In der Geschichte der bayerischen Polizeiskandale des Jahres 2012 gab es zwei lehrreiche Episoden. Nummer eins: Nachdem der Rosenheimer Polizeichef einem Jugendlichen zwei Zähne ausgeschlagen hatte, wies er seine Untergebenen an, den Geschädigten wegen Widerstands anzuzeigen, obwohl es keinerlei Widerstandshandlung gegeben hatte.
Nummer zwei: Nach einem Handgemenge zwischen zehn Polizisten und einer Familie in Schechen lagen der Staatsanwaltschaft Traunstein zwei Anzeigen vor - eine gegen die Polizeibeamten wegen Körperverletzung, und eine gegen die Familie wegen Widerstands. Ohne irgendwelche eigenen Nachforschungen stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Polizisten ein und brachte die Familie vor Gericht.
Recht und Unrecht kann man nicht verwechseln? Welch ein Irrtum, könnte man in Anlehnung an Ernst Jandl sagen. Man kann es ganz leicht verwechseln, vor allem, wenn man die Augen vor der Tatsache verschließt, dass Polizisten nicht automatisch die besseren Menschen sind.
Staatsanwaltschaft und Polizei stehen sich naturgemäß sehr nahe. Polizeibeamte sind das Frontpersonal der Staatsanwaltschaft. Deshalb sind Staatsanwälte geneigt, Polizisten für rechtstreuer und glaubwürdiger zu halten als den Normalbürger, und die Polizisten wissen, dass sie sich auf diesen Bonus verlassen können. Hinzu kommt, dass der Widerstandsparagraf so weit gefasst ist, dass sich einer schon strafbar macht, wenn er im Polizeigriff nur die Muskeln anspannt.
Das öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Daraus kann man zwei Lehren ziehen. Erstens: Nicht nur die Polizei, sondern auch die Staatsanwaltschaft bedarf einer Sondereinheit zur Verfolgung von Straftaten im Amt. Zweitens: Der Tatbestand des Widerstands sollte auf Fälle beschränkt werden, in denen es tatsächlich zu einer Körperverletzung gekommen ist. Dann würde ein Polizist vielleicht lieber zweimal nachdenken, bevor er einer gefesselten Frau das Nasenbein bricht.