Prozess um Polizeigewalt:Beamter attackiert Häftling mit Pfefferspray

Weil ein betrunkener Randalierer in seiner Zelle mehrmals die Notrufglocke geläutet hat, soll ein Polizist den Mann mit einem Pfefferspray schwer misshandelt haben. Nun muss sich der Beamte vor dem Regensburger Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Wolfgang Wittl

Der junge Mann benahm sich keineswegs mustergültig, das war aufgrund der Vorgeschichte auch nicht zu erwarten: Erst hatte er in einer Regensburger Gaststätte einen Kellner beschimpft, dann weigerte er sich, das Wirtshaus zu verlassen und demolierte eine Schiebetür, schließlich wehrte er sich lauthals schimpfend gegen die Polizisten, die ihn mitnehmen wollten. Im Juristendeutsch hieß das: Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Beleidigung und Widerstand gegen Polizeibeamte.

Nun saß der betrunkene 22-Jährige in einer Haftzelle und läutete ununterbrochen die Notrufglocke - bis der diensthabende Polizist offenbar die Nerven verlor und den Mann laut Staatsanwaltschaft mit einem Pfefferspray schwer misshandelte.

Diesen Montag wird sich der heute 36-jährige Beamte vor dem Regensburger Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt verantworten müssen. Laut Anklage soll sich der Vorfall vor mehr als einem Jahr wie folgt zugetragen haben: Nachdem der Inhaftierte mehrmals geläutet hatte, hielt der Polizist angeblich bereits beim Öffnen der Tür ein Pfefferspray in der Hand. Die Forderung nach Wasser soll er mit dem Hinweis beantwortet haben, der Betrunkene habe bereits welches erhalten. Durch die Gitterstäbe hindurch soll er dann aus kurzer Entfernung Pfefferspray in die Zelle gesprüht und sich wieder entfernt haben.

Erst 25 Minuten später wurden weitere Polizisten auf die Verletzungen des Mannes aufmerksam und ließen ihm medizinische Versorgung zukommen. Der 22-Jährige habe eine starke Augenreizung und Atembeschwerden erlitten.

"Provokationen gegen Beamte sind an der Tagesordnung"

Wenn das Amtsgericht nun über die Verhältnismäßigkeit der angewendeten Mittel verhandelt, wird zwangsläufig die Frage auftauchen, welchen Belastungen Polizisten im Dienst ausgesetzt sind. "Provokationen gegen Beamte sind mittlerweile an der Tagesordnung", sagt Gerhard Knorr von der Polizeigewerkschaft Oberpfalz.

Die Hemmschwelle sei erheblich gesunken, die Statistik besagt, dass jedem dritten bayerischen Polizisten jährlich Gewalt widerfahre: "Das macht den Kollegen zu schaffen", sagt Knorr. Immer mehr Polizisten hätten das Gefühl: Früher habe die Uniform Schutz geboten, nun sei sie eine Zielscheibe.

Für die Tat des Regensburger Polizisten, sollte sie sich wie von der Anklage behauptet zugetragen haben, haben seine Kollegen jedoch kein Verständnis. Sie wissen um die Wirkung des Pfeffersprays, das die bayerische Polizei seit dem Jahr 2000 verwendet. Der Einsatz aus bis zu zwei Meter Entfernung führt zur schmerzhaften Reizung von Haut und Augen; das Einatmen kann Übelkeit und Erbrechen verursachen. Neben der Gerichtsverhandlung erwarten den Polizisten auch dienstrechtliche Konsequenzen.

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