Prozess:Ohne Deckung

Prozess Oberbürgermeister Wolbergs

"Ich will deutlich machen, dass ich kein Verbrecher bin, weder privat noch im Dienst": Joachim Wolbergs zwischen seinen Verteidigern. Vor dem Landgericht Regensburg gibt er am Dienstag eine stundenlange Erklärung ab. Er fühlt sich zu Unrecht angeklagt.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Der suspendierte Regensburger OB Joachim Wolbergs nimmt vor Gericht Stellung zu den Korruptionsvorwürfen. Es wird eine wütende Tirade gegen Staatsanwaltschaft und Medien - und ein Plädoyer für die eigene Unschuld

Von Andreas Glas und Annette Ramelsberger, Regensburg

Das Regensburger Landgericht war früher ein Schulhaus. Man merkt das heute noch daran, dass ab und zu der Schulgong läutet. An diesem Dienstag aber klingt der Gong wie eine Ringglocke. Weil hier ein Mann wie ein angeschlagener Boxer auftritt. Volles Risiko, ohne Deckung. Wie einer, der alles riskiert, weil er nichts mehr zu verlieren hat. Weil er glaubt, dass er aussichtslos zurückliegt auf den Punktzetteln der Ringrichter. Der Mann heißt Joachim Wolbergs (SPD), ist suspendierter Oberbürgermeister Regensburgs, sitzt wegen Korruptionsverdachts auf der Anklagebank. Ihm gegenüber sitzt die Frau, die er als Gegnerin ausgemacht hat: Staatsanwältin Christine Ernstberger.

Tag zwei im Prozess zur Regensburger Korruptionsaffäre. OB Wolbergs wird sich gleich äußern zu den Vorwürfen gegen ihn. Im Gerichtssaal hinter ihm sitzen die Mitbeschuldigten: Bauträger Volker Tretzel, dessen Ex-Mitgeschäftsführer Franz Wild und Norbert Hartl, früher SPD-Fraktionschef im Stadtrat. Sie verzichten darauf, zu Prozessbeginn selbst zu sprechen. Wolbergs nicht. Mehrere Stunden wird seine Erklärung dauern. Er wird dabei nicht wie ein Beschuldigter klingen, eher wie ein Ankläger. Es ist kurz nach 9 Uhr, als er zu reden beginnt. Ring frei.

Joachim Wolbergs wird sofort sehr persönlich. Da sitzt ein Mann, der gar nicht verbergen will, wie tief er verletzt ist. Ein Mann, der im Gerichtssaal einen Ton anschlägt, den man im Raum der Paragrafen kaum kennt: direkt, laut, aggressiv. "Ich habe viele Ratschläge bekommen, wie ich mich verhalten soll", sagt er zu Beginn, da ist er noch bemüht um Ruhe. "Ich soll nicht weinerlich sein, aber auch nicht zu forsch, es mir nicht mit dem Gericht verscherzen, aber auch nicht zu nett sein, nicht als Opfer erscheinen, aber auch nicht von oben herab, nicht reden wie sonst, denn sonst steht dann wieder in den Zeitungen: Reden ist das einzige, was er kann." Aber er redet dann doch. Und wüsste man nicht, dass man im Gericht sitzt, es könnte auch eine Parteitagsrede sein. So voller Wut und Bitterkeit, so voller Angriffe auf den politischen Gegner, auf die Medien, auf alle, die je gegen ihn waren. Vor allem aber gegen die Staatsanwaltschaft.

Wolbergs soll Bauträger Tretzel ein großes Grundstück zugeschanzt und ihn begünstigt haben. Zudem soll er persönliche Vorteile wie eine vergünstigte Wohnung von ihm bekommen haben. Die Staatsanwaltschaft wertet das als Bestechlichkeit, das Gericht nur als Vorteilsannahme. So oder so: Wolbergs ist erledigt, wenn das Gericht das als erwiesen ansieht. Er kämpft.

"Ich will deutlich machen, dass ich kein Verbrecher bin, weder privat noch im Dienst. Ich habe zuhause gelernt, dass man sich wehren soll, wenn es ungerecht zugeht." Und ungerecht ist nach seiner Ansicht Staatsanwältin Ernstberger, die die Ermittlungen gegen ihn geführt hat. Nun geht Wolbergs die schmale Frau an: Die CSU in Regensburg habe vor zwei Jahren erklärt, er habe die Stadt mit einem Korruptionsskandal beschmutzt. Dabei sei die Aufteilung von Spenden auf Summen unter 10 000 Euro gang und gäbe und zwar seit Jahrzehnten - die CSU habe das selbst erklärt. Nur bei ihm aber sei durchsucht worden. "Frau Ernstberger, verlassen Sie sich darauf, dass ich genau diese Behandlung auch bei der CSU erwarte - ich erwarte, dass Sie dieselben Fragen auch denen stellen und auch dieselben Leute verhören." Mittlerweile wird auch gegen den Landtagsabgeordneten und CSU-Kreisvorsitzenden Franz Rieger ermittelt. Dazu gegen Alt-OB Hans Schaidinger und Stadtrat Christian Schlegl, beide ebenfalls CSU.

Das, wofür er angeklagt sei, das sei alles ganz normal, sagt Wolbergs. Er verteidigt, dass Spenden aufgeteilt werden, so dass die Namen der Spender unbekannt bleiben. Das sei "kein Regensburg-Phänomen", sondern üblich. Die Spender wollten nicht mit der Partei in Verbindung gebracht werden, sie wollten nicht von anderen angebettelt werden. Darauf müsse man doch Rücksicht nehmen. "Wie glauben wir eigentlich, wie wir mit Spenderdaten umgehen dürfen?" herrscht er die Staatsanwältin an. Das Parteiengesetz ist da allerdings recht deutlich: Es will Transparenz. Der Bürger soll erkennen können, von wem Parteien unterstützt werden. Bei Spenden ab 10 000 Euro muss der Name genannt werden. Wolbergs bekam 48 Spenden aus dem Umfeld eines Bauträgers - jeweils in Höhe von 9900 Euro. Die Staatsanwaltschaft sieht da eine bedenkliche Abhängigkeit. Wolbergs aber sagt: "Bei jedem, der in Regensburg gespendet hat, wusste ich, dass ich mit dem zu tun haben werde. Das ist doch völlig normal." Eine überschaubare Stadt eben.

Staatsanwältin Christine Ernstberger und ihre Kollegin sitzen unbewegt da. Sie schreiben mit, was Wolbergs sagt. Sie werden noch lange miteinander zu tun haben, im gleichen Raum, nur drei Meter voneinander entfernt. Doch dann kommt der Moment, in dem sie irritiert wirken. Es geht um einen günstigen Kredit des Bauträgers bei der Sparkasse, dem Wolbergs zugestimmt hat. Wolbergs setzt sich in Positur. Er schaut die Staatsanwältinnen nun direkt an. Sie hätten die Sparkasse durch ihre Ermittlungen geschädigt. Ihm wurde Begünstigung des Bauträgers vorgeworfen. "Es ist eine Sauerei, diesen Vorwurf zu konstruieren", ruft er Ernstberger zu. Er hebt den Arm, schreit fast, dann versteigt er sich zu einer Art Drohung: "Sie haben ja Glück, dass ich nichts mehr zu melden habe. Wenn ich mal wieder in einer Position sein sollte, in der ich was zu sagen habe, dann würde ich anweisen, gegen Sie auf Amtshaftung zu klagen. Sie haben der Sparkasse einen dramatischen Schaden zugefügt." Die Richterin blickt jetzt auch konsterniert, strafft sich, als wollte sie etwas sagen. Aber sie sagt nichts. Das Gericht flüchtet sich lieber in die Pause. Danach bittet Ernstberger, Wolbergs möge doch von solchen Angriffen absehen. Sie habe ja Verständnis für seine Situation, aber eine Verhandlung solle doch in ruhigem und sachlichem Ton erfolgen. Die Richterin entgegnet, sie halte es nicht für opportun, jeden Satz auf die Goldwaage zu legen. Sie könne beide Seiten verstehen. Wolbergs sagt dann: "Ich werde mich am Riemen reißen. Ich bin einfach verbittert. Ich habe alles verloren. Und ich meine zu Unrecht."

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