erbe.

Zuletzt sind Raubgräber aus halb Europa nach Bayern gekommen, und sie gingen immer dreister vor. Mit dem Schatzregal könnte ihnen nun der wirtschaftliche Anreiz genommen werden. Für die Grundstückseigentümer soll es eine vernünftige Wertausgleichsregelung geben, hieß es im Kabinett. Die Reform ist durchaus dringlich, denn in den kommenden Jahren sind bei großen Baumaßnahmen - wie etwa dem Bau von Stromtrassen - eine Vielzahl von archäologischen Funden zu erwarten. Ohne rechtliche Handhabe ist die Ausplünderung von Bodendenkmälern kaum zu verhindern.

Ein Blick in die einschlägigen Plattformen im Internet lässt auf erschreckende Weise die Folgen der Raubgräberei erkennen. Zu Tausenden werden dort antike Stücke verscherbelt, die ohne Erlaubnis ausgegraben wurden. Werner Friedenberger, der ehemalige Vorsitzende des Künzinger Museumsvereins, bezeichnete die Misere einst als "organisierte Kriminalität vom Acker". In den Reihen der Archäologen war zuletzt oft der Satz zu hören: "Es ist kinderleicht, das Land systematisch auszuplündern, aber es ist extrem schwierig, etwas dagegen zu unternehmen."

Raubgräber nutzten die laxen Regel in Bayern schamlos aus

Das ging so weit, dass Raubgräber ihr Fundgut absichtlich nach Bayern transportierten und dann behaupteten, die antiken Fibeln, Waffen, Schmuckstücke und Münzen hier gefunden zu haben. Damit gehörte ihnen die Hälfte des Fundes automatisch. Sie tricksten, logen, legten falsche Fährten. Funde wie der 1988 entdeckte Künzinger Römerschatz bringen einem Sondengeher schnell einmal 50 000 Euro und mehr ein. Manchmal sah sich der Staat sogar gezwungen, solche illegal ausgegrabenen Funde im rechtlichen Graubereich zu erwerben. Das Argument: Sonst gingen sie für die staatlichen Museen endgültig verloren.

Ein enormer ideeller Schaden entsteht durch Raubgräberei obendrein. Denn mit der Entnahme eines Metallstücks aus dem Boden ist der wissenschaftliche Wert des Fundes zerstört. Einerseits ist der Fundort nicht mehr zuzuordnen, andererseits ist der Zusammenhang des Fundes nicht mehr zu erkennen.

Die schriftliche Überlieferung setzt in der Menschheitsgeschichte erst ziemlich spät ein. Meistens können Informationen über Lebensräume, soziale Strukturen und Lebensgewohnheiten der Vorfahren nur aus Bodendenkmälern gewonnen werden. "Sie sind sehr oft die einzige Quelle, um Geschichte zu rekonstruieren", sagt Pfeil. Nun hat auch Bayern die Weichen so gestellt, dass dies künftig noch möglich ist.

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