Süddeutsche Zeitung

Prozess:Landgericht Traunstein muss Brand in Doppelhaushälfte neu verhandeln

  • Eine Mutter und ihre Tochter sollen im Sommer 2016 eine Doppelhaushälfte in Rosenheim in Brand gesteckt haben, weil ihnen eine Zwangsräumung bevorstand.
  • Das Landgericht Traunstein hatte die beiden zu Haftstrafen verurteilt, doch in diesem März hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil wieder auf.
  • Der BGH sah das Recht der seelisch angeschlagenen Mutter durch die Ermittlungsmethoden der Polizei verletzt.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Leicht hatte sich das Landgericht Traunstein mit den beiden Angeklagten schon im vergangenen Jahr nicht getan. Mutter und Tochter, damals 75 und 52 Jahre alt, sollten im Sommer 2016 eine Doppelhaushälfte in Rosenheim in Brand gesteckt haben, weil ihnen an dem Tag die Zwangsräumung bevorstand, so hatte die Anklage dann 2017 gelautet. Das Landgericht hatte die beiden zu vier beziehungsweise viereinhalb Jahren Haft verurteilt, doch in diesem März hob der Bundesgerichtshof das Urteil wieder auf. Seit Freitag wird in Traunstein aufs Neue verhandelt, diesmal vor einer anderen Kammer. Doch auch die tut sich schwer.

Auf zwei Beweismittel werden sich die Traunsteiner Richter in diesem zweiten Anlauf nicht mehr stützen können: auf die Angaben zweier Rosenheimer Kriminalbeamter. Eine Polizistin hatte die ältere Frau nach dem Brand ins Rosenheimer Klinikum begleitet und dort deren Gespräch mit dem diensthabenden Arzt mitangehört. Laut der damaligen Aussage der Polizistin hatte die Frau dem Arzt gesagt, sie und ihre Tochter hätten Tabletten genommen, Benzin verschüttet und alles angezündet.

Auf die Frage der Polizistin, ob sie den Raum verlassen solle, hatte zuvor niemand reagiert. Auch später sprach die Polizistin im Krankenhaus mit der Frau, andere Gespräche darüber, dass alles zu viel geworden sei und man dem nun ein Ende habe machen wollen, ergaben sich auf dem Weg in die Klinik oder unterwegs zur Vorführung am Amtsgericht.

In der Traunsteiner Richterschaft wartete man interessiert bis gespannt, ob die Bundesrichter da womöglich eine Grundsatzentscheidung fällen würden, doch die sahen in ihrer Entscheidung über die Revision vor allem das Recht der zu der Zeit seelisch angeschlagenen und unter Medikamenten stehenden Frau verletzt, sich nicht selbst belasten zu müssen und daher die Aussage verweigern zu können. Denn in der normalen Vernehmungssituation hatten sich beide Frauen auf dieses Recht berufen.

Auch in der neuerlichen Verhandlung vor dem Landgericht wollten beide zunächst nichts sagen; stattdessen zogen sich die beteiligten Juristen zu einem Rechtsgespräch ins Richterzimmer zurück. Es folgten Diskussionen über die Zahl der Pflichtverteidiger und über eine Befangenheit des psychiatrischen Gutachters. Der Prozess wird fortgesetzt.

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SZ vom 16.06.2018/amm
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