Süddeutsche Zeitung

Querschnittsprojekt:Digitalbotschafter für jede Schule

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Judith Gerlach feiert den ersten Geburtstag ihres Digitalministeriums - Zeit für eine erste Bilanz und für neue Pläne

Von Maximilian Gerl, München

Das Ambiente im "Digi-Dachgeschoss", wie Gastgeberin Judith Gerlach (CSU) den sechsten Stock ihres Ministeriums nennt, rangiert zwischen Start-up-Spirit und Partyraum. Für die Gäste stehen bunte Sessel und Hocker bereit, jemand hat Luftballons aufgeblasen. Die Blumentapete an einer Wand geht fast als eines dieser Paisley-Muster durch, das Hipster in München-Ost spazieren tragen könnten. Willkommen also zur "vorgezogenen Geburtstagsfeier"; die Zeit, sagt Gerlach, sei so "unglaublich schnell vorangeschritten".

Am Sonntag feierte Gerlach ihren 34. Geburtstag. Ein anderer ist ihr an diesem Mittwoch wichtiger: der ihres Digitalministeriums. Am 12. November 2018 wurde es gegründet. Über dessen Zuständigkeiten wurde damals genauso gerätselt wie über seine Chefin, die bis dahin vielen Bayern unbekannt war. Fast genau ein Jahr später stellt sich die Frage, wie viel sich daran geändert hat. Verglichen mit der Präsenz mancher Kabinettskollegen läuft Gerlach weiter etwas unter dem Radar. Auch deshalb eignet sich dieser Mittwoch, um eine erste Bilanz zu ziehen.

Auf den ersten Blick fällt diese gar nicht schlecht aus. Die "Hightech Agenda Bayern" steht zum Beispiel darauf, die Strategie der Staatsregierung, mehr in die Entwicklung neuer Technologien zu investieren. Oder die IT-Notfall-Hotline, die Bürger seit diesem Sommer anrufen können, wenn sie Opfer von Cyberkriminellen wurden. Oder das Förderprogramm "BayFiD", das junge Frauen motivieren soll, einen Digitalberuf zu ergreifen - ein Herzensprojekt von Gerlach, auf das sie viel positive Resonanz bekam. Nicht zuletzt hat sie sich in eine ihr fremde Materie eingearbeitet sowie eine neue Verwaltungsstruktur aufgebaut. Knapp 100 Mitarbeiter zähle ihr Ministerium inzwischen, die Hälfte davon Frauen, sagt Gerlach: Das sei ihr wichtig, ebenso die Möglichkeit, von außerhalb des Büros zu arbeiten. Gerlach ist zweifache Mutter, die Familie lebt in Aschaffenburg.

Auf den zweiten Blick fällt ein Problem auf, das Gerlach seit Amtsantritt begleitet. Der Aufgabenbereich ihres Ministeriums ist so schwammig gefasst, dass man manchmal gar nicht weiß, was es genau macht. Vereinfacht soll es Ideen liefern und Neues anschieben. Das geht aber oft nur in Kooperation mit anderen Ressorts. Für Außenstehende - und bisweilen die Beteiligten selbst - wird dadurch schwer ersichtlich, wer an welchem Projekt wie viel Anteil trägt. Das gilt besonders für große Projekte wie die Hightech-Agenda, die Vorhaben quer durch die Ministerien bündelt.

Sich selbst bezeichnet Gerlach als das "Trüffelschwein", das nach neuen digitalen Anwendungen suche. Manchmal laufe die Zusammenarbeit ganz einfach - etwa bei der IT-Notfall-Hotline, die gemeinsam mit dem Innenministerium entstand. Wann es härter laufe, sagt Gerlach nicht direkt. Sie räumt aber ein, dass es mit der Sichtbarkeit ein wenig schwierig sei, sie habe keine Förderbescheide, die sie wöchentlich ausstellen könne. Ihr Ministerium sei keines, "wie man es kennt", es werde wohl immer ein "Querschnittsministerium" bleiben. Die Digitalisierung spiele in so viele Bereiche hinein, wenn sie die alle an sich zöge, stünden am Schluss nur noch der Ministerpräsident und sie da.

Als Nächstes würde Gerlach gerne "Digitalbotschafter" an Bayerns Schulen etablieren. Das könnten etwa Beratungslehrer sein, die Schülern helfen, sich im Netz sicher zu bewegen und Fake News zu erkennen. Für die Umsetzung wäre aber wieder Kooperation gefragt, diesmal mit dem Kultusministerium. Wenigstens beim Feiern bleibt das Digitalministerium selbstbestimmt. Mitarbeiter schieben einen Servierwagen mit Kuchen herein, darin brennen Wunderkerzen. Ist schließlich ein Geburtstag.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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