Prozess um Sturz auf Schultoilette:Der kleine Unterschied

Prozess um Sturz auf Schultoilette: Gerichtssaal statt Klassenzimmer: Cornelia Kränzler und ihr Anwalt Siegfried Hauser haben erfolgreich gegen das Landesamt für Finanzen geklagt.

Gerichtssaal statt Klassenzimmer: Cornelia Kränzler und ihr Anwalt Siegfried Hauser haben erfolgreich gegen das Landesamt für Finanzen geklagt.

(Foto: Eisenberger/oH)

Sanitätsraum oder Sanitärraum? Eine Lehrerin stürzt auf der Schultoilette - und muss die Behandlungskosten einklagen. Der Freistaat hatte sich bisher geweigert, zu zahlen. Der Grund: Beim Geschäft hinter der Klotür hört der Dienst laut Gesetz auf.

Von Korbinian Eisenberger

Es ist erstaunlich, was ein paar Buchstaben in der Rechtsprechung ausmachen können. Cornelia Kränzler hätten die Niederungen der deutschen Rechtsbürokratie nun beinahe eine Stange Geld gekostet. Zum Verhängnis wurde der 48-Jährigen die morphologische Ähnlichkeit von Sanitätsraum und Sanitärraum. Die Sonderschullehrerin aus Oberbayern war im Mai 2011 auf der Schultoilette ausgerutscht. Sie zog sich dabei so schwere Verletzungen zu, dass sie heute immer noch humpelt.

Erst jetzt, zwei Jahre später, hat das Verwaltungsgericht München geurteilt, dass es sich dabei um einen Dienstunfall gehandelt haben muss. Der Freistaat hatte sich bisher geweigert, die 11.000 Euro Behandlungskosten zu zahlen. Der Grund: Beim Geschäft hinter der Klotür hört der Dienst laut Gesetz auf.

Als die Richterin am Donnerstag in bestem Juristendeutsch das Urteil verkündete, musste Kränzler erst mit ihrem Anwalt sprechen, ehe sie verstand, dass sie den Rechtsstreit gegen das bayerische Landesamt für Finanzen gewonnen hat. Verwunderlich ist das nicht: Schließlich ist die Vorgeschichte des Urteils kurios.

Am 12. Mai 2011 geht es an der Förderschule Rennertshofen (Kreis Neuburg-Schrobenhausen), wo Kränzler eine Schulklasse betreut, hoch her. Im Klassenzimmer zerbricht eine Glasflasche. Kränzler beseitigt die Scherben und geht auf die Toilette, um sich die Limonade von den Händen abzuwaschen. Auf den rutschigen Fliesen verliert sie mit ihren Lederschuhen vor dem Waschbecken den Halt. Dabei fällt sie so unglücklich, dass sie sich am Sprunggelenk verletzt, einen Knorpelschaden zuzieht und sich Innen- und Außenband reißt.

Es folgen zehn Monate Behandlungen, Operation, Reha. Weil der Unfall während ihrer Arbeitszeit in der Schule passiert ist, stellt sie einen Antrag auf Erstattung der Kosten. Das Landesamt für Finanzen geht aufgrund einer Schlampigkeit davon aus, der Unfall habe sich im Sanitätsraum, nicht im Sanitärraum ereignet. Der Vorfall wird deshalb zunächst als Dienstunfall anerkannt. Dann jedoch bemerkt die Behörde, dass sie sich im Raum geirrt hat, hebt den Anerkennungsbescheid wieder auf und fordert die 11.000 Euro zurück.

"Stinksauer" sei sie gewesen, sagt Kränzler

Laut Gesetz endet der Dienstunfallschutz nämlich bei Betreten der hauseigenen Kantine oder in Toiletten- und Waschräumen. Für Unfälle auf dem Klo muss man als Leidtragender selbst aufkommen. Sanitärraum oder Sanitätsraum - was als banales Detail erscheint, entscheidet bei Gericht jedoch über Sieg oder Niederlage.

"Stinksauer" sei sie gewesen, sagt Kränzler. Im Schulgebäude gäbe es keine anderen Waschbecken, und Limonade klebe nun mal. "Man muss sich doch in meinem Beruf noch die Hände waschen dürfen", sagt sie. Ein Beamter vom Landesamt sieht das anders. Eine zerbrochene Limoflasche sei kein Grund, aufs Klo zu gehen und sich die Hände zu waschen. Man hätte schließlich den Hausmeister holen können.

Die Richterin verurteilte schließlich das Landesamt dazu, Kränzler und ihrer Versicherung die 11.000 Euro zu erstatten. In ihrem Fall sei der Gang in den Kloraum dienstlich unvermeidbar gewesen. Glück im Unglück - wäre Kränzler beim Verrichten ihrer Notdurft gestürzt, hätte ihr das Gericht keinen Cent zugesprochen. Es sei denn vielleicht, sie hätte dies im Sanitätsraum erledigt.

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