Prozess um Inzestfall in Mittelfranken:"Ein geschlossenes familiäres System"

Mehr als 30 Jahre lang soll ein Vater aus Willmersbach seine Tochter vergewaltigt haben. Öffentlich wurde das Martyrium der Frau durch einen Zufall: Als das mutmaßliche Opfer wegen eines Erpressungsfalls selbst verurteilt wurde, öffnete es sich seiner Bewährungshelferin. Diese sagte nun im Inzest-Prozess aus.

Olaf Przybilla, Nürnberg

Mit der Aussage der Bewährungshelferin des mutmaßlichen Opfers ist der Nürnberger Inzest-Prozess fortgesetzt worden. Sie brachte die Ermittlungen ins Rollen, nachdem sich die heute 46-Jährige Tochter in Gesprächen mit ihr erstmals öffnete.

Inzestfall von Willmersbach kommt vor Gericht

In diesem Haus im fränkischen Willmersbach soll ein heute 69 Jahre alter Mann jahrzehntelang seine Tochter missbraucht haben.

(Foto: dapd)

Jahrelang hatte das Opfer geschwiegen. Ihrem Vater, dem heute 69 Jahre alten Adolf B., wird vorgeworfen, seine Tochter mehr als 30 Jahre lang etwa 500 Mal zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Als Erwachsene brachte die Tochter drei behinderte Söhne von ihrem Vater zur Welt. Zwei von ihnen starben im Kindesalter.

Die Schuld an dem Tod ihrer Kinder suchte die Tochter damals bei den Ärzten. Sie versuchte sich an einer Erpressung, doch das Ganze flog auf - und die Frau erhielt eine Bewährungsstrafe. Als die Bewährungshelferin zum ersten Mal das Haus der Familie im mittelfränkischen Willmersbach betrat, kam sie sich vor, wie in "einem geschlossenen familiären System", erzählt sie nun vor Gericht.

Beim ersten Gespräch mit der Frau seien Vater, Mutter und ein Bruder mit im Raum gewesen. Künftige Treffen habe sie in das Amtsgericht von Neustadt an der Aisch verlegt.

Langsam fand sie Zugang zu der Frau, die immer wieder davon redete, zu Hause ausziehen zu wollen. Eingeengt habe sie sich gefühlt, erinnert sich die Bewährungshelferin. Die Tochter sei für den Haushalt verantwortlich gewesen, habe putzen und einkaufen müssen. Immerhin sei sie die Einzige in der Familie mit Führerschein gewesen. Selbst die Hartz-IV-Anträge ihrer Brüder habe das mutmaßliche Opfer ausfüllen müssen.

Nach einem Jahr bricht es schließlich aus ihr heraus, erzählt die Bewährungshelferin weiter. Die Aussage, eines ihrer Kinder sei durch eine Vergewaltigung des eigenen Vaters entstanden, schockiert die Bewährungshelferin: "Ich war wie vom Schlag getroffen", sagt sie bei ihrer Aussage. Sie habe der Tochter empfohlen, zu Hause auszuziehen, doch diese habe sich zunächst nicht getraut.

Schließlich sei sie aber doch ins Frauenhaus gegangen. Als zwei Streifenwagen vor dem Elternhaus in Willmersbach vorfuhren und die Tochter mitnahmen, habe der Vater sehr kulant reagiert und sogar das Tor noch geöffnet, berichtet die Bewährungshelferin.

Die Tochter selbst hat bereits vor Gericht ausgesagt. Sie bestätigte zu Beginn der Woche alle in der Anklage vorgebrachten Vorwürfe. Der 69-jährige Vater spricht dagegen von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr.

Der Inzestfall in Franken fand unter den Augen der Öffentlichkeit statt. So war auf der Kerwa, auf der im Landkreis äußerst beliebten Willmersbacher Kirchweih, im "Ortsburschen-Kurier" der Vers nachzulesen: "Die Kinder aus dem gelben Haus / schaun wie ihr Opa aus."

Im Laufe des Tages werden noch zwei Amtsrichter und ein Kripobeamter aussagen. Ein Urteil wird für den 19. Dezember erwartet.

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