Prozess um Familientragödie:"Ich werde euch massakrieren"

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Prozess wegen zweifachen Mordes: Der Angeklagte Sejdi K. (rechts) im Gerichtssaal in Nürnberg. (Foto: dpa)

Eine Frau trennt sich von ihrem gewalttätigen Mann, der bedroht ihre Familie und tötet schließlich Schwiegervater und Schwager. Jetzt steht er in Nürnberg vor Gericht - und spricht von Notwehr.

Von Hans Holzhaider, Nürnberg

Ein Mehrfamilienhaus in Neumarkt in der Oberpfalz: Im Treppenhaus vor einer Wohnung im zweiten Stock liegt ein Mann, blutüberströmt. Er bewegt sich nicht, er flüstert nur: "Hilfe, Hilfe." Die Wohnungstür steht offen, aber die Polizei wagt sich zunächst nicht hinein. Da ist ein seltsamer, stechender Geruch, es könnte Gas sein. Erst die Feuerwehr betritt mit Atemschutzmasken die Wohnung. Sie findet zwei Tote, einen 65-jährigen und einen 26-jährigen Mann, Vater und Sohn.

Was ist geschehen? Vor dem Landgericht Nürnberg begann am Dienstag der Prozess gegen den 44-jährigen Sejdi K.. Er ist der Mann, der damals, am 29. Januar 2013, blutend auf dem Treppenabsatz lag. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat er den Vater und den Bruder seiner damaligen Ehefrau ermordet, um sich an der Familie dafür zu rächen, dass ihn seine Frau mit dem gemeinsamen Sohn verlassen hatte. Aber Sejdi K. bestreitet das.

Er habe in Notwehr gehandelt, trägt sein Verteidiger Jens Paulsen vor. Er habe seinen Schwiegervater und seinen Schwager in friedlicher Absicht aufgesucht, um sie zu bitten, zwischen ihm und seiner Ehefrau zu vermitteln. Aber sie hätten ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und ihn mit einer Axt attackiert. Nur zur Selbstverteidigung habe er zum Messer gegriffen. Über diese Erklärung hinaus, sagt der Verteidiger, werde der Angeklagte vorerst keine Angaben machen und auch keine Fragen beantworten.

Die Familienangehörigen der beiden Toten dagegen haben viel zu erzählen vor Gericht, und das Bild, das sie von dem Angeklagten zeichnen, ist düster. Der mutmaßliche Täter und die beiden Opfer stammen aus dem Kosovo. Sie leben schon seit vielen Jahren in Deutschland. Von Beruf, sagt Sejdi K., sei er Lackierer, aber tatsächlich, berichtet Stresa R., seine mittlerweile geschiedene Ehefrau, habe er nur sporadisch gearbeitet.

"Er hat gesagt, ich bin Gott"

Sie haben 1994 geheiratet, aber vom ersten Tag an lief es nicht gut in der Ehe. "Es war nicht gut, und es ist immer schlimmer geworden", sagt sie. "Ich habe versucht, eine gute Hausfrau und eine gute Mutter zu sein, aber es hat nichts genützt." Von Anfang an habe ihr Mann sie geschlagen und damit gedroht, ihre Familie umzubringen, wenn sie nicht tue, was er will. "Er hat gesagt, ich bin Gott, und du musst tun, was ich sage."

Im Jahr 1999 kam der gemeinsame Sohn zur Welt, sogar während der Schwangerschaft habe ihr Mann sie geschlagen, sagt Stresa R.. Gelebt habe die Familie von Hartz IV, aber ihr Mann habe das meiste Geld in die Spielautomaten gesteckt.

Ein Streit um Geld sei schließlich auch der Auslöser für eine verhängnisvolle Eskalation gewesen. Sie habe 24 Euro genommen, weil der Sohn das Geld für die Schule brauchte, und ihr Mann habe sie nachts um zwei aus dem Bett gezerrt, weil er das Geld vermisste. "Er hat mir ein Messer an die Kehle gehalten, ich hatte Todesangst. Er hat mich sehr heftig geschlagen und beschimpft und mich dann aus der Wohnung geworfen. " Stresa R. flüchtete in die Wohnung ihrer Eltern. Als sie am nächsten Tag ihren Sohn von der Schule abholen wollte, habe die Direktorin ihre blauen Flecken gesehen und sie zur Polizei geschickt. Die Polizei brachte Mutter und Kind in ein Frauenhaus. Das war im September 2012.

Die naheliegende Frage, warum diese Ehe überhaupt geschlossen wurde, wenn es von Anfang an so wenig Liebe zwischen den Eheleuten gab, wird von niemandem gestellt. Aber es wird klar, dass die junge Ehefrau von ihrer Familie nicht allzu viel Hilfe zu erwarten hatte, obwohl es kein Geheimnis blieb, dass der Mann aggressiv und gewalttätig war.

"Die Tochter hat es immer schwer gehabt", sagt ihre Mutter. "Sie kam mit Verletzungen im Gesicht, aber wir haben es immer respektiert. Mein Mann hat immer gesagt: Lass es gut sein, vielleicht wird es besser." Auch als die Tochter zu ihren Eltern kam, weil ihr Mann sie aus der Wohnung geworfen hatte, wollte der Vater sie zurückschicken. "Aber sie sagte: Nein, er bringt mich um."

Nach der Trennung von seiner Frau habe Sejdi K. die Familie immer exzessiver und unverhohlener bedroht, berichten Familienmitglieder. Es habe unzählige Anrufe gegeben, von K. selbst oder von Landsleuten, die von ihm beauftragt wurden. "Er hat gesagt, er wird die Männer der Familie umbringen", sagt der jüngere Bruder von Stresa R.. "Ich werde euch umbringen, ich werde euch massakrieren, ich werde euch hinrichten", seien seine Worte gewesen.

Er und sein Vater hätten deshalb eine gerichtliche Verfügung erwirkt, dass Sejdi K. sich ihrem Haus nicht nähern dürfe. Er selbst, sagt der Bruder vor Gericht, habe aus Angst vor K. eine Axt unter seinem Bett versteckt. Aber für den Vater wäre Selbstjustiz niemals in Betracht gekommen, sagt der Zeuge. "Vater hat die Gesetze in Deutschland sehr respektiert. Er hat einfach viel zu viel Vertrauen in die Polizei gehabt."

© SZ vom 08.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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