Prozess um Inzestfall in Mittelfranken:Hausarzt will nichts gewusst haben

Drei Jahrzehnte lang soll ihr Vater sie missbraucht haben, drei Kinder bekam sie von ihm. Vor Gericht erhebt die Tochter schwere Vorwürfe gegen den Angeklagten - und gegen ihre Mutter. Zeuge ist auch der Hausarzt der Familie, der sich - trotz Hinweis eines Kollegen - an nichts erinnern will.

Katja Auer

Der Teufel wäre doch los gewesen, sagt die Frau, wenn sie sich gegen ihren Vater gewehrt hätte. Es ist Tag zwei im Prozess gegen den 69-jährigen Mann aus dem mittelfränkischen Willmersbach, der 34 Jahre lang seine eigene Tochter vergewaltigt haben soll. Daheim, im Ehebett, im Auto am Waldrand. Das letzte Mal Anfang März, wenige Tage bevor ihn die Polizei festnahm.

Fortsetzung des Willmersbacher Inzest-Prozesses

Mit zwölf oder 13 Jahren habe sie der Vater zum ersten Mal vergewaltigt: In Nürnberg geht der Inzest-Prozess gegen Adolf B. mit der Befragung seiner Tochter weiter.

(Foto: dapd)

Es ist eine zierliche Frau, die da am Dienstag in den Schwurgerichtssaal 600 kommt, die kurzen Haare dunkelrot gefärbt, im dicken roten Anorak, einen Fan-Schal von Borussia Dortmund um den Hals. Ihren Vater würdigt sie mit keinem Blick. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit erzählt die 46-Jährige von ihrem Martyrium.

Mit zwölf oder 13 Jahren habe sie der Vater zum ersten Mal vergewaltigt, berichtet Gerichtssprecher Thomas Koch hernach über ihre Aussagen. Es sei im Ehebett gewesen, die Mutter habe daneben gelegen. Sie habe von Schlägen und Drohungen berichtet, deswegen habe sie sich auch niemandem anvertraut. Er werde sie finden und sie umbringen, habe ihr der Vater gedroht. Erst ihrer Bewährungshelferin hat sie dann alles erzählt, Anfang des Jahres. Die Mutter hat es also gewusst, die Brüder auch, das ganze Dorf hat es geahnt. Gemacht hat keiner was.

Zeuge ist auch der Hausarzt, bei dem die ganze Familie seit vielen Jahren in Behandlung gewesen ist. Regelmäßig. Von dem Missbrauch will er nichts gewusst haben. "Mir hat keiner was erzählt", sagt er und Stammtische besuche er nicht. Als der jüngste Sohn 2009 mit nur vier Jahren starb und ein anderer Kollege den Hausarzt per Brief darauf hinwies, dass es sich möglicherweise um ein Inzest-Kind handeln könnte, da ist ebenfalls nichts passiert. Das sei ihm "nicht erinnerlich", sagt der Hausarzt.

Und die Frauenärztin, bei der die 46-Jährige wenigstens sporadisch in Behandlung war, will bei einer Schwangerschaft sogar nach dem Vater des Kindes gefragt haben. "Das ist im Wald bei einer Vergewaltigung passiert", habe ihr die Frau erzählt. "Das hat unwahrscheinlich geklungen". Unternommen wurde aber nichts.

Vier Kinder hat die Frau bekommen, drei davon vom eigenen Vater, zwei sind schon gestorben. Der 69-Jährige hatte zum Prozessauftakt jede Vergewaltigung bestritten. Geschlechtsverkehr ja, aber seine Tochter habe immer mitgemacht.

Eine Gutachterin bescheinigt der Frau eine "schulisch wenig geförderte Intelligenz", aber sie leide weder unter Realitätsverlust noch neige sie dazu, Dinge zu erfinden. Angst hat die Tochter immer noch vor ihrem Vater. Der Psychiaterin sagte sie: Wenn der Vater "doch herauskomme", dann sei sie ihres Lebens nicht mehr sicher.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: