Seit fast zwei Jahren steht das Thema nun im Raum, doch war es zuletzt eher aus der Öffentlichkeit verschwunden: ein queerer Aktionsplan für Bayern. Und wer derzeit nachfragt, was aus dem Plan wurde, der erfährt schnell von einer mutmaßlich orchestrierten Hass- und Hetzaktion, von Drohungen und Beleidigungen.
Aber der Reihe nach: Ziel der bayerischen Staatsregierung ist es, einen queeren Aktionsplan zu vereinbaren. Einen Plan also, der Maßnahmen enthält zum Schutz vor Gewalt und Hass und zur gesellschaftlichen Gleichstellung von schwulen, lesbischen oder bisexuellen Menschen, von trans Personen und Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau definieren. Doch fertig ist dieser Aktionsplan noch lange nicht, im Gegenteil: Aus Sicht des Sozialministeriums ist man noch mittendrin. Das Ministerium unter Ulrike Scharf (CSU) soll den Aktionsplan als Teil der im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern festgehaltenen Agenda für Vielfalt und gegen Ausgrenzung erarbeiten.

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An diesem Donnerstag haben Vertreter des Sozialministeriums sowie des Bayerischen Jugendrings (BJR) im Sozialausschuss des bayerischen Landtags über den Stand des Vorhabens berichtet. Im Auftrag des Ministeriums organisierte der BJR den Beteiligungsprozess zusammen mit dem JFF-Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.
Einen Plan, auch nur einen Entwurf, gibt es nach wie vor nicht, das wird am Donnerstag schnell klar. Von Februar bis November des vergangenen Jahres konnten Vereine, Verbände und weitere Stellen in vier Arbeitsgruppen Ideen einbringen, Einzelpersonen über ein Online-Tool. Demnächst fertigt der BJR eine Dokumentation der Ergebnisse an, bereitet einen Maßnahmenkatalog vor und gibt diesen an das Sozialministerium weiter, das dann eigenständig einen Entwurf zum Aktionsplan erstellt. Dieser wird auf Ressortebene abgestimmt, den Verbänden vorgestellt und muss dann den Ministerrat passieren. Bis das Thema durch und der Plan verabschiedet ist, ist es laut Plan des Ministeriums gut und gerne 2026.
Das ist noch eine Weile hin. Zugutehalten muss man dem Ministerium allerdings, dass der politische Wille, einen solchen Plan auch zu erstellen, dann sehr plötzlich kam. In einer Podcastaufnahme im Frühjahr kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen queeren Aktionsplan für Bayern an – zur großen Verwunderung vieler Beobachter und Politiker. Denn noch kurz vor Söders Ankündigung schien die Forderung nach einem solchen Plan an der Staatsregierung abzuperlen.

Wahlprogramme:Wo die CSU heute klingt wie die AfD im Jahr 2021
CSU und AfD sind von Grund auf verschieden. Markus Söder hat die Rechts-außen-Partei zum „Hauptgegner“ ausgerufen. Inhaltlich hat er aber eine Reihe von Positionen übernommen, die 2021 noch im AfD-Programm standen. Eine Analyse.
Seit Söders Ankündigung ist der Ton in der Debatte rauer geworden, Queerpolitik allgemein schwerer. Das zeigte sich auch im Prozess. Als der BJR die Online-Option freischaltete, mit der Einzelne Ideen, Wünsche und Kritik einspeisen können, wurden die Verantwortlichen geflutet mit Beiträgen, die laut BJR-Präsident Philipp Seitz „grenzwertig, wenn nicht gleich offen diskriminierend“ gewesen seien. Innerhalb weniger Tage seien knapp 700 Beiträge eingegangen, die meisten davon nahezu identisch. Insgesamt gebe es 1000 Einreichungen, die restlichen 300 seien konstruktiv gewesen.
Durch eine Mail, die versehentlich an den BJR weitergeleitet wurde, war dann ersichtlich: Es handelt sich mutmaßlich um eine Kampagne, organisiert von der spanischen, erzkonservativen Organisation CitizenGo, die unter anderem gegen die Ehe für alle ist. Beim BJR verbargen sie also die hasserfüllten Beiträge und änderten das System. Solche Botschaften könnten nicht stehen bleiben, sagt Seitz, erst recht nicht in einem Beteiligungsprozess wie diesem.
„Das, was die Community leisten kann, hat sie geleistet“
Hinzukommt: Selbst einige derjenigen, die als Teil von Arbeitsgruppen an dem Prozess beteiligt waren, betrachten diesen kritisch. Markus Apel war als Vorstand von „LSVD+ – Verband Queere Vielfalt“ in Bayern an den Arbeitsgruppen. Er sagt: „Das, was die Community leisten kann, hat sie geleistet.“ Doch so richtig überzeugt ist er nicht.
Bisher fehlten feste Zusagen zu Geld, Personal, Strukturen. Zudem könne im schlimmsten Fall immer noch alles über den Haufen geworfen werden, wenn das Thema oder der abschließende Entwurf etwa dem bayerischen Kabinett nicht in den Kram passe. „Wir sind überzeugt davon, dass es diesen Aktionsplan braucht“, sagt Apel. „Wir sind aber nicht überzeugt, dass die Staatsregierung verstanden hat, worum es in dem Prozess geht.“
Währenddessen baut sich schon das nächste Konfliktthema in der bayerischen Queerpolitik auf. Das Sozialministerium erwägt, einen Teil des Geldes, das es bisher für LGBTIQ-Fortbildungen zur Verfügung stellt, nun statt in reale Treffen in digitale Formate zu stecken. Klingt harmlos, ist es aber aus vieler Sicht vieler Vereine nicht.
Die Grünen reichten bereits einen Antrag in dieser Sache im Landtag ein. Florian Siekmann, Abgeordneter der Grünen, sagt: „Wenn schon vor der Erstellung des Aktionsplans alles zusammengestrichen wird, beweist das, wie wenig sich die Söder-Regierung nach der Wahl um ihre Versprechen schert.“ Der Aktionsplan drohe zum Papiertiger zu werden. Und das, bevor es ihn überhaupt gibt.