Prozess um Inzestfall in Mittelfranken:Inzest und Gewalt

Ein Vater aus Willmersbach soll 34 Jahre lang seine Tochter vergewaltigt und drei Kinder mit ihr gezeugt haben. Beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verheddert sich der Rentner in hanebüchene sexuelle Vorstellungen.

Der Angeklagte macht vor Gericht einen sehr einfachen Eindruck. Immer wieder versteht er die Staatsanwältin nicht, immer wieder muss sein Anwalt ihm Worte wie Präservativ, Samenerguss oder JVA übersetzen. Auch mit Hochdeutsch hat er Probleme, der Mann aus Franken soll Analphabet sein. Unter großem Medienandrang hat am Montagmorgen der Inzestprozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen einen 69-Jährigen begonnen. Er soll in 34 Jahren seine Tochter hundertfach vergewaltigt und drei Kinder mit ihr gezeugt haben.

Inzestfall von Willmersbach vor Gericht

Inzestfall von Willmersbach in Nürnberg vor Gericht: Zum Prozessauftakt wird der angeklagte Rentner mit einem Rollstuhl in den Saal geschoben.

(Foto: dapd)

Zum Prozessauftakt wird der Angeklagte mit einem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben, sein Gesicht schirmt er mit der Hand ab. Nach Angaben seines Anwalts hat er sich am Fuß verletzt. Zudem könne der 69-Jährige noch immer nicht verstehen, wieso seine Tochter von Vergewaltigung spreche. Schon im Vorfeld hatte er sexuelle Kontakte mit ihr zwar eingeräumt, aber von stets einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gesprochen.

Vor Gericht wiederholt der Rentner selbstbewusst seine Version der Geschichte, ein Schuldbewusstsein scheint ihm zu fehlen: Er habe zwar gewusst, dass Inzest falsch sei, die Tochter sei aber einverstanden gewesen. "Sie hat mitgemacht." Die Initiative sei meist sogar von seiner Tochter ausgegangen, so auch beim ersten Mal im Sommer 1982, als sie 16 oder 17 Jahre alt gewesen sei. Seitdem habe er sich etwa zweimal die Woche, nachts, als seine Frau schlief, ins Kinderzimmer geschlichen. Laut Anklage soll der Mann sein Kind aber schon vier bis fünf Jahre früher und mit Gewalt zum Verkehr gezwungen haben. Doch auch die Schläge bestreitet der Mann nun.

Drei behinderte Söhne vom Vater

Die Tochter des Angeklagten wird als Nebenklägerin auftreten und im Laufe des Prozesses aussagen, am ersten Tag ist sie nicht da. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte seine Tochter 497 Mal missbraucht, wobei nur die nicht verjährten Fälle von 1991 an zählen. Als Erwachsene brachte die heute 46-jährige Frau drei behinderte Söhne von ihm zur Welt. Zwei von ihnen starben im Kindesalter.

Der Fall hatte nach seinem Bekanntwerden Mitte September Erinnerungen an den österreichischen Fall "Fritzl" geweckt. Dieser hatte seine Tochter 24 Jahre lang in einem Keller gefangen gehalten und sie unzählige Male vergewaltigt. Der Inzestfall in Franken fand allerdings unter den Augen der Öffentlichkeit statt. So war auf der Kerwa, auf der im Landkreis äußerst beliebten Willmersbacher Kirchweih, im Ortsburschen Kurier der Vers nachzulesen: "Die Kinder aus dem gelben Haus / schaun wie ihr Opa aus." Doch erst zu Beginn dieses Jahres kam der Fall ans Tageslicht - durch einen Zufall.

Die Tochter war selbst straffällig geworden. Sie hatte versucht, Ärzte zu erpressen, weil sie ihnen die Verantwortung für die Behinderung ihres Sohnes gab. Die Erpressung flog auf, die Frau erhielt eine Bewährungsstrafe. Zu ihrer Bewährungshelferin fasste sie schließlich so viel Vertrauen, dass sie nach 34 Jahren die Mauer des Schweigens durchbrach. Bereits kurz nach den Berichten wurde der Vater festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

In eindeutiger Situation im Auto erwischt

Vor Gericht wird der Angeklagte am Montag auch mit belastenden Zeugenaussagen konfrontiert, die zeigen, dass der Inzest in Willmersbach kein Geheimnis war. Ein Jäger hatte bei der Polizei ausgesagt, er habe den Mann und seine Tochter in eindeutiger Situation im Auto erwischt und sie zur Rede gestellt. Er habe den Mann gefragt, ob er nun schon in den Nachbarort ausweichen müsse, weil er sich zu Hause nicht mehr blicken lassen könne.

Auch in einer Gastwirtschaft in einem Nachbarort von Willmersbach soll es zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und einem Gast gekommen sein, der den Mann darauf ansprach, ob er mit seiner Tochter schlafe. Vor Gericht bestätigt der Angeklagte die Zeugenaussagen.

Zur Aufklärung der schweren Vorwürfe will das Gericht während der sechs Verhandlungstage 24 Zeugen und drei Sachverständige hören. Am Nachmittag soll ein Psychiater aussagen, der den Angeklagten untersucht hat. Ein Urteil wird für 19. Dezember erwartet.

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