Wozu so ein Orientteppich alles dienen kann. In Film und Fernsehen als märchenhaftes Fluggerät oder Leichentransportbehälter, im wirklichen Leben als Bodenbelag und Kapitalanlage, aber auch als Objekt eines Rechtsstreits, der nun schon seit drei Jahren die Medien bundesweit beschäftigt. Eine ältere Dame aus Planegg bei München fordert von einem Augsburger Auktionator fast 350.000 Euro Schadenersatz, weil er ihren kostbaren Teppich falsch bewertet und weit unter Wert versteigert haben soll.
19.700 Euro erbrachte der Perser im Oktober 2009. Doch wenige Monate später verkaufte das Londoner Auktionshaus Christie's das Kunstwerk für die Rekordsumme von 7,2 Millionen Euro. Das ist das 8000-fache des Einstiegspreises, den der Beklagte einst aufgerufen hatte. "Er hat ein Meisterwerk als Bettvorleger eingestuft", sagt Hannes Hartung, der Anwalt der Klägerin.
Dennoch hatte das Landgericht Augsburg seine Schadenersatz-Klage im Januar 2012 abgewiesen. Damit wollte sich seine Mandantin nicht abfinden, deshalb trafen sich die Parteien am Donnerstag zur Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht in Augsburg wieder. Allerdings war die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich anwesend. Nach Aussage ihres Anwalts leide die Frau bis heute unter dem entgangenen Gewinn: "Der physische Schmerz ist weniger geworden, aber die Enttäuschung ist natürlich noch da."
Der 14. Zivilsenat hat bei einem "Sachverständigen für gehobenen Hausrat" ein Gutachten bestellt, um letztendlich folgende Fragen zu klären: Hat der Auktionator fahrlässig seine Sorgfaltspflicht verletzt und versagt, weil er den enormen Wert des Teppichs nicht erkannte? Oder war das Stück schlicht und einfach gnadenlos überbezahlt von einem verrückten Teppichnarr, der zu viel Geld auf dem Konto hat und sich gegen einen ähnlich gestrickten Kontrahenten in einen Rausch hineinsteigerte?
Fakt ist, dass der Teppich im 17. Jahrhundert in der iranischen Teppichknüpf-Hochburg Kerman hergestellt wurde. Und dass er später der französischen Kunstsammlerin Comtesse de Béhague (1870 - 1939) gehörte, in deren Schlafgemach er wahrscheinlich lag. Aber den Preis in die Höhe getrieben hat vor allem eines: Der US-amerikanische Historiker und Archäologe Arthur Upham Pope nahm den Teppich anno 1938 in sein Nachschlagewerk "A Survey of Persian Art from Prehistoric Times to the Present" auf. Dies wusste der Augsburger Auktionator nicht, als er den Teppich im Oktober 2009 unter den Hammer brachte - zum Einstiegspreis von 900 Euro. Er wechselte schließlich für 19.700 Euro den Besitzer.