Prozess um Augsburger Polizistenmord:Tochter des Hauptverdächtigen kommt frei

Die Tochter des mutmaßlichen Polizistenmörders ist zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden: In ihrem Keller waren Kisten mit Waffen und Geld deponiert - sie will aber von den kriminellen Unternehmungen ihres Vaters nichts gewusst haben.

Stefan Mayr, Augsburg

Ist Nadja M. ein Opfer ihres Vaters, der ihren Keller ohne ihr Wissen als Lager für illegale Waffen und gestohlenes Geld benützte? Oder ist sie eine Mitwisserin, die von der kriminellen Karriere ihres Vaters wusste? Die zierliche 32-Jährige ist die Tochter des mutmaßlichen Polizistenmörders von Augsburg.

Am Montag musste sie sich wegen unerlaubtem Besitz von Kriegswaffen und Hehlerei vor dem Amtsgericht verantworten. Der Gang in den mit etwa 100 Zuhörern besetzten Schwurgerichtssaal des Justizzentrums Augsburg fällt ihr sichtlich schwer, sie atmet mehrmals tief durch. Als das Blitzlichtgewitter der Pressefotografen einsetzt, schüttelt sie erschrocken den Kopf.

Gleich zu Beginn des Prozesses legt sie ein Geständnis ab. Sie gibt zu, zumindest zeitweise von den Waffen in ihrem Keller gewusst zu haben und aus den Kisten 38.000 Euro entnommen und in ihrer Küche versteckt zu haben. Sie beteuert aber auch, sie habe nichts von den mutmaßlichen regelmäßigen Raubüberfällen ihres Vaters gewusst.

Ihrem Vater Raimund M. und dessen Bruder Rudi R. wird vorgeworfen, im Oktober 2011 den Polizisten Mathias V. nach einer Verfolgungsjagd erschossen zu haben. Beide sitzen in Untersuchungshaft, ihnen wird voraussichtlich im Herbst der Prozess gemacht. Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei waren die Brüder an mehreren Raubzügen in Augsburg und in Ingolstadt beteiligt. Von all den Taten hat Nadja M. nach eigenen Angaben nichts gewusst. Vielmehr sei sie aus allen Wolken gefallen, als sie am 29. Dezember von der Festnahme ihres Vaters erfuhr.

Zwei Stunden lang steht Nadja M. sichtlich angespannt, aber weitgehend gefasst Rede und Antwort. Nur einmal bricht sie in Tränen aus: Als ihr mitangeklagter Ex-Partner Michael G. von dem Tag der Festnahme ihres Vaters berichtet: "Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so zerstört war wie Nadja an diesem Tag." Hat ihr Vater jahrelang ein Doppelleben als Familienvater und Schwerverbrecher geführt? Oder wusste die Tochter von seinen kriminellen Unternehmungen?

Der Vorsitzende Richter will der Angeklagten nicht alles glauben. So hatte diese von ihrem Arbeitsplatz drei Sprayflaschen des hochwirksamen Reinigungsmittels "DNA-Away" gestohlen und ihrem Vater übergeben - "ohne sich dabei etwas zu denken", wie sie sagt. "Ab wann denken sie sich eigentlich was?", fragt der Richter verdutzt.

Sie nahm 38.000 Euro aus der Kiste, verständigte aber nicht die Polizei

Nadja M. bestätigt immerhin, dass ihr Vater die Waffen, darunter drei Kalaschnikow-Schnellfeuer-Gewehre, neun Handgranaten und mehrere Pistolen, jahrelang in ihrem Keller gelagert habe. Aber sie betont, dass sie den Inhalt der verschlossenen Metallkisten lange Zeit nie gekannt habe. Einmal habe ihr Vater zwar zu ihr gesagt: "Wenn mit mir oder dem Rudi irgendwas ist, dann geh' in den Keller und tue raus, was du brauchen kannst."

Dennoch habe sie sich nicht weiter um die Kisten gekümmert. Erst nach der Festnahme ihres Vaters habe sie einen Blick hineingeworfen. Als sie dabei die Waffen erblickte, habe sie "der Schlag getroffen", sagt sie. Im ersten Moment habe sie gedacht: "Was ist mein Vater für ein Vollidiot, dass er seiner Tochter so etwas in den Keller stellt?"

Allerdings verständigte sie nicht die Polizei, sondern nahm zunächst 38.000 Euro an sich. Die Scheine versteckte sie hinter einer Sockelleiste in ihrer Küche. Die Waffen wurden bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt. Das Geld wurde erst gefunden, nachdem Nadja M. die Polizei darauf hingewiesen hatte. Der Mitangeklagte Michael G. beteuert, er habe von Geld und Waffen nie etwas gewusst. Allerdings wurde in einer Kiste eine DNA-Spur von G. gefunden.

Unter den Zuhörern sitzt auch Walter Rubach, der Rechtsbeistand der Witwe des getöteten Polizisten. "Die Angeklagte ist schon gestraft genug mit diesem Vater", sagt Rubach. "Er hat bis jetzt keinen Finger gekrümmt zugunsten seiner Tochter oder seiner Frau", berichtet er.

Der Staatsanwalt fordert für Nadja M. eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren - und für Michael G. 18 Monate Haft ohne Bewährung. Die Verteidiger plädieren auf eine siebenmonatige Bewährungsstrafe für sie und auf Freispruch für ihn. Das Gericht spricht schließlich Bewährungsstrafen für beide aus: Zwei Jahre für sie, ein Jahr für ihn.

Die Mutter der Angeklagten und Ehefrau des mutmaßlichen Polizistenmörders schloss nach dem Urteil ihre Tochter erleichtert in die Arme: "Mein Leben ist zur Zeit nicht auf der Sonnenseite", sagt sie. "Aber jetzt mit meiner Tochter zuhause habe ich wenigstens wieder ein Leben und eine Familie."

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