Süddeutsche Zeitung

Prozess:Lebenslang für Mord an Konvertitin gefordert

Die Staatsanwaltschaft hat in Traunstein lebenslange Haft für einen 30 Jahre alten Muslim wegen Mordes an einer zum Christentum übergetretenen Muslima gefordert. Staatsanwalt Oliver Mößner beantragte im Plädoyer am Montag zudem, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Dies würde bedeuten, dass der Angeklagte nicht nach 15 Jahren zur Bewährung aus der Haft entlassen werden kann. In seinem Schlusswort sagte der Angeklagte, der wie das Opfer aus Afghanistan stammt, er wolle sich bei den Hinterbliebenen entschuldigen. Ihm sei "bis heute nicht klar, wie es zu der Tat kommen konnte". Der Angeklagte habe die 38-jährige Frau heimtückisch und vor den Augen ihrer fünf und elf Jahre alten Söhne erstochen, sagte Mößner. Die Tat im April 2017 in Prien am Chiemsee (Landkreis Rosenheim) sei einer öffentlichen Hinrichtung gleichgekommen. Der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt - er habe die Frau wegen ihrer Religionszugehörigkeit getötet. Nach dreieinhalb Jahren, die er sich in Deutschland aufgehalten habe, hätte er wissen müssen, wie man in Deutschland über Menschen denke, die einen anderen wegen ihrer Religion töten.

Verteidiger Harald Baumgärtl beantragte, auf die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld zu verzichten, und begründete dies mit der "ganz außergewöhnlichen Lebenssituation". Der abgelehnte Asylbewerber sei in seiner Heimat "von klein auf mit Gewalt, Blut und Tod" konfrontiert gewesen. Mit 14 Jahren habe er den Mord an einem Onkel und seiner Mutter gerächt, indem er den mutmaßlichen Täter mit einer Eisenstange schwer verletzte. Zudem habe er keine Schule besuchen können. Baumgärtl zog das von Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertreterinnen genannte Motiv in Zweifel, wonach der Angeklagte die Frau aufgrund des Wechsels ihrer Religion getötet habe. Sein Mandant sei gar nicht besonders religiös.

Einem Sachverständigen gegenüber hatte der Angeklagte vor dem Prozess den tödlichen Angriff zugegeben. Zum Prozessauftakt aber sagte er aus, sich an die Tat nicht erinnern zu können. Den Gedächtnisverlust wollten ihm Staatsanwalt und Nebenklagevertreterinnen nicht abnehmen. Seine prinzipielle Schuldfähigkeit stehe außer Zweifel. Das Urteil soll an diesem Freitag verkündet werden.

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SZ vom 06.02.2018 / dpa
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