Radio FM4 aus Österreich:Coole Welle aus Wien

Hab keine Angst, bei uns bist du geborgen: Wie der austroanglophone Radiosender FM4 aus Wien das Lebensgefühl der bayerischen Jugend prägt - und mittlerweile aus Bayern nicht mehr wegzudenken ist.

Rudolf Neumaier

Als FM4 aus dem Kabelnetz genommen wurde, gab es einen Aufstand in München. Vor fünf Jahren war das. Erst klagten sich die Hörer ihr Leid im Internet, dann konspirierten sie im Wirtshaus. Seinen Höhepunkt erreichte der Protest aber in einer Demonstration vor dem Sitz des Kabelbetreibers, der den Sender gekappt hatte. Die Aktion verlief - wie es sich für gute FM4-Hörer gehört - friedlich. Und letztlich auch erfolgreich, denn der Betreiber speiste FM4 wieder ins Kabel ein. Trotzdem soll es Münchner geben, die dem Braten nicht trauten und sich Wohnungen in Stadtteilen suchten, in denen FM4 über Antenne zu empfangen ist, die Ecke Giesing, Ramersdorf. Hier ist Österreich näher als Schwabing.

DJ am Pult

Bei FM4 wird Musik abseits des Mainstreams aufgelegt.

(Foto: iStockphoto)

FM4 ist ein österreichischer Sender, der meistens österreichisch oder englisch klingt, zweimal am Tag französisch und rund um die Uhr jung, das heißt: wesentlich lebendiger als die eklatant gut gelaunten Spaßvögel und Nachrichtenaufbereitungsbeamten bayerischer Sender, die mit Lockversen wie 'Klingt dreimal gut' und 'Hören, wie es wirklich ist' antreten. FM4 hat den Slogan 'You"re at home baby'. Das heißt so viel wie: Wir ticken global, lieber Hörer, aber hab keine Angst, bei uns bist du geborgen.

Wenn die Fernsehserie 'Irgendwo und Sowieso' das Lebensgefühl des jungen Bayern in den 1980ern prägte, dann hat FM4 diesen Part Mitte der 1990er übernommen. Der Sender gehört zur Staatsanstalt ORF in Wien, und die Wiener verwirklichen seit 16 Jahren Tag für Tag 24Stunden lang das, was der Bayerische Rundfunk auf einem seiner fünf Programme lediglich eine Stunde lang - in der Sendung Zündfunk - zulässt: eine Alternative zum 08/15-Mainstream-Radio. Und Fritz Ostermayer wundert sich, wie er sagt, "seit Jahren, warum der BR nicht sowas macht wie wir, die könnten uns leicht das Wasser abgraben".

Fritz Ostermayer ist bei FM4 vom ersten Tag an dabei, wie die Chefin, Monika Eigensperger. Seit 1996. Sonntags moderiert er eine Sendung, die "Im Sumpf" heißt. Ostermayer raunt, schwelgt, ätzt. Er gräbt bizarre, schöne, fürchterliche Geschichten aus, schreibt Texte darüber und trägt sie vor mit einem missionarischen Eifer, von dem sich Leute mitreißen lassen, denen der Sonntagabend zu schade ist für zumeist mediokre TV-Unterhaltung. Er nennt das Konzept "Im Morast nach Perlen tauchen oder die Sterne vom Himmel holen". Einmal, nur als Beispiel, hat er das Tagebuch des britischen Unterhausabgeordneten Pepys aus dem 17. Jahrhundert, dessen Blähungen und Eheprobleme aufbereitet. Es war eine von vielen großartigen sonntäglichen Entdeckungsreisen im Sumpf.

Den Zuschriften nach habe er überwiegend jüngere Hörer, sagt Ostermayer. Er selbst wird in vier Jahren 60. Doch das spielt keine Rolle: Idealisten wie Ostermayer hören sich immer ungefähr so jung an wie 22. Das ganze Senderkonzept fußt auf Idealen, also klingt auch der ganze Sender jung. Für Weltoffenheit, für Toleranz, für das Miteinander, gegen Ignoranz, gegen Intoleranz - das sind Schlagwörter, die fallen, wenn Monika Eigensperger, die Chefin, über ihr FM4 spricht. "Und wir fühlen uns zuständig für junge, lebende, jetzt produzierende Künstler." Nicht nur für Musiker, auch für Schriftsteller. Am Literaturwettbewerb 'Wortlaut' beteiligen sich regelmäßig etwa 1000 Einsender - ein Drittel davon aus Deutschland, davon wiederum der Großteil aus Bayern.

Österreich - wenn man sich das mal vorstellt! Zu der Zeit, als der Geist 'Irgendwie und Sowieso' in die ländliche Subkultur vordrang, war Österreich aus bayerischer Sicht noch ein Witz. Ein Minderwertigkeitskomplex, der tief in der Geschichte wurzelte und sich immer wieder aufgeilte an einem Fußballspiel, das die Österreicher in einer argentinischen Stadt namens Cordoba 3:2 gewannen. Aber dann ging FM4 auf Sendung, mit seinem austro-anglophonen Konzept. Und Österreich ist ziemlich cool heute.

Österreicher sagen nicht wahnsinnig, sondern irrsinnig. Monika Eigensperger benutzt 'irrsinnig' auch, wenn sie etwas zum Erfolg von FM4 in Bayern sagen soll. Man muss irrsinnig lange nachbohren, bis sie ihn erklärt, zumal es ja wegen fehlender Media-Analysen "irrsinnig schwierig" zu erfassen sei, wie viele Hörer es wirklich gebe in Bayern. Und sie will sich nicht selbst loben. "Vielleicht", sagt sie, "liegt"s daran, dass wir nicht gefällig sein müssen. Und das ist es ja, was man den Österreichern nachsagt: dass sie immer irrsinnig gefällig sein müssen."

Einen Anhaltspunkt für den Erfolg ihres Senders gibt es allerdings: Die FM4-Konzerte, die der Sender alle zwei Jahre in der Münchner Muffathalle gibt, sind regelmäßig ausverkauft. Fritz Ostermayer sagt: "Das sind keine Auswärtsspiele, das sind Heimspiele für uns." You"re at home baby.

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