Radverkehr:Bayern schaltet ein Gängchen hoch

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Ein Mann fährt über den ersten Streckenabschnitt der Radschnellverbindung zwischen München und Garching. Insgesamt sollen in Bayern 15 davon gebaut werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Seit einem Jahr hat der Freistaat ein Radgesetz. Manche Versprechungen hat die Staatsregierung bereits eingelöst, andere nicht. Und doch erkennen selbst Kritiker an: Es tut sich etwas – wenn auch langsam.

Von Max Weinhold

Vor einem Jahr hat die Staatsregierung ein Radgesetz für Bayern verabschiedet. 1500 Kilometer neue Radwege bis zum Jahr 2030 werden darin avisiert; bauliche Anpassungen von Straßen zugunsten von Radlern, denen mehr Platz eingeräumt werden soll; die Entlastung von Kommunen bei der Planung neuer Strecken. Was die Staatsregierung davon im ersten Jahr umgesetzt hat? Zeit für einen Überblick.

Um den Status quo des Radverkehrs in Bayern zu verstehen, lohnt sich aber zunächst einmal ein Blick auf – beziehungsweise: in – ein anderes Verkehrsmittel: den Zug. Als Teil des Gesetzes hat die Staatsregierung das sogenannte Ein-Euro-Ticket für die Fahrradmitnahme in der Bahn eingeführt. Eine gute Idee, da waren sich die meisten einig. Allerdings galt das Ticket auf so vielen Strecken nicht, dass es – auch da waren sich die meisten einig – für die Praxis kaum taugte. Das Ticket war eher Stückwerk als eine flächendeckende Lösung.

Das Wirrwarr führte sogar soweit, dass sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) dazu veranlasst sah, eine siebenseitige Anleitung zum Erwerb des Billetts zu erstellen, Überschrift: „Wie löst man das 1-Euro-Radl-Ticket?“ Immerhin: Inzwischen ist der Tarif reformiert worden und gilt von August an auf einigen Strecken mehr.

Man kann also festhalten: Es tut sich etwas beim Radverkehr in Bayern – nur eben langsam und nicht immer von Vornherein bis zum Ende durchdacht. Womit man wieder beim Status quo wäre: Es ist kompliziert. Aber Besserung ist in Sicht.

So hat die Staatsregierung, wie in ihrem Gesetz angekündigt, noch im vergangenen Jahr die Zentralstelle Radverkehr bei der Landesbaudirektion Bayern geschaffen. Diese unterstützt Kommunen bei der Planung und Umsetzung auch gemeinde- oder landkreisübergreifender „herausgehobener Infrastrukturprojekte für den Radverkehr“, wie ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagt.

Die Menschen auf dem Land würden Rad fahren wollen, es sei ihnen nur zu gefährlich

Aus Sicht von Bernadette Felsch, bayerische Landesvorsitzende des ADFC, ist diese Zentralisierung ein Fortschritt. Die Kommunen müssten sich mit ihren Anliegen nicht mehr erst bis zur richtigen Stelle durchfragen, sagt sie der SZ. In der Vergangenheit habe der Freistaat die Planung hauptsächlich ihnen überlassen. Und wenn es keinen in dieser Sache engagierten Bürgermeister oder Landrat gegeben habe, sei eben kaum etwas passiert. Auch deswegen existiere noch immer an mehr als der Hälfte aller Ortsverbindungen in Bayern kein Radweg.

Dabei würden die Menschen dank Pedelecs – antriebsstarken E-Bikes – auch auf dem Land sehr wohl mit dem Radl fahren wollen, sagt sie, die Distanz und die Topographie seien nicht mehr das Problem. Es sei ihnen nur zu gefährlich auf den Landstraßen.

Das bayerische Gesetz bringe schon etwas, aber „es hängt nach wie vor von den Leuten vor Ort ab, wie sie die Möglichkeiten nutzen“, sagt Bernadette Felsch, bayerische Landesvorsitzende des ADFC. (Foto: Holger Quick)

Überhaupt nennt sie die Sicherheit „ein Kernproblem“ im bayerischen Radverkehr. Felsch bemängelt, dass die sogenannte „Vision Zero“ nicht Teil des Radgesetzes ist – also die Maßgabe, keine Verkehrstoten und Verletzten mehr beklagen zu müssen. 85 Radlerinnen und Radler starben im vergangenen Jahr in Bayern, 2022 waren es 84. Man müsse die Vision beim Bau von Straßen von Anfang an mitdenken und nicht erst nachbessern, wenn etwas passiere, sagt Felsch.

Die „Vision Zero“ war Teil eines Gesetzentwurfes, den verschiedene politische Parteien und Verbände, darunter der ADFC, mittels eines Volksbegehrens im Landtag zur Abstimmung bringen wollten. Das geplante Volksbegehren scheiterte im vergangenen Jahr, weil es laut dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingegriffen hätte. Beobachter werteten das neue Radgesetz der Staatsregierung dennoch als eine Reaktion auf die gestellten Forderungen.

Wie viele Straßen zugunsten von Radlern umgebaut wurden, beantwortet das Ministerium nicht

Positiv bewertet Felsch denn auch, dass sich durch das Gesetz nunmehr spezialisierte Abteilungen an den staatlichen Bauämtern Nürnberg und Freising um den Bau von Radwegen kümmern. Diese sind dem Ministeriumssprecher zufolge dafür zuständig, „den Bau von Radschnellverbindungen an Bundes- und Staatsstraßen beziehungsweise in Gemeinden mit weniger als 25 000 Einwohnern voranzubringen“.

15 Schnellverbindungen – so etwas wie Autobahnen für Radler – mit einer Länge von mehr als 200 Kilometern befinden sich in Bayern derzeit in Planung oder bereits im Bau, die meisten davon in den Großräumen München und Nürnberg. Diese seien „sehr, sehr wichtig“, sagt Felsch, „gerade für den Pendlerverkehr. Wenn man nicht alle 100 Meter anhalten muss, weil man Angst hat, eng überholt zu werden, radelt man auf jeden Fall lieber.“ Allerdings gehe es auch hier sehr langsam voran: Die Planung für den ersten, in diesem Juni fertiggestellten Streckenabschnitt zwischen München und Garching habe bereits 2013 begonnen.

Die Radschnellverbindungen sind Teil der bis 2030 im Gesetz versprochenen 1500 neu zu bauenden Radwegkilometer, von denen 245 Kilometer nach Ministeriumsangaben bereits fertiggestellt sind. Überdies seien im vergangenen Jahr 4000 Abstellplätze für Fahrräder an Haltestellen gefördert worden, fast 1000 mehr als 2022. Keine Antwort gibt es auf die Frage, ob und wie viele Straßen, wie es im Gesetz heißt, „zu Gunsten einer Radverbindung verschmälert“ wurden, also umgebaut.

Die Prüfung, ob derlei möglich ist, wird den Straßenbaubehörden lediglich „empfohlen“ – was nicht die einzige eher unverbindliche Formulierung im Gesetz ist. „Es hängt nach wie vor von den Leuten vor Ort ab, wie sie die Möglichkeiten nutzen“, sagt Felsch. Sie jedenfalls kenne keine Straße, die bereits entsprechend angepasst wurde.

Neben dem (Um-)Bau von Radwegen beinhaltet das Gesetz das sogenannte „Radnetz Bayern“, das wiederum das „Radverkehrsnetz Bayern“ und das „Bayernnetz für Radler“ umfasst. Letzteres hat eine Länge von etwa 9000 Kilometern und soll Freizeitradlern Routen bieten. Das „Radverkehrsnetz Bayern“ dagegen soll vor allem Pendlern dienen und alle 2056 Städte und Gemeinde im Freistaat „möglichst durchgängig miteinander verbinden“.

Das Verkehrsministerium habe, so sein Sprecher, einen Entwurf für dieses Netz mit den Kommunen abgestimmt. Aktuell werde „die Befahrung zur Bestandsaufnahme“ vorbereitet. Auf diese Weise will das Ministerium ergründen, welche Strecken für das Netz taugen und welche (noch) nicht. Wie lange Vorbereitung und Bestandsaufnahme dauern werden, kann der Sprecher nicht sagen.

Bernreiter findet, Bayern treibe die Umsetzung des Radgesetzes „konsequent“ voran

Schneller gehen soll es mit der Radallianz Bayern. Das Gremium, dem neben dem Verkehrsministerium und den kommunalen Spitzenverbänden auch Interessensvertreter wie der ADFC und der ADAC angehören, soll im Oktober erstmals zusammenkommen. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) findet, „mit dem Radgesetz stärken wir den Radverkehr auf allen Ebenen“. Man treibe die Umsetzung „konsequent“ voran.

Bayern habe es sich mit dem Gesetz „sehr einfach gemacht“, erwidert Bernadette Felsch. Es stünden darin Ziele, die überhaupt nicht neu seien. Dass man nun, wie es in Artikel 3 heißt, die nichtamtlichen Schilder an Radwegen einheitlich gestalten wolle, sei bereits seit vielen Jahren vom Bund so vorgegeben. Es lasse sich allerdings nicht bestreiten, dass „jetzt endlich mehr passiert“, sagt Felsch. Es gebe mehr Personal und mehr Geld, wenn auch im Vergleich zum Autoverkehr und anderen Bundesländern immer noch wenig. „Bayern nennt sich gerne Radlland, ist davon aber noch sehr weit entfernt.“

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