Rappender Ministersohn Herrmann:Freundschaftliche Beziehungen

Der Sohn eines Hardliners rappt über Sex und Drogen. Über den Sprößling von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann schrieb die Nürnberger "Abendzeitung" einen Artikel. Erschienen ist er dort aber nie. Nebulös.

Olaf Przybilla, Nürnberg

Jackpot alias Jakob Herrmann rappte im Internet über Sex und Drogen.

Jackpot alias Jakob Herrmann rappte im Internet über Sex und Drogen.

(Foto: Screenshot)

Die Geschichte hatte ein Redakteur der Nürnberger Abendzeitung recherchiert. In der AZ Nürnberg aber ist sie nie erschienen, obwohl sie wie geschaffen wirkte für ein buntes und sich frech gebendes Blatt aus Franken. Es ging um den damals 18 Jahre alten Rapper Jakob Herrmann, der einer in Erlangen beheimateten Gruppe namens Jackpot vorsteht und im Internet Kostproben seiner Kunst lieferte.

In den Liedern geht es, grob umrissen, um den Missbrauch von Betäubungsmitteln und darum, was der Sänger sich alles ausmalt, mit Frauen anzustellen - wobei für den Vorgang vor allem das anstößige F-Wort herhalten muss. Das Liedgut wurde kurz nach Veröffentlichung der Geschichte über Jakob Herrmann aus dem Internet gelöscht. Was damit zu tun haben dürfte, dass Jakob Herrmann der Sohn von Joachim Herrmann ist, Bayerns Innenminister von der CSU. Einem Mann, der bekanntlich eine sehr dezidierte Meinung etwa über Drogenmissbrauch vertritt.

Selbst recherchiert, von anderen veröffentlicht

Veröffentlicht aber wurde die Geschichte nicht in Nürnbergs AZ. Sie erschien kurioserweise am 20. Januar 2011 ausschließlich in der Münchner Abendzeitung, dem einstigen Mutterblatt der Nürnberger AZ. Kurios war das deshalb, weil die AZ 2010 vom Nürnberger Telefonbuch-Unternehmer Gunther Oschmann respektive dessen Unternehmen gekauft worden und wirtschaftlich völlig eigenständig war. Die Geschichte des Nürnberger AZ-Redakteurs erschien also de facto in einem fremden Blatt.

In dieses reingerutscht war sie, weil die beiden Redaktionen - in alter Verbundenheit - weiter Geschichten austauschten: Die besten Geschichten aus Nürnberg durften die Münchner kostenlos drucken - und andersrum. Und da die Geschichte bis etwa 19.45 Uhr im Redaktionssystem der Nürnberger stand und die Münchner Kollegen sahen, dass sie spannend war - ging die Münchner Abendzeitung in Druck.

Allein freilich. Denn nach übereinstimmender Schilderung mehrerer früherer AZ-Redakteure intervenierte der Geschäftsführer des Verlages, Harald Greiner, kurz vor Andruck gegen die Veröffentlichung der Geschichte. Greiner habe mit "der engen freundschaftlichen Verbindung der beiden Familien Herrmann und Oschmann" argumentiert, bestätigt der ehemalige AZ-Chefredakteur Andreas Hock. Mehrere Redaktionsmitglieder schildern, Hock habe gekämpft für die Geschichte. Am Ende aber habe er dem Druck der Geschäftsführung nicht standhalten können.

"Ich trinke Wodka wie Wasser"

Die Geschichte über den Rapper Herrmann wurde von überregionalen Blättern nachgedreht, Texte erschienen in der SZ, der Frankfurter Rundschau, in Welt und Welt am Sonntag. Nicht hämisch fielen die Geschichten aus, sondern so wie die Ausgangsstory des AZ-Redakteurs: Da macht sich ein Vater, bekennender Law-and-Order-Mann, für eine restriktivere Regelung für den Ausschank von Alkohol stark. Und sein Filius posiert mit einer überdimensionalen Schnapsflasche und singt: "Ich trinke Wodka wie Wasser." Da kämpft einer mit Herzblut für christsoziale Familienwerte - aber in der eigenen Familie stößt das offenbar auf wenig geöffnete Ohren.

Die Story gehörte zum Besten, was in den AZ-Redaktionsräumen unter Verleger Oschmann geschrieben wurde. Nur erschienen ist dort nie eine Zeile über den Fall, während die Münchner Abendzeitung - später mit eigenen Redakteuren wohlgemerkt - noch mehrere Nachdrehs druckte.

Am 29. September 2012 ist die letzte Ausgabe der Nürnberger AZ erschienen, ein Aus nach 93 Jahren. Am Ende glich sie eher einem Anzeigenblatt als einer Boulevardzeitung. Gute Geschichten erschienen dort kaum noch, die Auflage sank stetig.

Gab es einen Anruf aus dem Ministerium bei dem Verlag, einen dieser Anrufe, wie sie seit der Affäre um den CSU-Sprecher Hans Michael Strepp inzwischen viel diskutiert werden? Nein, gab es in dem Fall offenbar nicht - hier hat sich vielmehr ein Medienunternehmen selbst kastriert: Minister Herrmann betont, er habe wegen der Geschichte keinen Kontakt zu Oschmann oder dessen Verlag aufgenommen. Das sagt auch Harald Greiner, der einstige AZ-Geschäftsführer. Die Entscheidung, den Text nicht erscheinen zu lassen, sei "eine Entscheidung des Chefredakteurs" gewesen, erklärt Greiner. Daher hätten "etwaige gute freundschaftliche Beziehungen hierbei keinerlei Bedeutung" gehabt.

Dass am Ende er habe entscheiden müssen, bestätigt der einstige Chefredakteur Hock. Er habe die sauber recherchierte Story aber ursprünglich drucken wollen. Das Verhältnis zur Geschäftsführung sei seither belastet gewesen.

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