Prozess nach Macheten-Attacke:"Dein Kopf gehört mir"

  • Ein 47-jähriger Mann steht in Traunstein vor Gericht, weil er im vergangenen Sommer Biergartenbesucher mit einem Samurai-Schwert, einer Machete und einem Stutzen bedroht hatte.
  • Die Polizei schoss den Mann an und überwältigte ihn.
  • Das Gericht muss entscheiden, ob der Mann schuldfähig ist und ob er als gemeingefährlich eingestuft werden muss.

Der Tag, an dem er niedergeschossen wurde, begann für Robert B. mit einer Enttäuschung. Eine von vielen in seinem Leben. Um 9.30 Uhr hatte er einen Termin beim Arbeitsamt, es galt zu klären, warum der übliche Scheck mit dem Geld nicht gekommen war. Doch statt der gesamten Summe erhielt der 47 Jahre alte Mann nur einen Vorschuss. Später trank er mit einigen Bekannten an einer Bushaltestelle nahe seiner Wohnung in Neuötting. Gegen 17 Uhr ging er mit einem Samuraischwert, einer Machete und einem Stutzen bewaffnet zu einem nahen Biergarten. "Dein Kopf gehört mir. Ruft's die Polizei an", sagte er laut Zeugen zu Gästen.

Als Polizisten eintrafen, legte er das nicht funktionsfähige Gewehr auf sie an. Bedrohlich schwang er die Klingen und näherte er sich zwei Streifenbeamten. Er schrie: "Erschießt mich!" Kniete kurz nieder. Doch er gab nicht auf, sondern erhob sich, ging mit erhobenen Klingen auf einen der Polizisten zu. Der wich zurück, immer wieder. Als Robert B. mit seiner langen Klinge in Schlagweite gelangte, krachten drei Schüsse. Einer traf, er ging zu Boden und wurde überwältigt.

Gemeingefährlich oder nicht?

Ein gutes halbes Jahr nach den Vorfällen am 3. Juni 2014 sitzt Robert B. auf der Anklagebank des Landgerichts Traunstein. Er muss sich für seine Taten verantworten, allerdings wird er nicht im Gefängnis büßen. Denn aufgrund einer Persönlichkeitsstörung und seiner Alkoholabhängigkeit sei er zum Zeitpunkt der Tat wohl nicht schuldfähig gewesen, trägt Staatsanwalt Björn Pfeifer vor. Die Richter müssen deshalb entscheiden, ob Robert B. gemeingefährlich ist. Das ist dann ausschlaggebend dafür, wie lange der bereits in einer psychiatrischen Klinik einsitzende Robert B. dort bleiben muss und ob er jemals wieder herauskommt.

Der psychiatrische Gutachter Rainer Gerth macht es dem Gericht nicht leicht. Dass Robert B. mit hoher Wahrscheinlichkeit unter ähnlichen Umständen Menschen bedrohen könnte, glaubt er schon. Dass er tatsächlich Gewalt anwenden würde, da ist er sich weniger sicher. Und wenn, dann auch nur wenn viele Komponenten zusammenkämen: seine eingeschränkte Intelligenz, die Lebensgeschichte des Scheiterns, Alkohol, plötzliche Impulse wie eine mögliche Erniedrigung oder gefühlte Zurücksetzung. Zweimal hatte Robert B. schon eine Waffe gezogen, doch verletzt hat er niemand.

Prozess nach Macheten-Attacke: Das Gericht präsentierte die Waffen. Das Jagdgewehr war allerdings gar nicht funktionsfähig.

Das Gericht präsentierte die Waffen. Das Jagdgewehr war allerdings gar nicht funktionsfähig.

(Foto: Effern/oh)

An den 3. Juni 2014 könne er sich nur noch bis zum Trinken an der Bushaltestelle erinnern, sagt B., da habe ihm einer seiner Bekannten wohl Schnaps in seine Flasche gefüllt. Dass die Halbe anders schmeckt, habe er erst nach einem kräftigen Zug bemerkt. Doch da sei die Flasche schon leer gewesen. Die nächste Erinnerung sei eine Trage und viel Blut. Die Kugel eines Polizisten hatte ihm den rechten Oberschenkel durchschlagen und war im linken Knie stecken geblieben. - als er versorgt wurde, hatte er 1,56 Promille im Blut.

Ein Leben mit vielen Sackgassen

Irgendwann an diesem Tag müsse alles hochgekommen sein, was in den letzten 27 Jahren falsch gelaufen sei, sagt B. Da rechnet er die ersten sechs Lebensjahre bei den leiblichen Eltern noch gar nicht mit, obwohl er sie mit schweren Verbrühungen und zehn gebrochenen Fingern verbindet. Auch nicht seine Zeit in der Schule, die er nach dreimaligem Wiederholen in der achten Klasse abbrach, ebenso wenig seine dreijährige Metzgerlehre ohne Gesellenprüfung.

Er beginnt seine Rechnung mit seinen drei gescheiterten Beziehungen, während derer er ein Kind aufgrund eines Herzfehlers verlor und eines sofort zur Adoption freigegeben wurde. Dazu eineinhalb Jahre, die er auf der Straße lebte. Einen Kasten Bier am Samstag, einen am Sonntag, das Trinken am Tattag. Die Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren, die er als erniedrigend empfand. Den Streit mit seiner Frau kurz vor seinem Auftritt mit Schwert und Messer. "Ich bin an einer Wand gestanden und bin nicht mehr zurückgekommen." Er habe kein Ziel mehr gehabt. "Ich habe auf einen Genickschuss gewartet, als ich mich hingekniet habe", schließt er aus den Aussagen von Zeugen. Ob er wirklich tot sein wollte? Auch heute sagt Robert B.: "Besser wäre es gewesen, dann würde ich heute nicht so dasitzen."

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