Großeinsatz:Dramatische Suche nach verunglücktem Bergsteiger am Hochkalter

Lesezeit: 3 min

Ein Großaufgebot an Einsatzkräften sucht seit Tagen bei winterlichen Verhältnissen mit einem Meter Neuschnee am Hochkalter nach einem verunglückten und vermissten 24-Jährigen. (Foto: Bergwacht Ramsau)

Seit Samstag suchen Rettungskräfte bei Ramsau nach einem vermissten Wanderer. Der 24-jährige Niedersachse wurde bislang nicht gefunden - obwohl mehrmals Telefonkontakt zwischen ihm und den Rettern bestand.

Von Matthias Köpf, Ramsau

Auch am Montag regnet es in der Ramsau immer wieder, die Wolken hängen tief über dem Tal. Bis auf 1000 Meter hinunter ungefähr, so schätzen die Leute von der Ramsauer Bergwacht, die dort oben, viel weiter oben ein Leben retten wollen. Und die doch nicht hinaufkönnen auf den Hochkalter, ohne dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Und selbst wenn sie sich noch einmal hinaufkämpfen könnten über den vereisten Fels und durch den teils brusthohen Neuschnee auf die Südwestseite des mächtigen Bergs zwischen dem Grat zum Gipfel und dem Ofental, irgendwo auf 2400 oder 2500 Metern Höhe: Es wäre ein riesiger Zufall, wenn sie den jungen Mann sehen könnten oder auch nur rufen hörten bei diesen Bedingungen, mitten in Wolken, Sturm und Schneegestöber, bei sechs Grad unter dem Gefrierpunkt. Denn wenn es unten regnet, fällt droben Schnee, bis zu eineinhalb Meter waren es wohl schon zuletzt, und der Wetterdienst warnt weiterhin vor Sturmböen. Aufgegeben haben sie trotzdem noch nicht, auch wenn sie den 24-jährigen Ausflügler aus Niedersachsen schon seit dem Samstagnachmittag gesucht haben - bisher vergebens.

Der Notruf des jungen Mannes war zuerst in der Leitstelle drüben in Tirol eingegangen, denn auch mit dem Mobilfunknetz ist es nicht einfach am Hochkalter. Er sei während des Aufstiegs gestürzt und weit in steiles Gelände abgerutscht, habe sich dabei am Kopf verletzt und beide Arme gebrochen. So lautete die erste Meldung, welche die Innsbrucker an die Leitstelle in Traunstein weiterreichten, die für die Berchtesgadener Alpen zuständig ist. Sie schickte sofort den örtlichen Rettungshubschrauber Christoph 14 los, der es 40 Minuten nach den Notruf schaffte, zwei Mitglieder der Bergwacht Ramsau an der Untergrenze der Wolken im Ofental abzusetzen. Kurz darauf erreichte der Ramsauer Einsatzleiter den Verunglückten am Handy. Demnach waren zwar dessen Verletzungen doch nicht so gravierend, die Lage aber trotzdem verzweifelt.

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Bei mehreren weiteren Handykontakten in den nächsten Stunden konnte der Einsatzleiter dem Mann zwar Tipps geben, wie er sich einen Wetterschutz schaffen und in einer Mulde oder hinter einem Felsen Zuflucht vor dem Wind suchen könnte. Trotz vieler Versuche mit verschiedenen Methoden gelang es aber nicht, das Mobiltelefon genauer zu orten. Auch hinauf bis zum Grat, wo der Steig verläuft und eine größere Chance bestünde, gefunden zu werden, schaffte es der Mann, dessen Kräfte offenbar nachließen, selbst nicht mehr.

Hubschrauberflüge mit der Wärmebildkamera sind derzeit nicht möglich

Die ersten Bergretter hatten sich zwar am Abend aus dem Ofental auf den Grat gekämpft, knapp unter dem 2607 Meter hohen Gipfel. Den Mann hatten sie dabei dabei nicht gefunden und sich im Gelände kaum untereinander verständigen können, obwohl andere Einheiten inzwischen Relaisstationen für den Digitalfunk aufgebaut hatten. Als der Einsatzleiter die Suche an der Südwestflanke in Schneesturm und Dunkelheit abbrach, um die Retter nicht noch größeren Gefahren auszusetzen, mussten sie sich selbst erst einmal in einem Notzelt für den Abstieg aufwärmen. Zugleich stiegen mehrere Mitglieder der Bergwachten Ramsau und Berchtesgaden über andere Routen auf, doch auch sie mussten gegen Mitternacht am vereisten und eingeschneiten Grat umkehren.

Am Sonntag bei Tagesanbruch versuchten es die Retter abermals auf verschiedenen Routen und mussten noch am Vormittag wieder abbrechen. Das Wetter erlaubte im Lauf des Sonntags weiterhin keine Hubschrauberflüge mit der Wärmebildkamera und nur einen kurzen Suchflug auf Sicht sowie zwei kurze Helikoptereinsätze mit einer Recco-Sonde. Solche Sonden sind in Bayern seit dem vergangenen Herbst in Bad Reichenhall und in Sonthofen im Allgäu stationiert. Sie können bei guten Bedingungen nicht nur spezielle Reflektoren orten, die in mancher Outdoor-Ausrüstung verarbeitet sind, sondern auch Mobiltelefone oder ein Notebook, wie es offenbar auch der verunglückte Niedersache bei sich hat. Die Ortung wäre im besten Fall sogar möglich, wenn die Akkus dieser Geräte leer sind. Das lässt die Ramsauer Retter weiterhin hoffen, den 24-Jährigen doch noch zu finden, sobald das Wetter Suchflüge in der Gipfelgegend zulässt.

Am Montagabend bietet sich dann doch noch für eine gute Stunde eine solche Gelegenheit: Die Untergrenze der Wolken hebt sich für eine Weile bis auf etwa 2300 Meter, ein Polizeihubschrauber unternimmt mit Bergrettern an Bord einen Suchflug auf Sicht. Der Neuschnee scheint in den Rinnen unterhalb des Grats inzwischen bis zu drei Meter hoch zu liegen. Der Vermisste ist bis Sonnenuntergang nirgends zu entdecken - auch auf den Aufnahmen nicht, die von Bergwacht-Helfern später noch die halbe Nacht lang genau durchgesehen und mit entsprechender Software analysiert werden. Ihre Recco-Boje kann die Bergwacht immer noch nicht einsetzen. Dazu müsste der Helikopter etwas über das Suchgebiet kommen, denn die Sonde strahlt ihr Suchsignal nach unten ab. Für diesen Dienstag ist die Wetterprognose in der Ramsau weiterhin schlecht. Am Mittwoch soll sich die Lage bessern, spätestens am Donnerstag sollen Suchflüge mit der Recco-Boje möglich sein.

Den letzten Telefonkontakt mit dem entkräfteten Mann hatte der Einsatzleiter nach Angaben eines BRK-Sprechers am Samstagabend. Der 24-Jährige hatte sich offenbar alleine auf die Hochgebirgstour gemacht und laut dem BRK-Sprecher wohl "nicht gewusst, auf was er sich da einlässt". Ein Begleiter habe offenbar schon vor der Zugfahrt nach Bayern abgesagt. Längst sind auch die Angehörigen des Vermissten in der Ramsau angekommen. Sie werden dort von einem Kriseninterventionsteam betreut.

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