Prozess um kostbaren Teppich:"Ein Meisterwerk als Bettvorleger eingestuft"

Zivilprozess um nicht erkannten Wert es teuersten Teppichs der Welt

7,2 Millionen Euro hat ein unbekannter Bieter für den teuersten Teppich der Welt bezahlt.

(Foto: dapd)

19.700 Euro hat eine ältere Dame aus Planegg bei einer Auktion für ihren alten Perser bekommen. Wenig später wurde der Teppich in London für 7,2 Millionen weiterverkauft. Seither leidet die Frau sogar physisch und klagt durch die Instanzen auf Schadenersatz.

Von Stefan Mayr

Wozu so ein Orientteppich alles dienen kann. In Film und Fernsehen als märchenhaftes Fluggerät oder Leichentransportbehälter, im wirklichen Leben als Bodenbelag und Kapitalanlage, aber auch als Objekt eines Rechtsstreits, der nun schon seit drei Jahren die Medien bundesweit beschäftigt. Eine ältere Dame aus Planegg bei München fordert von einem Augsburger Auktionator fast 350.000 Euro Schadenersatz, weil er ihren kostbaren Teppich falsch bewertet und weit unter Wert versteigert haben soll.

19.700 Euro erbrachte der Perser im Oktober 2009. Doch wenige Monate später verkaufte das Londoner Auktionshaus Christie's das Kunstwerk für die Rekordsumme von 7,2 Millionen Euro. Das ist das 8000-fache des Einstiegspreises, den der Beklagte einst aufgerufen hatte. "Er hat ein Meisterwerk als Bettvorleger eingestuft", sagt Hannes Hartung, der Anwalt der Klägerin.

Dennoch hatte das Landgericht Augsburg seine Schadenersatz-Klage im Januar 2012 abgewiesen. Damit wollte sich seine Mandantin nicht abfinden, deshalb trafen sich die Parteien am Donnerstag zur Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht in Augsburg wieder. Allerdings war die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich anwesend. Nach Aussage ihres Anwalts leide die Frau bis heute unter dem entgangenen Gewinn: "Der physische Schmerz ist weniger geworden, aber die Enttäuschung ist natürlich noch da."

Der 14. Zivilsenat hat bei einem "Sachverständigen für gehobenen Hausrat" ein Gutachten bestellt, um letztendlich folgende Fragen zu klären: Hat der Auktionator fahrlässig seine Sorgfaltspflicht verletzt und versagt, weil er den enormen Wert des Teppichs nicht erkannte? Oder war das Stück schlicht und einfach gnadenlos überbezahlt von einem verrückten Teppichnarr, der zu viel Geld auf dem Konto hat und sich gegen einen ähnlich gestrickten Kontrahenten in einen Rausch hineinsteigerte?

Fakt ist, dass der Teppich im 17. Jahrhundert in der iranischen Teppichknüpf-Hochburg Kerman hergestellt wurde. Und dass er später der französischen Kunstsammlerin Comtesse de Béhague (1870 - 1939) gehörte, in deren Schlafgemach er wahrscheinlich lag. Aber den Preis in die Höhe getrieben hat vor allem eines: Der US-amerikanische Historiker und Archäologe Arthur Upham Pope nahm den Teppich anno 1938 in sein Nachschlagewerk "A Survey of Persian Art from Prehistoric Times to the Present" auf. Dies wusste der Augsburger Auktionator nicht, als er den Teppich im Oktober 2009 unter den Hammer brachte - zum Einstiegspreis von 900 Euro. Er wechselte schließlich für 19.700 Euro den Besitzer.

Schnäppchen seines Lebens

Für den Käufer war es wohl das Schnäppchen seines Lebens: Als er ihn im Jahr darauf bei Christie's versteigern ließ, erhielt er das 365-fache seiner Investition. Kaufpreis 7,2 Millionen Euro, fortan galt der Teppich als der teuerste der Welt. Dieser Erlös sei damals "sensationell" gewesen, sagte der Bielefelder Gutachter Frank Petersmann, das habe auch ihn überrascht. Allerdings wurde die Rekordmarke vor wenigen Wochen um ein Vielfaches überschritten. Wie Petersmann wortreich ausführte, versteigerte Sotheby's in New York jüngst einen weiteren antiken Perser aus dem Pope-Bildband für 33,8 Millionen US-Dollar. "Die Spirale dreht sich", stellte der Sachverständige fest. Er warte bereits auf den dritten Teppich, "der kommt bestimmt".

Das 7,2-Millionen-Exemplar bezeichnete der Gutachter als "exzeptionellen Teppich", bei dem "auch Laien" auffallen kann, dass es sich um ein antikes Stück handelt: Vor allem die Schäden in den Schwarztönen seien "ein starkes Indiz" für ein sehr frühes Stück. Der Anwalt der Auktionators, Peter Raue, hielt dagegen, dass sein Mandant sehr wohl erkannt habe, dass der Teppich antik und aus Persien sei. So habe er es auch im Versteigerungskatalog vermerkt. Der Sachverständige bezeichnete diese Angabe als "sehr vage", aber "im Ergebnis richtig".

Ansonsten blieben viele Fragen offen. "Der Auktionator steckt in einer Zwickmühle", sprach der Gutachter; einerseits gebe es Indikatoren, die den Teppich als sehr frühes Stück ausweisen, andererseits sei der Zustand "erstaunlich gut", was gegen eine Herkunft aus dem 17. oder 18. Jahrhundert spreche. Im übrigen habe der 33-Millionen-Dollar-Teppich von Sotheby's "einen deutlich schlechteren Zustand" gehabt.

Den 7,2-Millionen-Teppich hatte selbst Christie's ursprünglich "nur" auf 200.000 bis 300.000 Pfund taxiert. Auf diese Summe beruft sich die Klägerin, sie fordert 346.000 Euro Schadenersatz. Das Landgericht hatte zuletzt einen Vergleich in Höhe von 85.000 Euro vorgeschlagen. Doch diesen nahm der Auktionator nicht an, weil er nach eigenen Angaben das nötige Geld hierfür nicht habe.

Ein Urteil fiel am Donnerstag nicht. Überhaupt wird der Teppich wohl noch länger durch die Medien fliegen. Der Weg in eine weitere Instanz ist möglich. Gut denkbar, dass der Fall demnächst vor dem Bundesgerichtshof aufschlägt. Übrigens: Der Teppich ist ganze 3,38 Meter lang und 1,53 Meter breit. Wer ihn ersteigert hat und wo er sich nun befindet, ist unbekannt.

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