Im Prozess um vorab verratene Hygiene- und Tierwohlkontrollen am Schlachthof Aschaffenburg hat das Landgericht Aschaffenburg am Mittwoch eine Tierärztin zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Das teilte eine Sprecherin mit. Die Richter der Großen Strafkammer sahen es als erwiesen an, dass Tatjana M. in vier tatmehrheitlichen Fällen Dienstgeheimnisse und eine besondere Geheimhaltungspflicht verletzt hat. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr und sechs Monate Haft auf Bewährung gefordert. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Das Verfahren gegen M.s ebenfalls angeklagte frühere Kollegin Patricia B. wurde unter ihrer Zustimmung und jener der Staatsanwaltschaft gegen eine Geldauflage von 2000 Euro eingestellt. Gleiches gilt für B.s Ex-Partner Patrick M., den Inhaber eines Zerlegebetriebes auf dem Schlachthof. Er muss 300 Euro zahlen.
Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten vorgeworfen, Mitarbeiter des Schlachthofs per Mail und in einer Whatsapp-Gruppe gezielt vor Kontrollen durch die bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) gewarnt, damit die Öffentlichkeit gefährdet und den Tieren geschadet zu haben. In ihrer Funktion als amtliche Tierärztinnen der Stadt Aschaffenburg erfuhren die Frauen von den KBLV-Besuchen frühzeitig. Tatjana M. hatte die Vorwürfe am Dienstag eingeräumt: Aufgrund von Mängeln am Schlachthof habe sie gefürchtet, ihren Job zu verlieren. Dem habe sie vorbeugen wollen, indem sich die Mitarbeiter auf die Kontrollen vorbereiten konnten.
B. dagegen hatte über ihren Verteidiger erklären lassen, sie habe lediglich eine Tierarztkollegin, die ihre Zulassung verloren hatte, über eine anstehende Prüfung zur Wiedererlangung der Arbeitserlaubnis informieren wollen. Ein solches fachaufsichtliches Audit sei anders als Betriebskontrollen nicht geheim zu halten. Dieser Auffassung folgte das Gericht nach Angaben der Sprecherin nicht – B. habe durchaus ein Dienstgeheimnis verraten. Weil im Vordergrund der Kontrolle aber die Prüfung der Ärztin und nicht die des Tierwohls gestanden habe, sei dieser Fall anders zu bewerten gewesen.
Stadt Aschaffenburg und Schlachthof verhandeln Vergleich nach Räumungsklage
Vor einem Jahr hatte die Organisation „Soko Tierschutz“ neben den verratenen Kontrollen mutmaßliche Tierquälereien am Schlachthof Aschaffenburg aufgedeckt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb weiterhin wegen des Verdachts der quälerischen Tiermisshandlung gegen Schlachthof-Mitarbeiter.
Als Konsequenz aus dem Skandal musste der Schlachthof zwischenzeitlich schließen, die Stadt Aschaffenburg kündigte der Betreiber-GmbH den Pachtvertrag, wogegen diese sich wehrte. Im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens verhandeln beide Seiten über einen Vergleich nach einer Räumungsklage.